Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Desine danken that. Man sollte also denken, daß auch sie denselben Weg gehen müßten, Ob aber anch die Minderheit, welche so direkt vor den Kopf gestoßen ist, Allerdings fehlt es nicht an Stimmen, welche an die besprochenen Vor¬ Desine danken that. Man sollte also denken, daß auch sie denselben Weg gehen müßten, Ob aber anch die Minderheit, welche so direkt vor den Kopf gestoßen ist, Allerdings fehlt es nicht an Stimmen, welche an die besprochenen Vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195485"/> <fw type="header" place="top"> Desine</fw><lb/> <p xml:id="ID_308" prev="#ID_307"> danken that. Man sollte also denken, daß auch sie denselben Weg gehen müßten,<lb/> ans den man letztem befördert hat. Dies würde wohl anch geschehen, wenn<lb/> die Demokratie zahlreicher im Reichstage vertreten wäre und sich den Luxus<lb/> solcher Achtserkläruugcn gestatten könnte. Aber zwei von sieben auszuschließen,<lb/> ist eine fatale Sache; am Ende könnte das Sprichwort von den zwei Löwen<lb/> wahr werden, die sclband spazieren gingen „und haben da von Wild entbrannt<lb/> einander anfgezohrcu," bis auf die Schwänze bekanntlich. An der Lust zum<lb/> politischen Autodafe fehlt es deu Radikalen nie, sie steckt ihnen sogar im Blute;<lb/> aber das Material geht ihnen leicht aus, wenn es aus den eignen dünnen<lb/> Reihen genommen werden soll. Wahrscheinlicher ist also, daß die Mehrheit der<lb/> Partei ein Einsehen haben und die Vertreter vom Neckar und Rhein begnadigen<lb/> wird. Man hat ohnehin am 28. Oktober Frankfurt und Hall, Ulm und Cann-<lb/> statt verloren; man wird sich nicht weiter selbst noch zehnten und wird ver¬<lb/> suchen mit einander weiter zu Hausen. Aller Welt aber ist jetzt offenkundig,<lb/> daß auch in der Brust der süddeutschen Demokratie zwei Seelen°wohnen. Den<lb/> „Beobachter" und die „Frankfurter Zeitung" wird das natürlich nicht abhalten,<lb/> sich über die Geteiltheit der Nationallibcralen und Deutschfreisinnigen lustig zu<lb/> machen; im Gegenteil, sie werden sich dieses Vergnügen erst recht erlauben, um<lb/> die Aufmerksamkeit von der eignen Wunde abzulenken. Sie tragen den Balken<lb/> im eignen Ruge; umso lebhafter werden sie über die Brüder zu Gerichte sitzen,<lb/> die den Splitter im Ange haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_309"> Ob aber anch die Minderheit, welche so direkt vor den Kopf gestoßen ist,<lb/> sich beruhigt in ihr Schicksal ergebe» wird? Man konnte daran zweifeln; es<lb/> erschiene denkbar, daß sie die Ohrfeige nicht ergebenst einsteckt, sonder» sich rührt<lb/> und an eine offizielle Parteivcrsammlung appellirt — wahrscheinlich ist es nicht.<lb/> Das Gefühl der Schwäche, von dem die Mehrheit beherrscht wird, wohnt natur¬<lb/> gemäß auch der Minderheit bei. Sie wird sich sagen, daß sie am Ende ebenso¬<lb/> wenig auf eignen Beinen stehen kann wie die Mehrheit, und so wird mau sich<lb/> weiter mit einander behelfen, bis ein neuer Stoß das wankende Gebäude vollends<lb/> anseinanderwirft.</p><lb/> <p xml:id="ID_310" next="#ID_311"> Allerdings fehlt es nicht an Stimmen, welche an die besprochenen Vor¬<lb/> gänge andre Hoffnungen knüpfen. Wie von der Stuttgarter Stichwahl vom 10. Juli<lb/> 1884 her bekannt ist, existirt in der Deutschen Partei wenigstens in Stuttgart<lb/> ein „linker Flügel," der streng national, aber auch streng liberal sein will und<lb/> es satt ist, „sich mit den Konservativen Stuttgarts in ihre Niederlagen zu<lb/> teilen." An der „Würtembergischen Landeszcitnng" hat dieser Flügel sein<lb/> Organ, das seineu liberalen Beruf namentlich durch sehr unnötige Reibereien<lb/> am „Schwäbischen Merkur" in einer Weise bethätigt, der die Lust zur Sezession<lb/> »ach links deutlich anzumerken ist. Die „Landeszcitnng" deutete bereits offen<lb/> an, daß eine Verschmelzung der Liberalen ihrer Farbe und der Stockmaherschen<lb/> Demokraten möglich sei, und daß damit eine neue Parteitage sich ergeben könnte.<lb/> Von positiven Schritten in dieser Richtung verlautet aber noch nichts; auf<lb/> alle Fälle würde eine solche Vereinigung nur für die Hauptstadt Bedeutung<lb/> haben, da ans dem Lande die Konservativen fast alle der freikouservativen Fahne<lb/> folgen und selbst die „Landeszeitung" diese nicht als Bundesgenossen verwirft.<lb/> Sicher aber wird durch die Spaltung innerhalb der Demokratie die Kraft<lb/> derselben noch mehr gelähmt und schon damit der Deutschen Partei Förderung<lb/> zuteil werden. Die in den Winkel geschobene Minderheit der Volkspartei be¬<lb/> greift gerade die intelligentesten und Persönlich anziehendsten Elemente der Partei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Desine
danken that. Man sollte also denken, daß auch sie denselben Weg gehen müßten,
ans den man letztem befördert hat. Dies würde wohl anch geschehen, wenn
die Demokratie zahlreicher im Reichstage vertreten wäre und sich den Luxus
solcher Achtserkläruugcn gestatten könnte. Aber zwei von sieben auszuschließen,
ist eine fatale Sache; am Ende könnte das Sprichwort von den zwei Löwen
wahr werden, die sclband spazieren gingen „und haben da von Wild entbrannt
einander anfgezohrcu," bis auf die Schwänze bekanntlich. An der Lust zum
politischen Autodafe fehlt es deu Radikalen nie, sie steckt ihnen sogar im Blute;
aber das Material geht ihnen leicht aus, wenn es aus den eignen dünnen
Reihen genommen werden soll. Wahrscheinlicher ist also, daß die Mehrheit der
Partei ein Einsehen haben und die Vertreter vom Neckar und Rhein begnadigen
wird. Man hat ohnehin am 28. Oktober Frankfurt und Hall, Ulm und Cann-
statt verloren; man wird sich nicht weiter selbst noch zehnten und wird ver¬
suchen mit einander weiter zu Hausen. Aller Welt aber ist jetzt offenkundig,
daß auch in der Brust der süddeutschen Demokratie zwei Seelen°wohnen. Den
„Beobachter" und die „Frankfurter Zeitung" wird das natürlich nicht abhalten,
sich über die Geteiltheit der Nationallibcralen und Deutschfreisinnigen lustig zu
machen; im Gegenteil, sie werden sich dieses Vergnügen erst recht erlauben, um
die Aufmerksamkeit von der eignen Wunde abzulenken. Sie tragen den Balken
im eignen Ruge; umso lebhafter werden sie über die Brüder zu Gerichte sitzen,
die den Splitter im Ange haben.
Ob aber anch die Minderheit, welche so direkt vor den Kopf gestoßen ist,
sich beruhigt in ihr Schicksal ergebe» wird? Man konnte daran zweifeln; es
erschiene denkbar, daß sie die Ohrfeige nicht ergebenst einsteckt, sonder» sich rührt
und an eine offizielle Parteivcrsammlung appellirt — wahrscheinlich ist es nicht.
Das Gefühl der Schwäche, von dem die Mehrheit beherrscht wird, wohnt natur¬
gemäß auch der Minderheit bei. Sie wird sich sagen, daß sie am Ende ebenso¬
wenig auf eignen Beinen stehen kann wie die Mehrheit, und so wird mau sich
weiter mit einander behelfen, bis ein neuer Stoß das wankende Gebäude vollends
anseinanderwirft.
Allerdings fehlt es nicht an Stimmen, welche an die besprochenen Vor¬
gänge andre Hoffnungen knüpfen. Wie von der Stuttgarter Stichwahl vom 10. Juli
1884 her bekannt ist, existirt in der Deutschen Partei wenigstens in Stuttgart
ein „linker Flügel," der streng national, aber auch streng liberal sein will und
es satt ist, „sich mit den Konservativen Stuttgarts in ihre Niederlagen zu
teilen." An der „Würtembergischen Landeszcitnng" hat dieser Flügel sein
Organ, das seineu liberalen Beruf namentlich durch sehr unnötige Reibereien
am „Schwäbischen Merkur" in einer Weise bethätigt, der die Lust zur Sezession
»ach links deutlich anzumerken ist. Die „Landeszcitnng" deutete bereits offen
an, daß eine Verschmelzung der Liberalen ihrer Farbe und der Stockmaherschen
Demokraten möglich sei, und daß damit eine neue Parteitage sich ergeben könnte.
Von positiven Schritten in dieser Richtung verlautet aber noch nichts; auf
alle Fälle würde eine solche Vereinigung nur für die Hauptstadt Bedeutung
haben, da ans dem Lande die Konservativen fast alle der freikouservativen Fahne
folgen und selbst die „Landeszeitung" diese nicht als Bundesgenossen verwirft.
Sicher aber wird durch die Spaltung innerhalb der Demokratie die Kraft
derselben noch mehr gelähmt und schon damit der Deutschen Partei Förderung
zuteil werden. Die in den Winkel geschobene Minderheit der Volkspartei be¬
greift gerade die intelligentesten und Persönlich anziehendsten Elemente der Partei
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