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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

Er antwortete aber ohne alle Befangenheit: Auch über ihn steht Eurer
Herrlichkeit jede etwa wünschenswerte Auskunft auf Verlangen zur Ver¬
fügung.

Ich brauche keine von Euch erst zu erbitten, sagte der Herzog mit einem
Blick nach dem Schranke, in welchem er geheime Mitteilungen über alle in
Mantua ihm Verdächtigen aufbewahrte, aber Euch kam es zu, für die
Harmlosigkeit des von dem alten Buouaeolsi geplanten Bundes Glaubhaftes zu
erklügeln. Daß Ihr über diesen offenkundiger Beweis für die Zähigkeit, mit
welcher Marcello auf seinem Prätendentenstandpunkte beharrt, hinwegzuschlüpfen
versuchtet, beweist mir, daß Ihr doch noch nicht ganz auf der für diplomatische
Aufgaben erforderlichen Höhe steht. Der Staatsmann muß vor allem imstande
sein, den Schein voller Aufrichtigkeit zu wahren.

Altezza, antwortete der Anwalt, als vermöge er noch immer den Herzog
nicht ganz zu verstehen, ich befinde mich in einiger Verlegenheit. Die Mit¬
teilungen, welche durch Vcppos Aussage" zutage gekommen sind, konnte Euch
noch kein Agent hinterbracht haben; sie waren sozusagen Wecken, welche ich Euch
aus dem Backofen heiß zutrug. Alles sonst mit dem Zodiaeo-Gäßchen in Ver¬
bindung stehende ist Euch aber doch selbstverständlich längst berichtet worden,
und von so bekannten Dingen Euch auch noch erst unterhalten zu wollen, hieße
Eure Geduld mißbrauchen. Seid Ihr wider Erwarten über Einzelnes nur un¬
vollständig unterrichtet, so befehle.

Gut, versetzte der Herzog, so beliebt mir zu sagen, was Ihr von fol¬
gendem Auskunftsmittel haltet, ich meine von folgender, mir eben durch den
Kopf gehenden Idee, entsprungen aus dem Wunsche, Euch durch einen Guatem¬
ale zu verpflichten und zugleich mein teures Mantua endlich in betreff jenes
Prätcndentengeschlechts zur Ruhe kommen zu lassen.

Er setzte sich von neuem, schenkte ein, ließ auch den Anwalt wieder
Platz nehmen, stieß mit demselben an und leerte gleich diesem das Glas bis
auf den Grund. Zu gedeihlichem Abschluß unsrer Verhandlung! fügte er
hinzu.

Gott gebe seinen Segen! stimmte der Anwalt zu und nahm, inmitten
starker Zweifel an den ehrlichen Absichten seines hohen Trinkgenvsfen, wiederum
seine Zuflucht zu dein Ausdrucke kindlich gläubiger Erwartung.

Also zur Sache! Es hat sich im Laufe der Verhandlung herausgestellt
-- so steht es ja bei uns, die Zeugenaussagen zu wenden --, es hat sich,
sage ich, herausgestellt, daß Marcello zwar zum Verteidigen seines Hausrechts
das Schwert zog, daß aber, wie man von der Straße aus gesehen, Ab-
bondiv den Todeshieb führte und den Erschlagenen dann eigenhändig vom
Balkon hinabstürzte. Soweit die neue Lesart, auf Grund deren sich's vielleicht
verantworten ließe, daß ich Euerm Klienten Zeit gönnte, dereinst in seinem
Spätzchenpalast an Altersschwäche den Geist aufzugeben.


Um eine perle.

Er antwortete aber ohne alle Befangenheit: Auch über ihn steht Eurer
Herrlichkeit jede etwa wünschenswerte Auskunft auf Verlangen zur Ver¬
fügung.

Ich brauche keine von Euch erst zu erbitten, sagte der Herzog mit einem
Blick nach dem Schranke, in welchem er geheime Mitteilungen über alle in
Mantua ihm Verdächtigen aufbewahrte, aber Euch kam es zu, für die
Harmlosigkeit des von dem alten Buouaeolsi geplanten Bundes Glaubhaftes zu
erklügeln. Daß Ihr über diesen offenkundiger Beweis für die Zähigkeit, mit
welcher Marcello auf seinem Prätendentenstandpunkte beharrt, hinwegzuschlüpfen
versuchtet, beweist mir, daß Ihr doch noch nicht ganz auf der für diplomatische
Aufgaben erforderlichen Höhe steht. Der Staatsmann muß vor allem imstande
sein, den Schein voller Aufrichtigkeit zu wahren.

Altezza, antwortete der Anwalt, als vermöge er noch immer den Herzog
nicht ganz zu verstehen, ich befinde mich in einiger Verlegenheit. Die Mit¬
teilungen, welche durch Vcppos Aussage» zutage gekommen sind, konnte Euch
noch kein Agent hinterbracht haben; sie waren sozusagen Wecken, welche ich Euch
aus dem Backofen heiß zutrug. Alles sonst mit dem Zodiaeo-Gäßchen in Ver¬
bindung stehende ist Euch aber doch selbstverständlich längst berichtet worden,
und von so bekannten Dingen Euch auch noch erst unterhalten zu wollen, hieße
Eure Geduld mißbrauchen. Seid Ihr wider Erwarten über Einzelnes nur un¬
vollständig unterrichtet, so befehle.

Gut, versetzte der Herzog, so beliebt mir zu sagen, was Ihr von fol¬
gendem Auskunftsmittel haltet, ich meine von folgender, mir eben durch den
Kopf gehenden Idee, entsprungen aus dem Wunsche, Euch durch einen Guatem¬
ale zu verpflichten und zugleich mein teures Mantua endlich in betreff jenes
Prätcndentengeschlechts zur Ruhe kommen zu lassen.

Er setzte sich von neuem, schenkte ein, ließ auch den Anwalt wieder
Platz nehmen, stieß mit demselben an und leerte gleich diesem das Glas bis
auf den Grund. Zu gedeihlichem Abschluß unsrer Verhandlung! fügte er
hinzu.

Gott gebe seinen Segen! stimmte der Anwalt zu und nahm, inmitten
starker Zweifel an den ehrlichen Absichten seines hohen Trinkgenvsfen, wiederum
seine Zuflucht zu dein Ausdrucke kindlich gläubiger Erwartung.

Also zur Sache! Es hat sich im Laufe der Verhandlung herausgestellt
— so steht es ja bei uns, die Zeugenaussagen zu wenden —, es hat sich,
sage ich, herausgestellt, daß Marcello zwar zum Verteidigen seines Hausrechts
das Schwert zog, daß aber, wie man von der Straße aus gesehen, Ab-
bondiv den Todeshieb führte und den Erschlagenen dann eigenhändig vom
Balkon hinabstürzte. Soweit die neue Lesart, auf Grund deren sich's vielleicht
verantworten ließe, daß ich Euerm Klienten Zeit gönnte, dereinst in seinem
Spätzchenpalast an Altersschwäche den Geist aufzugeben.


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[0645] Um eine perle. Er antwortete aber ohne alle Befangenheit: Auch über ihn steht Eurer Herrlichkeit jede etwa wünschenswerte Auskunft auf Verlangen zur Ver¬ fügung. Ich brauche keine von Euch erst zu erbitten, sagte der Herzog mit einem Blick nach dem Schranke, in welchem er geheime Mitteilungen über alle in Mantua ihm Verdächtigen aufbewahrte, aber Euch kam es zu, für die Harmlosigkeit des von dem alten Buouaeolsi geplanten Bundes Glaubhaftes zu erklügeln. Daß Ihr über diesen offenkundiger Beweis für die Zähigkeit, mit welcher Marcello auf seinem Prätendentenstandpunkte beharrt, hinwegzuschlüpfen versuchtet, beweist mir, daß Ihr doch noch nicht ganz auf der für diplomatische Aufgaben erforderlichen Höhe steht. Der Staatsmann muß vor allem imstande sein, den Schein voller Aufrichtigkeit zu wahren. Altezza, antwortete der Anwalt, als vermöge er noch immer den Herzog nicht ganz zu verstehen, ich befinde mich in einiger Verlegenheit. Die Mit¬ teilungen, welche durch Vcppos Aussage» zutage gekommen sind, konnte Euch noch kein Agent hinterbracht haben; sie waren sozusagen Wecken, welche ich Euch aus dem Backofen heiß zutrug. Alles sonst mit dem Zodiaeo-Gäßchen in Ver¬ bindung stehende ist Euch aber doch selbstverständlich längst berichtet worden, und von so bekannten Dingen Euch auch noch erst unterhalten zu wollen, hieße Eure Geduld mißbrauchen. Seid Ihr wider Erwarten über Einzelnes nur un¬ vollständig unterrichtet, so befehle. Gut, versetzte der Herzog, so beliebt mir zu sagen, was Ihr von fol¬ gendem Auskunftsmittel haltet, ich meine von folgender, mir eben durch den Kopf gehenden Idee, entsprungen aus dem Wunsche, Euch durch einen Guatem¬ ale zu verpflichten und zugleich mein teures Mantua endlich in betreff jenes Prätcndentengeschlechts zur Ruhe kommen zu lassen. Er setzte sich von neuem, schenkte ein, ließ auch den Anwalt wieder Platz nehmen, stieß mit demselben an und leerte gleich diesem das Glas bis auf den Grund. Zu gedeihlichem Abschluß unsrer Verhandlung! fügte er hinzu. Gott gebe seinen Segen! stimmte der Anwalt zu und nahm, inmitten starker Zweifel an den ehrlichen Absichten seines hohen Trinkgenvsfen, wiederum seine Zuflucht zu dein Ausdrucke kindlich gläubiger Erwartung. Also zur Sache! Es hat sich im Laufe der Verhandlung herausgestellt — so steht es ja bei uns, die Zeugenaussagen zu wenden —, es hat sich, sage ich, herausgestellt, daß Marcello zwar zum Verteidigen seines Hausrechts das Schwert zog, daß aber, wie man von der Straße aus gesehen, Ab- bondiv den Todeshieb führte und den Erschlagenen dann eigenhändig vom Balkon hinabstürzte. Soweit die neue Lesart, auf Grund deren sich's vielleicht verantworten ließe, daß ich Euerm Klienten Zeit gönnte, dereinst in seinem Spätzchenpalast an Altersschwäche den Geist aufzugeben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/645>, abgerufen am 18.06.2024.