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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

bei lebendigem Leibe geschunden! Ein Säufer seid Ihr und ein Hasenfuß -- ja,
glotzt mich nur an, ein Hasenfuß --, wagt's doch, mich anzugreifen! Hier
stehe ich und warte, daß Jhr's wagt.

Es war nicht höflich, ihn so abzukanzeln, denn in Wirklichkeit glotzte er
keineswegs, vielmehr starrte er, und zwar wie einer, der inmitten einer maßlos
unbändigen Verwunderung und Entrüstung im Grunde doch auch sich freut.
Welch ein Mannsbild wäre die geworden und wie gut thut's, sich von der am
Schöpfe fassen zu lassen! Das waren seine Gedanken.

Setzt Euch, sagte er, wir werden uns verständigen.

Ihr braucht mich nicht zum Sitzen zu nötigen. Ich bin hier Gott sei
Dank zu Hause.

So bleibt stehen und hört, was ich Euch zu erwiedern habe.

Ob ich stehen oder sitzen mag, darüber habt Ihr mich nicht zu belehren.

So sitzet oder steht, nur knöpft Eure Ohren auf, denn bis jetzt habt Ihr
vor lauter Gerede --

Sie summte einen Liederanfnng, indem sie sich mit dem am Fenster in
seinem Käsig wirbelnden Eichhörnchen zu schaffen machte, und Beppo hielt für
ratsam, sich nicht weiter bei der Vorrede zu verweilen.

Kurzum, sagte er, mögt Ihr um zugehört oder nicht zugehört haben, mi߬
verstanden habt Ihr mich gründlich. Zuerst Wege" der Redensart von dem
Nächsten. Ist Euer Herr etwa mein Herr? Und wenn -- wie sich ja ganz
von selbst versteht -- einem Diener niemand näher ist als sein Herr, soll ich,
dann um Eucrs Herrn willen meinen Herrn preisgeben? Das müßtet Ihr doch
selbst als ein Unrecht anerkennen.

Ihr seid ein Wortverdreher, Signor Beppo, sagte die Fricmlerin, aber
halten wir uns dabei nicht auf; wollt Ihr mit nur zum Signor Andrea gehen?
Ja oder nein?

Wer ist das?

Das ist Signor Primaticcio.

Und wer, xsr I'^raor cU alio, ist Signor Primaticcio?

Das ist der Rechtsbeistand meines gnädigen Herrn.

Damit er mich über die Verschwörer ausfragen soll?

Damit Ihr ihm alles wiederholt, was Ihr mir sagtet.

Beppo legte den Finger an die Nase, stand auf und stellte sich nachdenk¬
lich hinter Eufemia auf. Sie that, als sei er am Ende des Zimmers, und
fütterte das Eichkätzchen, daß die Haselnüsse knackten.

Zunächst beantwortet mir die Hauptfrage, sagte Vcppo dann, würdet Ihr
als gute Christin so handeln, wie Ihr mir zumutet, es zu thun?

Mein Herr ist Signor Marcello Buonacolsi, wich Eufemia aus.

Das weiß ich. Aber gesetzt, Signor Marcello hätte sich mit jemand
verschworen und hätte Euch ins Geheimnis gezogen --


Um eine perle.

bei lebendigem Leibe geschunden! Ein Säufer seid Ihr und ein Hasenfuß — ja,
glotzt mich nur an, ein Hasenfuß —, wagt's doch, mich anzugreifen! Hier
stehe ich und warte, daß Jhr's wagt.

Es war nicht höflich, ihn so abzukanzeln, denn in Wirklichkeit glotzte er
keineswegs, vielmehr starrte er, und zwar wie einer, der inmitten einer maßlos
unbändigen Verwunderung und Entrüstung im Grunde doch auch sich freut.
Welch ein Mannsbild wäre die geworden und wie gut thut's, sich von der am
Schöpfe fassen zu lassen! Das waren seine Gedanken.

Setzt Euch, sagte er, wir werden uns verständigen.

Ihr braucht mich nicht zum Sitzen zu nötigen. Ich bin hier Gott sei
Dank zu Hause.

So bleibt stehen und hört, was ich Euch zu erwiedern habe.

Ob ich stehen oder sitzen mag, darüber habt Ihr mich nicht zu belehren.

So sitzet oder steht, nur knöpft Eure Ohren auf, denn bis jetzt habt Ihr
vor lauter Gerede —

Sie summte einen Liederanfnng, indem sie sich mit dem am Fenster in
seinem Käsig wirbelnden Eichhörnchen zu schaffen machte, und Beppo hielt für
ratsam, sich nicht weiter bei der Vorrede zu verweilen.

Kurzum, sagte er, mögt Ihr um zugehört oder nicht zugehört haben, mi߬
verstanden habt Ihr mich gründlich. Zuerst Wege» der Redensart von dem
Nächsten. Ist Euer Herr etwa mein Herr? Und wenn — wie sich ja ganz
von selbst versteht — einem Diener niemand näher ist als sein Herr, soll ich,
dann um Eucrs Herrn willen meinen Herrn preisgeben? Das müßtet Ihr doch
selbst als ein Unrecht anerkennen.

Ihr seid ein Wortverdreher, Signor Beppo, sagte die Fricmlerin, aber
halten wir uns dabei nicht auf; wollt Ihr mit nur zum Signor Andrea gehen?
Ja oder nein?

Wer ist das?

Das ist Signor Primaticcio.

Und wer, xsr I'^raor cU alio, ist Signor Primaticcio?

Das ist der Rechtsbeistand meines gnädigen Herrn.

Damit er mich über die Verschwörer ausfragen soll?

Damit Ihr ihm alles wiederholt, was Ihr mir sagtet.

Beppo legte den Finger an die Nase, stand auf und stellte sich nachdenk¬
lich hinter Eufemia auf. Sie that, als sei er am Ende des Zimmers, und
fütterte das Eichkätzchen, daß die Haselnüsse knackten.

Zunächst beantwortet mir die Hauptfrage, sagte Vcppo dann, würdet Ihr
als gute Christin so handeln, wie Ihr mir zumutet, es zu thun?

Mein Herr ist Signor Marcello Buonacolsi, wich Eufemia aus.

Das weiß ich. Aber gesetzt, Signor Marcello hätte sich mit jemand
verschworen und hätte Euch ins Geheimnis gezogen —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/540>, abgerufen am 22.07.2024.