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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Lin Veilchen auf der Wiese stand.

gänzlich umgearbeitet. Das Stück hatte dadurch mancherlei gewonnen, aber
auch viel verloren. Olympia und Bernardo wcireu entfernt und an ihrer Stelle
ein zweites Liebespaar, Rosa und Valerio, eingeführt, die roh hingeworfene
Handlung der ersten Form war wesentlich verfeinert und anziehender gestaltet,
der unerträgliche Widerspruch zwischen hausbackenster Wirklichkeit und Ein¬
siedlerromantik beseitigt, die platte Prosa des Dialogs in vornehme, sentenzen¬
reiche Tasso- und Leonorenjamben verwandelt worden; aber die ursprüngliche
Frische und Unmittelbarkeit der Dichtung war doch dabei geopfert, Gestalten
aus dem Leben waren durch schone Schemen verdrängt worden, und der leichte,
tändelnde Ton der Gesangsnummern, die fast unverändert geblieben waren,
stach gegen die neuen Jamben nicht minder ab wie gegen die frühere Prosa.
Aus dem "Veilchen" war ein -- Terzett geworden, in melchem Rosa, Valerio
und Elmire einander ablösen! In dieser neuen Gestalt wurde das Singspiel
von Reichardt komponirt, und dabei erhielt auch das "Veilchen" noch einmal
eine neue Melodie: es ist diejenige, mit der es noch heute in manchen unsrer
Schnlliedcrbücher steht. Der Klavierauszug der Reichardtschen Komposition
erschien 1793.

Im folgenden stelle ich die sämtlichen Kompositionen des Liedes, soweit
sie mir erreichbar gewesen sind, zusammen. Obgleich ich mich dabei auf die
Singstimme und auf die Anfangszeiten beschränken muß, wird die Übersicht doch
für den. musikalischen Leser ausreichend sein und ihm eine Vorstellung geben
von der ganz verschiednen Art, wie die einzelnen Komponisten ihre Aufgabe
angefaßt haben.



GrmzbotmII. 138S.
Lin Veilchen auf der Wiese stand.

gänzlich umgearbeitet. Das Stück hatte dadurch mancherlei gewonnen, aber
auch viel verloren. Olympia und Bernardo wcireu entfernt und an ihrer Stelle
ein zweites Liebespaar, Rosa und Valerio, eingeführt, die roh hingeworfene
Handlung der ersten Form war wesentlich verfeinert und anziehender gestaltet,
der unerträgliche Widerspruch zwischen hausbackenster Wirklichkeit und Ein¬
siedlerromantik beseitigt, die platte Prosa des Dialogs in vornehme, sentenzen¬
reiche Tasso- und Leonorenjamben verwandelt worden; aber die ursprüngliche
Frische und Unmittelbarkeit der Dichtung war doch dabei geopfert, Gestalten
aus dem Leben waren durch schone Schemen verdrängt worden, und der leichte,
tändelnde Ton der Gesangsnummern, die fast unverändert geblieben waren,
stach gegen die neuen Jamben nicht minder ab wie gegen die frühere Prosa.
Aus dem „Veilchen" war ein — Terzett geworden, in melchem Rosa, Valerio
und Elmire einander ablösen! In dieser neuen Gestalt wurde das Singspiel
von Reichardt komponirt, und dabei erhielt auch das „Veilchen" noch einmal
eine neue Melodie: es ist diejenige, mit der es noch heute in manchen unsrer
Schnlliedcrbücher steht. Der Klavierauszug der Reichardtschen Komposition
erschien 1793.

Im folgenden stelle ich die sämtlichen Kompositionen des Liedes, soweit
sie mir erreichbar gewesen sind, zusammen. Obgleich ich mich dabei auf die
Singstimme und auf die Anfangszeiten beschränken muß, wird die Übersicht doch
für den. musikalischen Leser ausreichend sein und ihm eine Vorstellung geben
von der ganz verschiednen Art, wie die einzelnen Komponisten ihre Aufgabe
angefaßt haben.



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[0534] Lin Veilchen auf der Wiese stand. gänzlich umgearbeitet. Das Stück hatte dadurch mancherlei gewonnen, aber auch viel verloren. Olympia und Bernardo wcireu entfernt und an ihrer Stelle ein zweites Liebespaar, Rosa und Valerio, eingeführt, die roh hingeworfene Handlung der ersten Form war wesentlich verfeinert und anziehender gestaltet, der unerträgliche Widerspruch zwischen hausbackenster Wirklichkeit und Ein¬ siedlerromantik beseitigt, die platte Prosa des Dialogs in vornehme, sentenzen¬ reiche Tasso- und Leonorenjamben verwandelt worden; aber die ursprüngliche Frische und Unmittelbarkeit der Dichtung war doch dabei geopfert, Gestalten aus dem Leben waren durch schone Schemen verdrängt worden, und der leichte, tändelnde Ton der Gesangsnummern, die fast unverändert geblieben waren, stach gegen die neuen Jamben nicht minder ab wie gegen die frühere Prosa. Aus dem „Veilchen" war ein — Terzett geworden, in melchem Rosa, Valerio und Elmire einander ablösen! In dieser neuen Gestalt wurde das Singspiel von Reichardt komponirt, und dabei erhielt auch das „Veilchen" noch einmal eine neue Melodie: es ist diejenige, mit der es noch heute in manchen unsrer Schnlliedcrbücher steht. Der Klavierauszug der Reichardtschen Komposition erschien 1793. Im folgenden stelle ich die sämtlichen Kompositionen des Liedes, soweit sie mir erreichbar gewesen sind, zusammen. Obgleich ich mich dabei auf die Singstimme und auf die Anfangszeiten beschränken muß, wird die Übersicht doch für den. musikalischen Leser ausreichend sein und ihm eine Vorstellung geben von der ganz verschiednen Art, wie die einzelnen Komponisten ihre Aufgabe angefaßt haben. [Abbildung] GrmzbotmII. 138S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/534>, abgerufen am 22.07.2024.