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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Trieft.

es wenigstens nicht verstehen. Tausende von Leuten der untern Volksklcissc", die
in Trieft geboren sind, sprechen thatsächlich nur Italienisch. Seit hundert Jahren
hat Trieft seine offizielle Zeitung in italienischer Sprache, den Ossörvawrs
l'riWtino; die offizielle Sprache der Gerichte und Ämter war von scher die ita¬
lienische, fünf größere politische und eine Reihe nichtpolitischcr Zeitungen er¬
scheinen hier in italienischer Sprache, fünf italienische, allerdings nicht immer
zu gleicher Zeit geöffnete Theater sorgen für die Unterhaltung, und schließlich
stellte und stellt Trieft ein nach Zahl wie Bedeutung keineswegs zu unter¬
schätzendes Kontingent zur italienischen Literatur. Für deu vorurteilsfreien Be¬
obachter kann somit kein Zweifel darüber obwalte", daß Trieft sprachlich ebenso
eine italienische Stadt ist, wie etwa Wien sprachlich eine deutsche ist.

Das hier Gesagte gilt jedoch nur von der "Stadt," denn wie sich in dem
benachbarten Jstrien und Dnlmatieu das italienische Element ans den Küstensaum,
d. h. auf die Städte am Meere, beschränkt, so beschränkt es sich auch in Trieft
auf das Weichbild der Stadt. Schon in den Vorstädten ist das slawische Element
sehr stark vertreten, und im Territorium schrumpft das italienische zu einer
verschwindenden Minorität zusammen. Das Hinterland bis hinauf nach Kärnten
und Steiermark ist, einzelne deutsche Sprachinseln und deutsche Minoritäten wie
in Laibach ausgenommen, slowenisch. Nach der Volkszählung") von 1880
stellen sich bei der zuständigen Bevölkerung Triests die nationalen Verhältnisse
dar, wie folgt:

Stadt Trieft: S1S95 Italiener, 2317 Slowenen, 3547 Deutsche,
Vororte: 36605 " 12812 " 1518
Terriwrimn: 678 " 10634 " 76 "
zusammen: 88878 Italiener, 26263 Slowenen, 5141 Deutsche.

Bei diesen Ziffern sind jedoch die Besatzung sowie die Angehörigen fremder
Staaten, darunter etwa 22000 Italiener aus dem Königreiche, nicht mit¬
gerechnet. Nicht unbedeutend an Zahl und Besitz sind die in Trieft wohnenden
Griechen, welche publizistisch sogar durch zwei griechische Zeitungen vertreten
sind. Die Gesamtsumme der in Trieft und seinem Gebiete lebenden Bevölkerung,
Österreicher und Ausländer, beläuft sich rund auf 150 000 Seelen.

Daß bei solchen Bevölkernngsverhältnissen das italienische Element, verstärkt
durch eine so bedeutende Anzahl Stammesgenossen aus dem Königreiche, in dem
öffentlichen Leben Triests dominirt, ist natürlich. Ganz irrig ist jedoch die von
den slawischen, namentlich von den tschechischen Organen in leichtdnrchschanbarer
Absicht so lebhaft betonte Behauptung, die Triestiner Italiener seien samt und



Bei Angabe der Nationalität hatte man seltsamerweise nicht die Muttersprache,
sondern die "Umgangssprache" als maßgebende Bezeichnung aufgestellt. Dieser unklare und
dabei ungemein dehnbare Begriff gab zu mancherlei Mißverständnissen Anlaß. Im allge¬
meinen dürften indessen die ausgesetzten Ziffern den thatsächlichen Verhältnissen so ziem¬
lich entsprechen.
Trieft.

es wenigstens nicht verstehen. Tausende von Leuten der untern Volksklcissc», die
in Trieft geboren sind, sprechen thatsächlich nur Italienisch. Seit hundert Jahren
hat Trieft seine offizielle Zeitung in italienischer Sprache, den Ossörvawrs
l'riWtino; die offizielle Sprache der Gerichte und Ämter war von scher die ita¬
lienische, fünf größere politische und eine Reihe nichtpolitischcr Zeitungen er¬
scheinen hier in italienischer Sprache, fünf italienische, allerdings nicht immer
zu gleicher Zeit geöffnete Theater sorgen für die Unterhaltung, und schließlich
stellte und stellt Trieft ein nach Zahl wie Bedeutung keineswegs zu unter¬
schätzendes Kontingent zur italienischen Literatur. Für deu vorurteilsfreien Be¬
obachter kann somit kein Zweifel darüber obwalte», daß Trieft sprachlich ebenso
eine italienische Stadt ist, wie etwa Wien sprachlich eine deutsche ist.

Das hier Gesagte gilt jedoch nur von der „Stadt," denn wie sich in dem
benachbarten Jstrien und Dnlmatieu das italienische Element ans den Küstensaum,
d. h. auf die Städte am Meere, beschränkt, so beschränkt es sich auch in Trieft
auf das Weichbild der Stadt. Schon in den Vorstädten ist das slawische Element
sehr stark vertreten, und im Territorium schrumpft das italienische zu einer
verschwindenden Minorität zusammen. Das Hinterland bis hinauf nach Kärnten
und Steiermark ist, einzelne deutsche Sprachinseln und deutsche Minoritäten wie
in Laibach ausgenommen, slowenisch. Nach der Volkszählung") von 1880
stellen sich bei der zuständigen Bevölkerung Triests die nationalen Verhältnisse
dar, wie folgt:

Stadt Trieft: S1S95 Italiener, 2317 Slowenen, 3547 Deutsche,
Vororte: 36605 „ 12812 „ 1518
Terriwrimn: 678 „ 10634 „ 76 „
zusammen: 88878 Italiener, 26263 Slowenen, 5141 Deutsche.

Bei diesen Ziffern sind jedoch die Besatzung sowie die Angehörigen fremder
Staaten, darunter etwa 22000 Italiener aus dem Königreiche, nicht mit¬
gerechnet. Nicht unbedeutend an Zahl und Besitz sind die in Trieft wohnenden
Griechen, welche publizistisch sogar durch zwei griechische Zeitungen vertreten
sind. Die Gesamtsumme der in Trieft und seinem Gebiete lebenden Bevölkerung,
Österreicher und Ausländer, beläuft sich rund auf 150 000 Seelen.

Daß bei solchen Bevölkernngsverhältnissen das italienische Element, verstärkt
durch eine so bedeutende Anzahl Stammesgenossen aus dem Königreiche, in dem
öffentlichen Leben Triests dominirt, ist natürlich. Ganz irrig ist jedoch die von
den slawischen, namentlich von den tschechischen Organen in leichtdnrchschanbarer
Absicht so lebhaft betonte Behauptung, die Triestiner Italiener seien samt und



Bei Angabe der Nationalität hatte man seltsamerweise nicht die Muttersprache,
sondern die „Umgangssprache" als maßgebende Bezeichnung aufgestellt. Dieser unklare und
dabei ungemein dehnbare Begriff gab zu mancherlei Mißverständnissen Anlaß. Im allge¬
meinen dürften indessen die ausgesetzten Ziffern den thatsächlichen Verhältnissen so ziem¬
lich entsprechen.
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[0463] Trieft. es wenigstens nicht verstehen. Tausende von Leuten der untern Volksklcissc», die in Trieft geboren sind, sprechen thatsächlich nur Italienisch. Seit hundert Jahren hat Trieft seine offizielle Zeitung in italienischer Sprache, den Ossörvawrs l'riWtino; die offizielle Sprache der Gerichte und Ämter war von scher die ita¬ lienische, fünf größere politische und eine Reihe nichtpolitischcr Zeitungen er¬ scheinen hier in italienischer Sprache, fünf italienische, allerdings nicht immer zu gleicher Zeit geöffnete Theater sorgen für die Unterhaltung, und schließlich stellte und stellt Trieft ein nach Zahl wie Bedeutung keineswegs zu unter¬ schätzendes Kontingent zur italienischen Literatur. Für deu vorurteilsfreien Be¬ obachter kann somit kein Zweifel darüber obwalte», daß Trieft sprachlich ebenso eine italienische Stadt ist, wie etwa Wien sprachlich eine deutsche ist. Das hier Gesagte gilt jedoch nur von der „Stadt," denn wie sich in dem benachbarten Jstrien und Dnlmatieu das italienische Element ans den Küstensaum, d. h. auf die Städte am Meere, beschränkt, so beschränkt es sich auch in Trieft auf das Weichbild der Stadt. Schon in den Vorstädten ist das slawische Element sehr stark vertreten, und im Territorium schrumpft das italienische zu einer verschwindenden Minorität zusammen. Das Hinterland bis hinauf nach Kärnten und Steiermark ist, einzelne deutsche Sprachinseln und deutsche Minoritäten wie in Laibach ausgenommen, slowenisch. Nach der Volkszählung") von 1880 stellen sich bei der zuständigen Bevölkerung Triests die nationalen Verhältnisse dar, wie folgt: Stadt Trieft: S1S95 Italiener, 2317 Slowenen, 3547 Deutsche, Vororte: 36605 „ 12812 „ 1518 Terriwrimn: 678 „ 10634 „ 76 „ zusammen: 88878 Italiener, 26263 Slowenen, 5141 Deutsche. Bei diesen Ziffern sind jedoch die Besatzung sowie die Angehörigen fremder Staaten, darunter etwa 22000 Italiener aus dem Königreiche, nicht mit¬ gerechnet. Nicht unbedeutend an Zahl und Besitz sind die in Trieft wohnenden Griechen, welche publizistisch sogar durch zwei griechische Zeitungen vertreten sind. Die Gesamtsumme der in Trieft und seinem Gebiete lebenden Bevölkerung, Österreicher und Ausländer, beläuft sich rund auf 150 000 Seelen. Daß bei solchen Bevölkernngsverhältnissen das italienische Element, verstärkt durch eine so bedeutende Anzahl Stammesgenossen aus dem Königreiche, in dem öffentlichen Leben Triests dominirt, ist natürlich. Ganz irrig ist jedoch die von den slawischen, namentlich von den tschechischen Organen in leichtdnrchschanbarer Absicht so lebhaft betonte Behauptung, die Triestiner Italiener seien samt und Bei Angabe der Nationalität hatte man seltsamerweise nicht die Muttersprache, sondern die „Umgangssprache" als maßgebende Bezeichnung aufgestellt. Dieser unklare und dabei ungemein dehnbare Begriff gab zu mancherlei Mißverständnissen Anlaß. Im allge¬ meinen dürften indessen die ausgesetzten Ziffern den thatsächlichen Verhältnissen so ziem¬ lich entsprechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/463>, abgerufen am 22.07.2024.