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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Alborta von puttkamer.

Bald jubelnd, bald in Thränen; einmal matt,
Und dann so frisch, als käm' ein Frühlingssturm!

Dies Gedicht auf Chopin gehört zu den gelungensten der Dichterin. Es ist
charakteristisch für sie, daß sie am glücklichsten in diesem Stück ist, welches die
Stimmung des Salons, dem sie ein andresmal nichts gutes nachsagen kann,
treffend wiederspiegelt.

Nun haben wir soviel von den Gedichten dieser Frau gesagt, haben sie als
eine ebenso geistreiche als fein empfindsame Dame geschildert, als einen mit
männlicher Energie hohen Idealen nachstrebenden Geist -- und sie hätte die
Liebe nicht? O doch! und es ist leicht vorauszusehen, daß in dieser feurigen
Seele die Liebe eine ganz besonders entscheidende Rolle spielen muß. Wie man
bei den Handlungen der Männer nach der französischen Regel fragen soll:
0ü sse, ig. domino? ebenso richtig scheint es uns, bei der Betrachtung weiblicher
Schicksale nach dem Manne ihrer Leidenschaft, nach seinem Geist und seinem Cha¬
rakter zu forschen, denn er ist es, der ihr Schicksal macht. Und die Bekennt¬
nisse, welche Alberta von Puttkcimer von ihrer Ara.naiv xWsion in zahlreichen
Gedichten ablegt, sind durchaus dazu geeignet, diesen Satz zu bestätigen; ja,
kaum anderswo kann es so klar ersichtlich sein, wie entscheidend auf die ganze
Art, die Welt anzuschauen, der Mann für das Weib werden muß, welches ihm
mit der ersten Glut eines jungfräulichen Herzens, mit den ungebrochenen Idealen
eines unverdorbenen Gemütes entgegenkommt und die Verwirklichung derselben
in ihm sucht. Unsre Dichterin hat sie nicht gefunden. Weißt du, fragt sie in
dem "Elend" überschriebenen Gedichte:


[Beginn Spaltensatz] Weißt du, was in wachen Winternächten
Mir wie Tod durch mein Gehirn geschlichen,
Daß, berührt von ungekannten Mächten,
Alles Blühn zu Schatten hingcblichen? Und warum mir reiche Lcnzesstundcn,
Dunkler Wetterdrang der Sommertage,
Gleichen Maßes, gleichen Werth geschwunden?
Ohne Jubcllaut und ohne Klage? [Spaltenumbruch] Weil ich Göttlichkeit in dir begehrte
Und doch nur ein kindisch Herz gefunden;
Weil ich dich als Schmerz- und Glückgcfährte
Lebenfordernd an mein Sein gebunden; Und du dich mit plumpen Kindcrhiinden
Aus dem Zauberlande losgerungen,
Hast'gen Spiels, nicht mit der Lust zu enden,
Doch von jämmerlichem Trieb bezwungen. [Ende Spaltensatz]

In andern Gedichten wird uns der Charakter dieses Mannes, der sie so
enttäuschte, ganz klar vor Augen gestellt, und wir begreifen, wie gerade dieser
Frauenseele, die in sich selbst soviel Energie fühlt, ein Mann, dem die Zähigkeit
des ausdauernden Wollens, die Treue der Gesinnung, das Festhalten des einmal
Ergriffenen bei einer Fülle glänzender Eigenschaften mangelte, Eigenschaften,
welche sie anfänglich berauschen und bestechen mußten, verhängnisvoll wurde.
Es ist eine Byrvnsche Gestalt, welche sie in dem zehnten Gedichte aus dem
Cyklus "An einen fahrenden Ritter" schildert, das wir diesmal ganz hersetzen
müssen:


Alborta von puttkamer.

Bald jubelnd, bald in Thränen; einmal matt,
Und dann so frisch, als käm' ein Frühlingssturm!

Dies Gedicht auf Chopin gehört zu den gelungensten der Dichterin. Es ist
charakteristisch für sie, daß sie am glücklichsten in diesem Stück ist, welches die
Stimmung des Salons, dem sie ein andresmal nichts gutes nachsagen kann,
treffend wiederspiegelt.

Nun haben wir soviel von den Gedichten dieser Frau gesagt, haben sie als
eine ebenso geistreiche als fein empfindsame Dame geschildert, als einen mit
männlicher Energie hohen Idealen nachstrebenden Geist — und sie hätte die
Liebe nicht? O doch! und es ist leicht vorauszusehen, daß in dieser feurigen
Seele die Liebe eine ganz besonders entscheidende Rolle spielen muß. Wie man
bei den Handlungen der Männer nach der französischen Regel fragen soll:
0ü sse, ig. domino? ebenso richtig scheint es uns, bei der Betrachtung weiblicher
Schicksale nach dem Manne ihrer Leidenschaft, nach seinem Geist und seinem Cha¬
rakter zu forschen, denn er ist es, der ihr Schicksal macht. Und die Bekennt¬
nisse, welche Alberta von Puttkcimer von ihrer Ara.naiv xWsion in zahlreichen
Gedichten ablegt, sind durchaus dazu geeignet, diesen Satz zu bestätigen; ja,
kaum anderswo kann es so klar ersichtlich sein, wie entscheidend auf die ganze
Art, die Welt anzuschauen, der Mann für das Weib werden muß, welches ihm
mit der ersten Glut eines jungfräulichen Herzens, mit den ungebrochenen Idealen
eines unverdorbenen Gemütes entgegenkommt und die Verwirklichung derselben
in ihm sucht. Unsre Dichterin hat sie nicht gefunden. Weißt du, fragt sie in
dem „Elend" überschriebenen Gedichte:


[Beginn Spaltensatz] Weißt du, was in wachen Winternächten
Mir wie Tod durch mein Gehirn geschlichen,
Daß, berührt von ungekannten Mächten,
Alles Blühn zu Schatten hingcblichen? Und warum mir reiche Lcnzesstundcn,
Dunkler Wetterdrang der Sommertage,
Gleichen Maßes, gleichen Werth geschwunden?
Ohne Jubcllaut und ohne Klage? [Spaltenumbruch] Weil ich Göttlichkeit in dir begehrte
Und doch nur ein kindisch Herz gefunden;
Weil ich dich als Schmerz- und Glückgcfährte
Lebenfordernd an mein Sein gebunden; Und du dich mit plumpen Kindcrhiinden
Aus dem Zauberlande losgerungen,
Hast'gen Spiels, nicht mit der Lust zu enden,
Doch von jämmerlichem Trieb bezwungen. [Ende Spaltensatz]

In andern Gedichten wird uns der Charakter dieses Mannes, der sie so
enttäuschte, ganz klar vor Augen gestellt, und wir begreifen, wie gerade dieser
Frauenseele, die in sich selbst soviel Energie fühlt, ein Mann, dem die Zähigkeit
des ausdauernden Wollens, die Treue der Gesinnung, das Festhalten des einmal
Ergriffenen bei einer Fülle glänzender Eigenschaften mangelte, Eigenschaften,
welche sie anfänglich berauschen und bestechen mußten, verhängnisvoll wurde.
Es ist eine Byrvnsche Gestalt, welche sie in dem zehnten Gedichte aus dem
Cyklus „An einen fahrenden Ritter" schildert, das wir diesmal ganz hersetzen
müssen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/131>, abgerufen am 24.11.2024.