Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Alberta von Puttkcnnor.
In der That ist die milde Gemütsart des modernen Minnesängers kein
Es ist bezeichnend, daß zwei ihrer besten Gedichte Heroen der sittlichen Welt
Er forderte sie auf zur Thätigkeit, doch sie verharrten in der Schwelgerei, und Alberta von Puttkcnnor.
In der That ist die milde Gemütsart des modernen Minnesängers kein
Es ist bezeichnend, daß zwei ihrer besten Gedichte Heroen der sittlichen Welt
Er forderte sie auf zur Thätigkeit, doch sie verharrten in der Schwelgerei, und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196228"/> <fw type="header" place="top"> Alberta von Puttkcnnor.</fw><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Dein Sang war mild, wie frühe Zeit im Mai —<lb/> Und leicht gcschwingt wie erster Lcrchenflng ,..<lb/> Du kanntest nicht den Sturm, der bis ins Herz<lb/> Verwirrend greift. Du warst von Wildheit frei.<lb/> Nur kanntest du den leichten Sturm des März,<lb/> Der, heißen Atems, spielt mit reichen Blüten,<lb/> Und nicht Baumkronen fällt in blindem Wüten.</l> <l> Wie vieles, was zu hoch in nur entbrannt,<lb/> Hast dn hcrabgcdämmt in kühle Schranken;<lb/> Wie vieles zwang und tilgte deine Hand,<lb/> Was allzu üppig schoß in krause Ranken!<lb/> Ob dich mein Auge niemals auch ersah,<lb/> In feinen Zügen schaute dich mein Geist.<lb/> Du bliebest meinen Jugcndwegen nah,<lb/> Wie seltsam sie auch liefen, und wie kühn<lb/> Ihr letztes Ziel ans fremde Höhen weis't...<lb/> .Kein Kräutlein war in uns verwandtes Bind'n,<lb/> Und dennoch zog's mich an: deun deine Seele<lb/> Gab meinem Geist, was ihm an Milde fehle.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_453" next="#ID_454"> In der That ist die milde Gemütsart des modernen Minnesängers kein<lb/> ihr wahlverwandtes Naturell. Streng kritisch, ja schneidig stellt sie sich der<lb/> Welt und ihrer nähern Umgebung gegenüber. So sehr sie die Schönheit zu<lb/> feiern weiß, so vermag diese allein sie nicht zu erfüllen, voran stellt sie die<lb/> Wahrheit. Keine der holden Musen geleitet sie zum Parnaß, sondern der leiden¬<lb/> reiche Feuerräuber Prometheus, und zwar führt sie seine Flammenspnr durch<lb/> die dunkeln Wirren der Welt:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> An dein betäubenden Hauch<lb/> Der Städte vorüber;</l> <l> Abseits der schillernde« Fesseln der Sünde,<lb/> Der bunten und eiteln Wunder der Lust,<lb/> Der Ohnmacht des Irdischen;<lb/> Abseits der goldübertünchten<lb/> Thöneruen Götzen der Ehre.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_454" prev="#ID_453" next="#ID_455"> Es ist bezeichnend, daß zwei ihrer besten Gedichte Heroen der sittlichen Welt<lb/> feiern. Im „Diogenes vor Korinth" läßt sie den griechischen Bettlerphilvsvphen<lb/> leidenschaftlich gegen die Üppigkeit und Genußsucht der Korinther sprechen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Ihr könntet göttlich sein nach eurer Kraft,<lb/> Und seid kaum Männer I</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_455" prev="#ID_454" next="#ID_456"> Er forderte sie auf zur Thätigkeit, doch sie verharrten in der Schwelgerei, und<lb/> er blieb der einzige, der den nahenden Untergang ihrer Freiheit voraussah. Da<lb/> floh er in die Einsamkeit: „Beschränkung in Natur ist gottgefeit." In „Mose's<lb/> Tod" wird ausdrücklich des Kampfes gedacht, den der Verkündiger göttlicher<lb/> Gesetze gegen die Diener des goldnen Kalbes zu bestehen hatte. Und zur Oster-<lb/> zeit, da sie in der Kirche der Musik lauscht, ersteht vor ihr die Szene, wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Alberta von Puttkcnnor.
Dein Sang war mild, wie frühe Zeit im Mai —
Und leicht gcschwingt wie erster Lcrchenflng ,..
Du kanntest nicht den Sturm, der bis ins Herz
Verwirrend greift. Du warst von Wildheit frei.
Nur kanntest du den leichten Sturm des März,
Der, heißen Atems, spielt mit reichen Blüten,
Und nicht Baumkronen fällt in blindem Wüten. Wie vieles, was zu hoch in nur entbrannt,
Hast dn hcrabgcdämmt in kühle Schranken;
Wie vieles zwang und tilgte deine Hand,
Was allzu üppig schoß in krause Ranken!
Ob dich mein Auge niemals auch ersah,
In feinen Zügen schaute dich mein Geist.
Du bliebest meinen Jugcndwegen nah,
Wie seltsam sie auch liefen, und wie kühn
Ihr letztes Ziel ans fremde Höhen weis't...
.Kein Kräutlein war in uns verwandtes Bind'n,
Und dennoch zog's mich an: deun deine Seele
Gab meinem Geist, was ihm an Milde fehle.
In der That ist die milde Gemütsart des modernen Minnesängers kein
ihr wahlverwandtes Naturell. Streng kritisch, ja schneidig stellt sie sich der
Welt und ihrer nähern Umgebung gegenüber. So sehr sie die Schönheit zu
feiern weiß, so vermag diese allein sie nicht zu erfüllen, voran stellt sie die
Wahrheit. Keine der holden Musen geleitet sie zum Parnaß, sondern der leiden¬
reiche Feuerräuber Prometheus, und zwar führt sie seine Flammenspnr durch
die dunkeln Wirren der Welt:
An dein betäubenden Hauch
Der Städte vorüber; Abseits der schillernde« Fesseln der Sünde,
Der bunten und eiteln Wunder der Lust,
Der Ohnmacht des Irdischen;
Abseits der goldübertünchten
Thöneruen Götzen der Ehre.
Es ist bezeichnend, daß zwei ihrer besten Gedichte Heroen der sittlichen Welt
feiern. Im „Diogenes vor Korinth" läßt sie den griechischen Bettlerphilvsvphen
leidenschaftlich gegen die Üppigkeit und Genußsucht der Korinther sprechen:
Ihr könntet göttlich sein nach eurer Kraft,
Und seid kaum Männer I
Er forderte sie auf zur Thätigkeit, doch sie verharrten in der Schwelgerei, und
er blieb der einzige, der den nahenden Untergang ihrer Freiheit voraussah. Da
floh er in die Einsamkeit: „Beschränkung in Natur ist gottgefeit." In „Mose's
Tod" wird ausdrücklich des Kampfes gedacht, den der Verkündiger göttlicher
Gesetze gegen die Diener des goldnen Kalbes zu bestehen hatte. Und zur Oster-
zeit, da sie in der Kirche der Musik lauscht, ersteht vor ihr die Szene, wie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |