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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um ome perle.

Er kehrte also um und meldete sich in dem Zodiaco-Gcißchen, wo er denn
auch von der robusten, aber tiefbekümmcrten Frianlerin umso willkommener ge¬
heißen wurde, als sie eigentlich ihrer Betrübnis noch immer nicht im Ansspreche"
hinreichend Luft gemacht zu haben glaubte.

Nachdem dies ihrerseits daraus in reichlichem Maße geschehen war, kam er
nun aber auch einmal selbst wieder ins Plaudern und schwatzte endlich sogar
aus, was er über die vermessenen Umsturzpläne seines erschlagenen Herrn
wußte, Pläne, die er aus Furcht vor den Mantuaner Gonzagcis bis dahin vor¬
sichtig verschwiegen hatte.

Nun war Eufemia zwar nur eine einfältige Bäuerin, aber ihr Mutterwitz
sagte ihr beim Vernehmen dieser Kunde, daß sich dieselbe füglich im Interesse
ihres armen, im Kerker liegenden Herrn verwerten lassen würde. Sie Hütte
gut gethan, diesen Gedanken für sich zu behalten, ihrer Zunge fehlte in solchen
Fällen jedoch der Zügel, und so erfuhr Beppo, was sie über das ihr im Ver¬
trauen Gesagte dachte.

Auf diese Weise gab es einen Auftritt zwischen beiden, der vor allein
Beppo völlig aus dem Häuschen brachte. Ich habe früher einmal, sagte er
nach heftigem Auffahren und manchem: drnri Ä to! also nach manchem: wehe
dir, wenn du nicht reinen Mund hälst, -- ich habe früher einmal in Ve¬
nedig probirt, was es heißt, der Diener eines Verschwörers zu sein. An
meinen zwei Daumen drei Stunden lang in der Luft zu schweben, wie mir's da¬
mals in der Folterkammer des Palazzo Ducale passirt ist, das wäre für einen
Mann von meinem jetzigen Gewicht der bare Tod. So leid es mir thäte,
Signora Eufemia, Euch den Hals umdrehen zu müssen, setzte er ingrimmig
hinzu -- denn ich liebe Euch und hätte Euch weit lieber zum Traualtar ge¬
führt --, aber wenn Ihr nicht reinen Mund halten wollt oder könnt, so muß
ich auf der Stelle zugreifen. Jeder ist sich selbst der Nächste.

Greifet zu, Signor Beppo, rief Enfemia und stand hochaufgerichtet da,
wenn Ihr anders den Mut habt. Ihr seid mir ein ganz verächtlicher Patron mit
Euerm: Jeder ist sich selbst der Nächste. Das habe ich Euch schon einmal ge¬
sagt. Einem guten Diener ist niemand näher als sein Herr. Ihr seid nie ein
guter Diener gewesen und werdet auch nie ein guter Ehemann sein.

Das redet Ihr in den Tag hinein, gab Beppo wütend zurück.

Nie!

Das wollen wir abwarten!

Nie! In Äniing. ura! fuhr sie noch wegwerfenderen Tones fort; mich will
dieser hergelaufene Nichtsnutz kaltmachen! Und warum? Aus Furcht, daß ihn:
seine Daumen wieder einmal etwas ausgerenkt werden könnten! Habt Ihr in
Euern vielen Dienststellungen nie lange Finger gemacht, inissro? Ich wette:
hundert und aber hundertmal! Und über das eine mal, wo die Veneticincr
Inquisitoren ihm lange Daumen machten, schreit er Zeter, als habe man ihn


Um ome perle.

Er kehrte also um und meldete sich in dem Zodiaco-Gcißchen, wo er denn
auch von der robusten, aber tiefbekümmcrten Frianlerin umso willkommener ge¬
heißen wurde, als sie eigentlich ihrer Betrübnis noch immer nicht im Ansspreche»
hinreichend Luft gemacht zu haben glaubte.

Nachdem dies ihrerseits daraus in reichlichem Maße geschehen war, kam er
nun aber auch einmal selbst wieder ins Plaudern und schwatzte endlich sogar
aus, was er über die vermessenen Umsturzpläne seines erschlagenen Herrn
wußte, Pläne, die er aus Furcht vor den Mantuaner Gonzagcis bis dahin vor¬
sichtig verschwiegen hatte.

Nun war Eufemia zwar nur eine einfältige Bäuerin, aber ihr Mutterwitz
sagte ihr beim Vernehmen dieser Kunde, daß sich dieselbe füglich im Interesse
ihres armen, im Kerker liegenden Herrn verwerten lassen würde. Sie Hütte
gut gethan, diesen Gedanken für sich zu behalten, ihrer Zunge fehlte in solchen
Fällen jedoch der Zügel, und so erfuhr Beppo, was sie über das ihr im Ver¬
trauen Gesagte dachte.

Auf diese Weise gab es einen Auftritt zwischen beiden, der vor allein
Beppo völlig aus dem Häuschen brachte. Ich habe früher einmal, sagte er
nach heftigem Auffahren und manchem: drnri Ä to! also nach manchem: wehe
dir, wenn du nicht reinen Mund hälst, — ich habe früher einmal in Ve¬
nedig probirt, was es heißt, der Diener eines Verschwörers zu sein. An
meinen zwei Daumen drei Stunden lang in der Luft zu schweben, wie mir's da¬
mals in der Folterkammer des Palazzo Ducale passirt ist, das wäre für einen
Mann von meinem jetzigen Gewicht der bare Tod. So leid es mir thäte,
Signora Eufemia, Euch den Hals umdrehen zu müssen, setzte er ingrimmig
hinzu — denn ich liebe Euch und hätte Euch weit lieber zum Traualtar ge¬
führt —, aber wenn Ihr nicht reinen Mund halten wollt oder könnt, so muß
ich auf der Stelle zugreifen. Jeder ist sich selbst der Nächste.

Greifet zu, Signor Beppo, rief Enfemia und stand hochaufgerichtet da,
wenn Ihr anders den Mut habt. Ihr seid mir ein ganz verächtlicher Patron mit
Euerm: Jeder ist sich selbst der Nächste. Das habe ich Euch schon einmal ge¬
sagt. Einem guten Diener ist niemand näher als sein Herr. Ihr seid nie ein
guter Diener gewesen und werdet auch nie ein guter Ehemann sein.

Das redet Ihr in den Tag hinein, gab Beppo wütend zurück.

Nie!

Das wollen wir abwarten!

Nie! In Äniing. ura! fuhr sie noch wegwerfenderen Tones fort; mich will
dieser hergelaufene Nichtsnutz kaltmachen! Und warum? Aus Furcht, daß ihn:
seine Daumen wieder einmal etwas ausgerenkt werden könnten! Habt Ihr in
Euern vielen Dienststellungen nie lange Finger gemacht, inissro? Ich wette:
hundert und aber hundertmal! Und über das eine mal, wo die Veneticincr
Inquisitoren ihm lange Daumen machten, schreit er Zeter, als habe man ihn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/539>, abgerufen am 22.07.2024.