Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Um eine perle.
Roman von Robert Waldmnller (Ed. Duboc), (Fortsetzung.)
Dreiundzwanzigstes Uapitel.

ut doch wußte Florida nicht ein noch aus. Was in dem Briefe
des Advokaten gestanden hatte, war darauf von keinem Einflusse
gewesen. Heute sei der entscheidende Tag, stand darin. Das wußte
sie, ohne daß man sie daran erinnerte. Wenn sie willens sei, ihren
Vater zu retten, so dürfe sie mit ihrem Widerrufe keine Stunde länger
säumen. Auch das war ihr bekannt. Aber was ihr durch die Schriftzüge, wenn auch
nicht durch den Inhalt des Briefes, erst wieder zu deutlichem Bewußtsein gekommen
war, daß es nämlich mit diesem schriftlichen Widerruf keineswegs abgethan
sei -- das stand bei dem Gedanken an das peinliche Gericht und an die Wider-
rufs-Fvrmalitciten drohend lebendig vor ihrer Seele. Der Advokat, zwar ein
Ehrenmann, doch bei der verzweifelten Notlage seines Klienten ohne Mitleid
für die Seelenbedrängnisse der in die Schlingen Giuseppe Gonzagas geratenen,
hatte sich gehütet, ihr von jenen Formalitäten anders als flüchtig zu reden;
aber Eufemia war früher ein paarmal bei solchen Prozeduren zugegen gewesen
und hatte ihr geschildert, was die von teuflischer Verzauberung eingestandener¬
maßen umstrickt gewesenen an Entzauberungsformeln vor der ganzen Gemeinde
nachsprechen mußten, und wie also auch sie -- Florida Buonaeolsi -- im Staube
knieend, noch erst alle Gedanken an denjenigen abschwören werde müssen, der sie
so verzaubert habe, alle, alle Gedanken, es seien denn Gedanken des Abscheus.
Das hatte ihr dann Pater Vigilio, wenn auch widerstrebend, bestätigt. Sie
und ihre Liebe mußten in den Staub hinab.

Warum in den Staub? fragte sie plötzlich, als sie dicht verhüllt wieder
stundenlang durch die menschenleersten Straßen der Stadt geschlichen und zuletzt
auf den Mnhlendcimm hinaus gelangt war, der die inselartige Stadt mit der




Um eine perle.
Roman von Robert Waldmnller (Ed. Duboc), (Fortsetzung.)
Dreiundzwanzigstes Uapitel.

ut doch wußte Florida nicht ein noch aus. Was in dem Briefe
des Advokaten gestanden hatte, war darauf von keinem Einflusse
gewesen. Heute sei der entscheidende Tag, stand darin. Das wußte
sie, ohne daß man sie daran erinnerte. Wenn sie willens sei, ihren
Vater zu retten, so dürfe sie mit ihrem Widerrufe keine Stunde länger
säumen. Auch das war ihr bekannt. Aber was ihr durch die Schriftzüge, wenn auch
nicht durch den Inhalt des Briefes, erst wieder zu deutlichem Bewußtsein gekommen
war, daß es nämlich mit diesem schriftlichen Widerruf keineswegs abgethan
sei — das stand bei dem Gedanken an das peinliche Gericht und an die Wider-
rufs-Fvrmalitciten drohend lebendig vor ihrer Seele. Der Advokat, zwar ein
Ehrenmann, doch bei der verzweifelten Notlage seines Klienten ohne Mitleid
für die Seelenbedrängnisse der in die Schlingen Giuseppe Gonzagas geratenen,
hatte sich gehütet, ihr von jenen Formalitäten anders als flüchtig zu reden;
aber Eufemia war früher ein paarmal bei solchen Prozeduren zugegen gewesen
und hatte ihr geschildert, was die von teuflischer Verzauberung eingestandener¬
maßen umstrickt gewesenen an Entzauberungsformeln vor der ganzen Gemeinde
nachsprechen mußten, und wie also auch sie — Florida Buonaeolsi — im Staube
knieend, noch erst alle Gedanken an denjenigen abschwören werde müssen, der sie
so verzaubert habe, alle, alle Gedanken, es seien denn Gedanken des Abscheus.
Das hatte ihr dann Pater Vigilio, wenn auch widerstrebend, bestätigt. Sie
und ihre Liebe mußten in den Staub hinab.

Warum in den Staub? fragte sie plötzlich, als sie dicht verhüllt wieder
stundenlang durch die menschenleersten Straßen der Stadt geschlichen und zuletzt
auf den Mnhlendcimm hinaus gelangt war, der die inselartige Stadt mit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195822"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_195390/figures/grenzboten_341841_195390_195822_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Um eine perle.<lb/><note type="byline"> Roman von Robert Waldmnller (Ed. Duboc),</note> (Fortsetzung.) </head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Dreiundzwanzigstes Uapitel.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1524"> ut doch wußte Florida nicht ein noch aus. Was in dem Briefe<lb/>
des Advokaten gestanden hatte, war darauf von keinem Einflusse<lb/>
gewesen. Heute sei der entscheidende Tag, stand darin. Das wußte<lb/>
sie, ohne daß man sie daran erinnerte. Wenn sie willens sei, ihren<lb/>
Vater zu retten, so dürfe sie mit ihrem Widerrufe keine Stunde länger<lb/>
säumen. Auch das war ihr bekannt. Aber was ihr durch die Schriftzüge, wenn auch<lb/>
nicht durch den Inhalt des Briefes, erst wieder zu deutlichem Bewußtsein gekommen<lb/>
war, daß es nämlich mit diesem schriftlichen Widerruf keineswegs abgethan<lb/>
sei &#x2014; das stand bei dem Gedanken an das peinliche Gericht und an die Wider-<lb/>
rufs-Fvrmalitciten drohend lebendig vor ihrer Seele. Der Advokat, zwar ein<lb/>
Ehrenmann, doch bei der verzweifelten Notlage seines Klienten ohne Mitleid<lb/>
für die Seelenbedrängnisse der in die Schlingen Giuseppe Gonzagas geratenen,<lb/>
hatte sich gehütet, ihr von jenen Formalitäten anders als flüchtig zu reden;<lb/>
aber Eufemia war früher ein paarmal bei solchen Prozeduren zugegen gewesen<lb/>
und hatte ihr geschildert, was die von teuflischer Verzauberung eingestandener¬<lb/>
maßen umstrickt gewesenen an Entzauberungsformeln vor der ganzen Gemeinde<lb/>
nachsprechen mußten, und wie also auch sie &#x2014; Florida Buonaeolsi &#x2014; im Staube<lb/>
knieend, noch erst alle Gedanken an denjenigen abschwören werde müssen, der sie<lb/>
so verzaubert habe, alle, alle Gedanken, es seien denn Gedanken des Abscheus.<lb/>
Das hatte ihr dann Pater Vigilio, wenn auch widerstrebend, bestätigt. Sie<lb/>
und ihre Liebe mußten in den Staub hinab.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1525" next="#ID_1526"> Warum in den Staub? fragte sie plötzlich, als sie dicht verhüllt wieder<lb/>
stundenlang durch die menschenleersten Straßen der Stadt geschlichen und zuletzt<lb/>
auf den Mnhlendcimm hinaus gelangt war, der die inselartige Stadt mit der</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0433] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert Waldmnller (Ed. Duboc), (Fortsetzung.) Dreiundzwanzigstes Uapitel. ut doch wußte Florida nicht ein noch aus. Was in dem Briefe des Advokaten gestanden hatte, war darauf von keinem Einflusse gewesen. Heute sei der entscheidende Tag, stand darin. Das wußte sie, ohne daß man sie daran erinnerte. Wenn sie willens sei, ihren Vater zu retten, so dürfe sie mit ihrem Widerrufe keine Stunde länger säumen. Auch das war ihr bekannt. Aber was ihr durch die Schriftzüge, wenn auch nicht durch den Inhalt des Briefes, erst wieder zu deutlichem Bewußtsein gekommen war, daß es nämlich mit diesem schriftlichen Widerruf keineswegs abgethan sei — das stand bei dem Gedanken an das peinliche Gericht und an die Wider- rufs-Fvrmalitciten drohend lebendig vor ihrer Seele. Der Advokat, zwar ein Ehrenmann, doch bei der verzweifelten Notlage seines Klienten ohne Mitleid für die Seelenbedrängnisse der in die Schlingen Giuseppe Gonzagas geratenen, hatte sich gehütet, ihr von jenen Formalitäten anders als flüchtig zu reden; aber Eufemia war früher ein paarmal bei solchen Prozeduren zugegen gewesen und hatte ihr geschildert, was die von teuflischer Verzauberung eingestandener¬ maßen umstrickt gewesenen an Entzauberungsformeln vor der ganzen Gemeinde nachsprechen mußten, und wie also auch sie — Florida Buonaeolsi — im Staube knieend, noch erst alle Gedanken an denjenigen abschwören werde müssen, der sie so verzaubert habe, alle, alle Gedanken, es seien denn Gedanken des Abscheus. Das hatte ihr dann Pater Vigilio, wenn auch widerstrebend, bestätigt. Sie und ihre Liebe mußten in den Staub hinab. Warum in den Staub? fragte sie plötzlich, als sie dicht verhüllt wieder stundenlang durch die menschenleersten Straßen der Stadt geschlichen und zuletzt auf den Mnhlendcimm hinaus gelangt war, der die inselartige Stadt mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/433
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/433>, abgerufen am 22.07.2024.