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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

Die Regel ist in der Sonnenblume ausgesprochen.

Der Herzog trat vom Fenster zurück. Es widerstrebte ihm, einem Advo¬
katen etwas andres als das Wandeln auf krummen Wegen zuzutrauen. Dennoch
Ware er gern die Sorge, es gebe noch eine ernsthaft zu nehmende Buonaeolsi-
Anhängerschaft, los gewesen.

Und wenn Ihr Vnonaeolsi-Leute diesen Namen also nicht mehr verdient,
fragte er, indem er vor Andrea stehen blieb und ihn scharf anblickte, wenn es
also keine Männer mehr giebt, die sich's etwas kosten lassen, uns zu beun-
ruhigen, woher dann diese Masse von Personen, die sich gegen mich verschworen
haben sollen?

Ich habe sogar noch einige Namen unterschlagen, Altezza.

Welche?

Gian Vismara.

Meinen Leibbarbier?

So glaube ich, Altezza.

Unerhört! Gian Vismara! Alle Morgen hat er mich unter seinem
Messer!

Der Anwalt fuhr fort: Buzzi oder Puzzi.

Der bekannte Weinwirt auf der Piazza d Erbe?

Ohne Zweifel, Altezza.

Er hat eine exquisite Sorte weißen Lavagnvs in seinem Keller. Der
Schurke! Und ich trinke also seit Jahren sorglos Wein aus der Mache eiues
Verschwörers!

Der Anwalt fuhr fort: Andrea Primaticcio.

Ihr selbst? Francesco wich zurück, als gelte es einen Dolchstoß zu Pariren.

Ich selbst, Altezza.

O, Ihr habt mich also mit einem Scherze belustigen zu dürfen ge¬
meint! Der Herzog verzog seine Miene zum Ausdrucke mißbilligender Vor¬
nehmheit.

Ich würde meine untergeordnete Stellung, Altezza, nie bis zu dem Punkte
vergessen, daß ich mir die Rechte eines Hofnarren anmaßte, entgegnete Andrea
ohne Ironie.

So seid Ihr also wirklich bei der Verschwörung beteiligt?

Dann befände ich mich in diesem Augenblick, Altezza, nicht mehr innerhalb
der Grenzen Eurer Oberherrlichkeit.

Oder jener Beppo ist ein Lügner und wir haben ihm ohne Grund die
Ehre erwiesen, uns mit ihm zu beschäftigen.

Altezza, versetzte der Anwalt, wer in bestimmten Lebenslagen nicht bei der
Wahrheit bleibt, ist deshalb noch nicht mit Notwendigkeit ein Lügner. In dem
Falle, welcher hier vorliegt, möchte überhaupt eher als vou einem Lügner von
einer Lügnerin die Rede sein.


Um eine perle.

Die Regel ist in der Sonnenblume ausgesprochen.

Der Herzog trat vom Fenster zurück. Es widerstrebte ihm, einem Advo¬
katen etwas andres als das Wandeln auf krummen Wegen zuzutrauen. Dennoch
Ware er gern die Sorge, es gebe noch eine ernsthaft zu nehmende Buonaeolsi-
Anhängerschaft, los gewesen.

Und wenn Ihr Vnonaeolsi-Leute diesen Namen also nicht mehr verdient,
fragte er, indem er vor Andrea stehen blieb und ihn scharf anblickte, wenn es
also keine Männer mehr giebt, die sich's etwas kosten lassen, uns zu beun-
ruhigen, woher dann diese Masse von Personen, die sich gegen mich verschworen
haben sollen?

Ich habe sogar noch einige Namen unterschlagen, Altezza.

Welche?

Gian Vismara.

Meinen Leibbarbier?

So glaube ich, Altezza.

Unerhört! Gian Vismara! Alle Morgen hat er mich unter seinem
Messer!

Der Anwalt fuhr fort: Buzzi oder Puzzi.

Der bekannte Weinwirt auf der Piazza d Erbe?

Ohne Zweifel, Altezza.

Er hat eine exquisite Sorte weißen Lavagnvs in seinem Keller. Der
Schurke! Und ich trinke also seit Jahren sorglos Wein aus der Mache eiues
Verschwörers!

Der Anwalt fuhr fort: Andrea Primaticcio.

Ihr selbst? Francesco wich zurück, als gelte es einen Dolchstoß zu Pariren.

Ich selbst, Altezza.

O, Ihr habt mich also mit einem Scherze belustigen zu dürfen ge¬
meint! Der Herzog verzog seine Miene zum Ausdrucke mißbilligender Vor¬
nehmheit.

Ich würde meine untergeordnete Stellung, Altezza, nie bis zu dem Punkte
vergessen, daß ich mir die Rechte eines Hofnarren anmaßte, entgegnete Andrea
ohne Ironie.

So seid Ihr also wirklich bei der Verschwörung beteiligt?

Dann befände ich mich in diesem Augenblick, Altezza, nicht mehr innerhalb
der Grenzen Eurer Oberherrlichkeit.

Oder jener Beppo ist ein Lügner und wir haben ihm ohne Grund die
Ehre erwiesen, uns mit ihm zu beschäftigen.

Altezza, versetzte der Anwalt, wer in bestimmten Lebenslagen nicht bei der
Wahrheit bleibt, ist deshalb noch nicht mit Notwendigkeit ein Lügner. In dem
Falle, welcher hier vorliegt, möchte überhaupt eher als vou einem Lügner von
einer Lügnerin die Rede sein.


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[0591] Um eine perle. Die Regel ist in der Sonnenblume ausgesprochen. Der Herzog trat vom Fenster zurück. Es widerstrebte ihm, einem Advo¬ katen etwas andres als das Wandeln auf krummen Wegen zuzutrauen. Dennoch Ware er gern die Sorge, es gebe noch eine ernsthaft zu nehmende Buonaeolsi- Anhängerschaft, los gewesen. Und wenn Ihr Vnonaeolsi-Leute diesen Namen also nicht mehr verdient, fragte er, indem er vor Andrea stehen blieb und ihn scharf anblickte, wenn es also keine Männer mehr giebt, die sich's etwas kosten lassen, uns zu beun- ruhigen, woher dann diese Masse von Personen, die sich gegen mich verschworen haben sollen? Ich habe sogar noch einige Namen unterschlagen, Altezza. Welche? Gian Vismara. Meinen Leibbarbier? So glaube ich, Altezza. Unerhört! Gian Vismara! Alle Morgen hat er mich unter seinem Messer! Der Anwalt fuhr fort: Buzzi oder Puzzi. Der bekannte Weinwirt auf der Piazza d Erbe? Ohne Zweifel, Altezza. Er hat eine exquisite Sorte weißen Lavagnvs in seinem Keller. Der Schurke! Und ich trinke also seit Jahren sorglos Wein aus der Mache eiues Verschwörers! Der Anwalt fuhr fort: Andrea Primaticcio. Ihr selbst? Francesco wich zurück, als gelte es einen Dolchstoß zu Pariren. Ich selbst, Altezza. O, Ihr habt mich also mit einem Scherze belustigen zu dürfen ge¬ meint! Der Herzog verzog seine Miene zum Ausdrucke mißbilligender Vor¬ nehmheit. Ich würde meine untergeordnete Stellung, Altezza, nie bis zu dem Punkte vergessen, daß ich mir die Rechte eines Hofnarren anmaßte, entgegnete Andrea ohne Ironie. So seid Ihr also wirklich bei der Verschwörung beteiligt? Dann befände ich mich in diesem Augenblick, Altezza, nicht mehr innerhalb der Grenzen Eurer Oberherrlichkeit. Oder jener Beppo ist ein Lügner und wir haben ihm ohne Grund die Ehre erwiesen, uns mit ihm zu beschäftigen. Altezza, versetzte der Anwalt, wer in bestimmten Lebenslagen nicht bei der Wahrheit bleibt, ist deshalb noch nicht mit Notwendigkeit ein Lügner. In dem Falle, welcher hier vorliegt, möchte überhaupt eher als vou einem Lügner von einer Lügnerin die Rede sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/591>, abgerufen am 22.07.2024.