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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Zur Beruhigung in der ZVÄHrungsfrage.

zeigt sich daran, daß den letztern viel Geld angeboten wird. Die Bank setzt
dann den Wechseldiskont, d. h. den Zins bis zum Verfalltage der Wechsel,
herab. Ist dagegen Mangel an Zahlmitteln, so werden die Depositen aus der
Bank gezogen, es werden der Bank mehr Wechsel als Geld angeboten, und die
Bank erhöht den Diskont, um das Geld zurückzuhalten. Das Schwanken des
Diskonts bei den großen Banken, der Londoner, Pariser, Niederländischen und
der Reichsbank, ist demnach ein Erkennungszeichen sür den Mangel oder Über¬
fluß an Zahlungsmitteln, zugleich ein Merkmal für sichere und unsichere Zeiten.
To wird z. B. die Bank bei Kriegsgefahr ihren Diskont auf vielleicht sechs
Prozent erhöhen, bei Friedensaussichten vielleicht auf vier Prozent herabsetzen.

Hier wäre auch noch der Qncmtitcitstheorie zu gedenken, nach welcher die
Quantität der Zahlungsmittel den Preis der Waaren bedingt. Kreditpapiere
und Kredit überhaupt vertreten aber teilweise die Zahlungsmittel, und so kann
diese Theorie uicht richtig sein. Daß Banknoten und Wechsel Geld vertreten,
ist jedermann bekannt; aber ohne Kreditpapiere, bloß durch Anschreiben in den
Büchern bewirkte das Londoner (ZI(zg,riuA'lions"z (Abrechnungsbörse) in einem
Jahr mit einer Million Franks Gold einen Umsatz von 125 Milliarden Franks.
(V^olovslci, (juostiou inor>se,!iirs, S. 56.)

Von geschichtlichen Thatsachen sind nun folgende wichtig. Im vorigen
Jahrhundert existirte noch keine ausgesprochene Währung, und deshalb waren
Münzwirren allgemein. Letztere entsprangen wesentlich aus der falschen Auf¬
fassung der Münze: "Die Münze ist nur ein Wertzeichen," mit den beiden
Folgerungen: Man kann einen beliebigen Wert auf die Münze prägen, und
man braucht die Münze vor ihrer gänzlichen Abnutzung nicht einzuziehen. Die
weitern Konsequenzen aus dieser Verkennung des Wesens der Münze trieben
in Frankreich die Münzwertäuderungen zu kaum glaublichen Auswüchsen, in
Deutschland zum Verkauf der Münzgerechtsame, zur Finanzmaßregel der Müuz-
verschlechterung und schließlich zur alleinigen Fabrikation von Scheidemünze.
Wenn man die Münze nicht wieder einzieht, so nutzt sie sich ab, setzt den
mittlern Geldwert herunter und veranlaßt, daß die neugeprügten vollwichtigen
Münze" durch Einschmelzen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Daher
mußte Deutschland zu einem immer leichtern Müuzfuß übergehen. Erst 1857
wurde durch den deutscheu Münzvertrag festgesetzt, daß die abgenutzten Münzen
eingezogen, d. h. von den Staatskassen zurückgehalten werden.

England ging 1816 zur Goldwährung über, indem es dieselbe nicht ein¬
fach dekretirte, sondern den thatsächlichen Zustand nur sanktionirte. In den
Freiheitskriegen war Gold zurückgehalten, die Zahlungen an Nußland und
Deutschland waren in Silber ausgeführt worden, sodaß viel Gold, aber fast
kein Silber im Lande war.

In Deutschland haben die Einzelstaaten bis zum Jahre 1873 die Silber¬
währung aufrechterhalten. Das Zurückgehen des Silberpreises auf dem Welt-


Zur Beruhigung in der ZVÄHrungsfrage.

zeigt sich daran, daß den letztern viel Geld angeboten wird. Die Bank setzt
dann den Wechseldiskont, d. h. den Zins bis zum Verfalltage der Wechsel,
herab. Ist dagegen Mangel an Zahlmitteln, so werden die Depositen aus der
Bank gezogen, es werden der Bank mehr Wechsel als Geld angeboten, und die
Bank erhöht den Diskont, um das Geld zurückzuhalten. Das Schwanken des
Diskonts bei den großen Banken, der Londoner, Pariser, Niederländischen und
der Reichsbank, ist demnach ein Erkennungszeichen sür den Mangel oder Über¬
fluß an Zahlungsmitteln, zugleich ein Merkmal für sichere und unsichere Zeiten.
To wird z. B. die Bank bei Kriegsgefahr ihren Diskont auf vielleicht sechs
Prozent erhöhen, bei Friedensaussichten vielleicht auf vier Prozent herabsetzen.

Hier wäre auch noch der Qncmtitcitstheorie zu gedenken, nach welcher die
Quantität der Zahlungsmittel den Preis der Waaren bedingt. Kreditpapiere
und Kredit überhaupt vertreten aber teilweise die Zahlungsmittel, und so kann
diese Theorie uicht richtig sein. Daß Banknoten und Wechsel Geld vertreten,
ist jedermann bekannt; aber ohne Kreditpapiere, bloß durch Anschreiben in den
Büchern bewirkte das Londoner (ZI(zg,riuA'lions«z (Abrechnungsbörse) in einem
Jahr mit einer Million Franks Gold einen Umsatz von 125 Milliarden Franks.
(V^olovslci, (juostiou inor>se,!iirs, S. 56.)

Von geschichtlichen Thatsachen sind nun folgende wichtig. Im vorigen
Jahrhundert existirte noch keine ausgesprochene Währung, und deshalb waren
Münzwirren allgemein. Letztere entsprangen wesentlich aus der falschen Auf¬
fassung der Münze: „Die Münze ist nur ein Wertzeichen," mit den beiden
Folgerungen: Man kann einen beliebigen Wert auf die Münze prägen, und
man braucht die Münze vor ihrer gänzlichen Abnutzung nicht einzuziehen. Die
weitern Konsequenzen aus dieser Verkennung des Wesens der Münze trieben
in Frankreich die Münzwertäuderungen zu kaum glaublichen Auswüchsen, in
Deutschland zum Verkauf der Münzgerechtsame, zur Finanzmaßregel der Müuz-
verschlechterung und schließlich zur alleinigen Fabrikation von Scheidemünze.
Wenn man die Münze nicht wieder einzieht, so nutzt sie sich ab, setzt den
mittlern Geldwert herunter und veranlaßt, daß die neugeprügten vollwichtigen
Münze» durch Einschmelzen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Daher
mußte Deutschland zu einem immer leichtern Müuzfuß übergehen. Erst 1857
wurde durch den deutscheu Münzvertrag festgesetzt, daß die abgenutzten Münzen
eingezogen, d. h. von den Staatskassen zurückgehalten werden.

England ging 1816 zur Goldwährung über, indem es dieselbe nicht ein¬
fach dekretirte, sondern den thatsächlichen Zustand nur sanktionirte. In den
Freiheitskriegen war Gold zurückgehalten, die Zahlungen an Nußland und
Deutschland waren in Silber ausgeführt worden, sodaß viel Gold, aber fast
kein Silber im Lande war.

In Deutschland haben die Einzelstaaten bis zum Jahre 1873 die Silber¬
währung aufrechterhalten. Das Zurückgehen des Silberpreises auf dem Welt-


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[0453] Zur Beruhigung in der ZVÄHrungsfrage. zeigt sich daran, daß den letztern viel Geld angeboten wird. Die Bank setzt dann den Wechseldiskont, d. h. den Zins bis zum Verfalltage der Wechsel, herab. Ist dagegen Mangel an Zahlmitteln, so werden die Depositen aus der Bank gezogen, es werden der Bank mehr Wechsel als Geld angeboten, und die Bank erhöht den Diskont, um das Geld zurückzuhalten. Das Schwanken des Diskonts bei den großen Banken, der Londoner, Pariser, Niederländischen und der Reichsbank, ist demnach ein Erkennungszeichen sür den Mangel oder Über¬ fluß an Zahlungsmitteln, zugleich ein Merkmal für sichere und unsichere Zeiten. To wird z. B. die Bank bei Kriegsgefahr ihren Diskont auf vielleicht sechs Prozent erhöhen, bei Friedensaussichten vielleicht auf vier Prozent herabsetzen. Hier wäre auch noch der Qncmtitcitstheorie zu gedenken, nach welcher die Quantität der Zahlungsmittel den Preis der Waaren bedingt. Kreditpapiere und Kredit überhaupt vertreten aber teilweise die Zahlungsmittel, und so kann diese Theorie uicht richtig sein. Daß Banknoten und Wechsel Geld vertreten, ist jedermann bekannt; aber ohne Kreditpapiere, bloß durch Anschreiben in den Büchern bewirkte das Londoner (ZI(zg,riuA'lions«z (Abrechnungsbörse) in einem Jahr mit einer Million Franks Gold einen Umsatz von 125 Milliarden Franks. (V^olovslci, (juostiou inor>se,!iirs, S. 56.) Von geschichtlichen Thatsachen sind nun folgende wichtig. Im vorigen Jahrhundert existirte noch keine ausgesprochene Währung, und deshalb waren Münzwirren allgemein. Letztere entsprangen wesentlich aus der falschen Auf¬ fassung der Münze: „Die Münze ist nur ein Wertzeichen," mit den beiden Folgerungen: Man kann einen beliebigen Wert auf die Münze prägen, und man braucht die Münze vor ihrer gänzlichen Abnutzung nicht einzuziehen. Die weitern Konsequenzen aus dieser Verkennung des Wesens der Münze trieben in Frankreich die Münzwertäuderungen zu kaum glaublichen Auswüchsen, in Deutschland zum Verkauf der Münzgerechtsame, zur Finanzmaßregel der Müuz- verschlechterung und schließlich zur alleinigen Fabrikation von Scheidemünze. Wenn man die Münze nicht wieder einzieht, so nutzt sie sich ab, setzt den mittlern Geldwert herunter und veranlaßt, daß die neugeprügten vollwichtigen Münze» durch Einschmelzen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Daher mußte Deutschland zu einem immer leichtern Müuzfuß übergehen. Erst 1857 wurde durch den deutscheu Münzvertrag festgesetzt, daß die abgenutzten Münzen eingezogen, d. h. von den Staatskassen zurückgehalten werden. England ging 1816 zur Goldwährung über, indem es dieselbe nicht ein¬ fach dekretirte, sondern den thatsächlichen Zustand nur sanktionirte. In den Freiheitskriegen war Gold zurückgehalten, die Zahlungen an Nußland und Deutschland waren in Silber ausgeführt worden, sodaß viel Gold, aber fast kein Silber im Lande war. In Deutschland haben die Einzelstaaten bis zum Jahre 1873 die Silber¬ währung aufrechterhalten. Das Zurückgehen des Silberpreises auf dem Welt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/453>, abgerufen am 22.07.2024.