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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Trieft.

so geschah dies wahrhaftig nicht, weil man sich von der neuen Linie iiber-
schwängliche Vorteile für den Platz versprach, sondern weil man hofft, daß da¬
durch einerseits die berechtigten Wünsche Triests indirekt ihrer Erfüllung um
ein Stückchen nähcrgerttckt würden, und andrerseits unser etwas altersschwacher
Llvhd, bei dem auch nicht alles ist, wie es sein sollte, durch eine heilsame Kon¬
kurrenz ein wenig aus seiner behäbigen Beschaulichkeit aufgerüttelt werden dürfte.
Die Regierung hat mit großen Kosten einen neuen Hasen hergestellt; Trieft
erkennt dies dankbar an. Aber was nützt der prächtigste neue Hafen, solange
die unentbehrliche kürzere Bahnverbindung mangelt, durch die allein die günstige
Lage des Platzes zu voller Geltung gelangen kam? Mit Flickwerk, wie Pcage-
verträgen mit der Südbahn, ist nicht geholfen. Was Trieft braucht, sind die
Predilbahn und die Tanernbcchn, durch welche die Entfernung Triests um 174
bis 300 Kilometer, d. h. um volle 35 Prozent von den südlichen Plätzen und um
12 Prozent von Stralsund verringert werden würde. Ein Blick auf die Karte zeigt,
daß nach Herstellung dieser beiden Schienenwege der größte Teil des mittel-
"ut westeuropäischen Waaren- und Personenverkehrs nach dem Orient den
Weg über Trieft einschlagen muß. Sollte in der That die zarte Rücksicht für
das in Wien und Paris vertretene internationale Kapital schwerer ins Gewicht
falle", als die Lebensinteressen von Österreichs einziger großen Seestadt? Der
Staat hat nicht die Mittel zum Bau der kostspieligen Gebirgsbahnen, sagt man.
Mir ist nicht gegenwärtig, wie hoch die Kosten der zur Zeit von dein Ingenieur
Ceeeoni traeirten Tauernbahn veranschlagt find. Sollten sie und die der Predil¬
bahn in der That so beträchtlich sein, daß der Staat Bedenken trägt, sich darauf
einzulassen, so übertrage man in Gottes Namen den Bau einer Aktiengesell¬
schaft, die sich sofort bilden wird, denn über das günstige Ergebnis der beiden
Bahnen kann kein Zweifel obwalten. Daß es an anlagesuchendem Kapital
"icht mangelt, beweist der gegenwärtige hohe Stand der österreichischen Reute,
und wo gäbe es eine sicherere Anlage als bei zwei Bahnlinien, die trotz ihrer
geringen Länge bestimmt sind, Bahnen des Weltverkehrs zu werden, und denen
keine Konkurrenz droht, solange nicht der Luftballon an die Stelle der Loko¬
motive tritt? Man gewähre der Unternehmung die -günstigsten Bedingungen,
"ur nehme man die Sache endlich in Angriff, denn es ist die höchste Zeit. Die
Konkurrenz Italiens nud Fiumes sind sehr bedenklich. Hat sich der Handel
einmal gewöhnt, neue Wege einzuschlagen, dann hält es schwer, ihn wieder davon
abzulenken. Auch werden sicherlich Italien und Ungarn keine Anstrengung und
kein Opfer scheuen, um den ihren Hafenstädten aus der günstigeren Lage Triests
erwachsenden Nachteil durch Begünstigungen aller Art wettzumachen. Darum
handle man, ehe es zu spät ist. Groß geworden durch ihre Verbindung mit
Osterreich und durch den ihr vom Reiche gewährten Schutz, geht die Stadt
sicherlich einer noch größeren und bedeutenderen Zukunft entgegen. Aber hierzu
ist es unbedingt nötig, daß der Staat seinen Verpflichtungen gegen seine einzige


Trieft.

so geschah dies wahrhaftig nicht, weil man sich von der neuen Linie iiber-
schwängliche Vorteile für den Platz versprach, sondern weil man hofft, daß da¬
durch einerseits die berechtigten Wünsche Triests indirekt ihrer Erfüllung um
ein Stückchen nähcrgerttckt würden, und andrerseits unser etwas altersschwacher
Llvhd, bei dem auch nicht alles ist, wie es sein sollte, durch eine heilsame Kon¬
kurrenz ein wenig aus seiner behäbigen Beschaulichkeit aufgerüttelt werden dürfte.
Die Regierung hat mit großen Kosten einen neuen Hasen hergestellt; Trieft
erkennt dies dankbar an. Aber was nützt der prächtigste neue Hafen, solange
die unentbehrliche kürzere Bahnverbindung mangelt, durch die allein die günstige
Lage des Platzes zu voller Geltung gelangen kam? Mit Flickwerk, wie Pcage-
verträgen mit der Südbahn, ist nicht geholfen. Was Trieft braucht, sind die
Predilbahn und die Tanernbcchn, durch welche die Entfernung Triests um 174
bis 300 Kilometer, d. h. um volle 35 Prozent von den südlichen Plätzen und um
12 Prozent von Stralsund verringert werden würde. Ein Blick auf die Karte zeigt,
daß nach Herstellung dieser beiden Schienenwege der größte Teil des mittel-
»ut westeuropäischen Waaren- und Personenverkehrs nach dem Orient den
Weg über Trieft einschlagen muß. Sollte in der That die zarte Rücksicht für
das in Wien und Paris vertretene internationale Kapital schwerer ins Gewicht
falle», als die Lebensinteressen von Österreichs einziger großen Seestadt? Der
Staat hat nicht die Mittel zum Bau der kostspieligen Gebirgsbahnen, sagt man.
Mir ist nicht gegenwärtig, wie hoch die Kosten der zur Zeit von dein Ingenieur
Ceeeoni traeirten Tauernbahn veranschlagt find. Sollten sie und die der Predil¬
bahn in der That so beträchtlich sein, daß der Staat Bedenken trägt, sich darauf
einzulassen, so übertrage man in Gottes Namen den Bau einer Aktiengesell¬
schaft, die sich sofort bilden wird, denn über das günstige Ergebnis der beiden
Bahnen kann kein Zweifel obwalten. Daß es an anlagesuchendem Kapital
»icht mangelt, beweist der gegenwärtige hohe Stand der österreichischen Reute,
und wo gäbe es eine sicherere Anlage als bei zwei Bahnlinien, die trotz ihrer
geringen Länge bestimmt sind, Bahnen des Weltverkehrs zu werden, und denen
keine Konkurrenz droht, solange nicht der Luftballon an die Stelle der Loko¬
motive tritt? Man gewähre der Unternehmung die -günstigsten Bedingungen,
»ur nehme man die Sache endlich in Angriff, denn es ist die höchste Zeit. Die
Konkurrenz Italiens nud Fiumes sind sehr bedenklich. Hat sich der Handel
einmal gewöhnt, neue Wege einzuschlagen, dann hält es schwer, ihn wieder davon
abzulenken. Auch werden sicherlich Italien und Ungarn keine Anstrengung und
kein Opfer scheuen, um den ihren Hafenstädten aus der günstigeren Lage Triests
erwachsenden Nachteil durch Begünstigungen aller Art wettzumachen. Darum
handle man, ehe es zu spät ist. Groß geworden durch ihre Verbindung mit
Osterreich und durch den ihr vom Reiche gewährten Schutz, geht die Stadt
sicherlich einer noch größeren und bedeutenderen Zukunft entgegen. Aber hierzu
ist es unbedingt nötig, daß der Staat seinen Verpflichtungen gegen seine einzige


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[0468] Trieft. so geschah dies wahrhaftig nicht, weil man sich von der neuen Linie iiber- schwängliche Vorteile für den Platz versprach, sondern weil man hofft, daß da¬ durch einerseits die berechtigten Wünsche Triests indirekt ihrer Erfüllung um ein Stückchen nähcrgerttckt würden, und andrerseits unser etwas altersschwacher Llvhd, bei dem auch nicht alles ist, wie es sein sollte, durch eine heilsame Kon¬ kurrenz ein wenig aus seiner behäbigen Beschaulichkeit aufgerüttelt werden dürfte. Die Regierung hat mit großen Kosten einen neuen Hasen hergestellt; Trieft erkennt dies dankbar an. Aber was nützt der prächtigste neue Hafen, solange die unentbehrliche kürzere Bahnverbindung mangelt, durch die allein die günstige Lage des Platzes zu voller Geltung gelangen kam? Mit Flickwerk, wie Pcage- verträgen mit der Südbahn, ist nicht geholfen. Was Trieft braucht, sind die Predilbahn und die Tanernbcchn, durch welche die Entfernung Triests um 174 bis 300 Kilometer, d. h. um volle 35 Prozent von den südlichen Plätzen und um 12 Prozent von Stralsund verringert werden würde. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß nach Herstellung dieser beiden Schienenwege der größte Teil des mittel- »ut westeuropäischen Waaren- und Personenverkehrs nach dem Orient den Weg über Trieft einschlagen muß. Sollte in der That die zarte Rücksicht für das in Wien und Paris vertretene internationale Kapital schwerer ins Gewicht falle», als die Lebensinteressen von Österreichs einziger großen Seestadt? Der Staat hat nicht die Mittel zum Bau der kostspieligen Gebirgsbahnen, sagt man. Mir ist nicht gegenwärtig, wie hoch die Kosten der zur Zeit von dein Ingenieur Ceeeoni traeirten Tauernbahn veranschlagt find. Sollten sie und die der Predil¬ bahn in der That so beträchtlich sein, daß der Staat Bedenken trägt, sich darauf einzulassen, so übertrage man in Gottes Namen den Bau einer Aktiengesell¬ schaft, die sich sofort bilden wird, denn über das günstige Ergebnis der beiden Bahnen kann kein Zweifel obwalten. Daß es an anlagesuchendem Kapital »icht mangelt, beweist der gegenwärtige hohe Stand der österreichischen Reute, und wo gäbe es eine sicherere Anlage als bei zwei Bahnlinien, die trotz ihrer geringen Länge bestimmt sind, Bahnen des Weltverkehrs zu werden, und denen keine Konkurrenz droht, solange nicht der Luftballon an die Stelle der Loko¬ motive tritt? Man gewähre der Unternehmung die -günstigsten Bedingungen, »ur nehme man die Sache endlich in Angriff, denn es ist die höchste Zeit. Die Konkurrenz Italiens nud Fiumes sind sehr bedenklich. Hat sich der Handel einmal gewöhnt, neue Wege einzuschlagen, dann hält es schwer, ihn wieder davon abzulenken. Auch werden sicherlich Italien und Ungarn keine Anstrengung und kein Opfer scheuen, um den ihren Hafenstädten aus der günstigeren Lage Triests erwachsenden Nachteil durch Begünstigungen aller Art wettzumachen. Darum handle man, ehe es zu spät ist. Groß geworden durch ihre Verbindung mit Osterreich und durch den ihr vom Reiche gewährten Schutz, geht die Stadt sicherlich einer noch größeren und bedeutenderen Zukunft entgegen. Aber hierzu ist es unbedingt nötig, daß der Staat seinen Verpflichtungen gegen seine einzige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/468>, abgerufen am 22.07.2024.