Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Gute Leute -- schlechte Musikanten. mochten, blieb eine litemrische That und eine große Schöpfung zweitens aber
S. 192.) Oder noch kläglicher:
Gute Leute — schlechte Musikanten. mochten, blieb eine litemrische That und eine große Schöpfung zweitens aber
S. 192.) Oder noch kläglicher:
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195817"/> <fw type="header" place="top"> Gute Leute — schlechte Musikanten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1512" prev="#ID_1511"> mochten, blieb eine litemrische That und eine große Schöpfung zweitens aber<lb/> war und ist es einer der schlechtesten Klopffechtergriffe, Dichtungen und Kunst¬<lb/> werken überhaupt Wirkungen zuzuschreiben, die außerhalb jeder Möglichkeit<lb/> liegen. Trotzdem bleibt immer zu wünsche», daß eine große Sache, eine er¬<lb/> habene Empfindung der mittelmäßigen und trivialen Poesie nicht anheimfalle.<lb/> Wenn heutzutage niemand mehr den „Messias" liest, so war er doch seiner Zeit<lb/> wert, gelesen zu werden. Die neuesten Nachkömmlinge desselben aber, die epische<lb/> Dichtung Der Erlöser von Gerhard Ger (Leipzig, Oswald Mütze) und Der<lb/> Heiland von Heinrich Langen (Paderborn, F. Schöningh), haben keinen An¬<lb/> spruch darauf, überhaupt gelesen zu werden. Wir glauben weder, daß sie die<lb/> religiöse Empfindung da wecken könnten, wo dieselbe nicht schon vorhanden<lb/> wäre, noch daß die schwächlich-unerfreulichen Produkte der Religion zu schaden<lb/> vermöchten. Höchstens könnte es einer gewissen Art der Kritik belieben, aus<lb/> so gründlich verfehlten Anläufen die Unergiebigkeit und Leblosigkeit des religiösen<lb/> Stoffes zu demonstriren. Grund genug, nicht in den entgegengesetzten Fehler<lb/> zu verfallen und die poetische und künstlerische Unbedeutendheit und Unzuläng¬<lb/> lichkeit mit dem Lobe des Stoffes, der über alles Lob erhaben ist, zu verhüllen.<lb/> Legt man den allein zulässigen Maßstab der poetischen Kraft und poetischen<lb/> Kunst an diese Christusepen, so ist das Resultat ein klägliches. Was soll eine<lb/> in Trochäen umgegossene und bei dieser Umgießung gründlich verwässerte Wieder¬<lb/> gabe der schönen schlicht evangelischen Erzählungen, wie sie in der Gar'scheu<lb/> Dichtung „Der Erlöser" gegeben ist? Glaubt der Verfasser im Ernst den Ein¬<lb/> druck zu verstärken, zu erhöhen, zu vertiefen, kann es im Ernst eines Menschen<lb/> inneres Bedürfen sein, Verse vom Kaliber der nachstehenden zu schmieden:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> Da rief Petrus schmerzbewegt:<lb/><lb/> „Und wenn auch die andern Jünger<lb/> Über dich sich ärgern sollten,<lb/><lb/> Werde ich mich doch nicht ärgern<lb/><lb/> Über dich, nein, sicher nicht!"<lb/><lb/> Ihm entgegnete der Heiland:<lb/> „Petrus, ehe noch der Hahn kräht,<lb/><lb/> Wirst in dieser Nacht du dreimal<lb/> Mich verleugnen — denk' an mich!"<lb/><lb/> Da rief Petrus aus: „Und sollt' ich<lb/> Mit dir sterben — dich verleugnen<lb/><lb/> Werd' ich nun und nimmcrinehrl" (</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1513"> S. 192.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1514"> Oder noch kläglicher:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Endlich war man auf den Hügel<lb/> Golgatha gelangt. Dem Heiland<lb/> Ward ein Becher Wein mit Myrrhen<lb/> Erst gereicht zu seiner Stärkung.<lb/> Doch er wies den Trank zurück.</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Gute Leute — schlechte Musikanten.
mochten, blieb eine litemrische That und eine große Schöpfung zweitens aber
war und ist es einer der schlechtesten Klopffechtergriffe, Dichtungen und Kunst¬
werken überhaupt Wirkungen zuzuschreiben, die außerhalb jeder Möglichkeit
liegen. Trotzdem bleibt immer zu wünsche», daß eine große Sache, eine er¬
habene Empfindung der mittelmäßigen und trivialen Poesie nicht anheimfalle.
Wenn heutzutage niemand mehr den „Messias" liest, so war er doch seiner Zeit
wert, gelesen zu werden. Die neuesten Nachkömmlinge desselben aber, die epische
Dichtung Der Erlöser von Gerhard Ger (Leipzig, Oswald Mütze) und Der
Heiland von Heinrich Langen (Paderborn, F. Schöningh), haben keinen An¬
spruch darauf, überhaupt gelesen zu werden. Wir glauben weder, daß sie die
religiöse Empfindung da wecken könnten, wo dieselbe nicht schon vorhanden
wäre, noch daß die schwächlich-unerfreulichen Produkte der Religion zu schaden
vermöchten. Höchstens könnte es einer gewissen Art der Kritik belieben, aus
so gründlich verfehlten Anläufen die Unergiebigkeit und Leblosigkeit des religiösen
Stoffes zu demonstriren. Grund genug, nicht in den entgegengesetzten Fehler
zu verfallen und die poetische und künstlerische Unbedeutendheit und Unzuläng¬
lichkeit mit dem Lobe des Stoffes, der über alles Lob erhaben ist, zu verhüllen.
Legt man den allein zulässigen Maßstab der poetischen Kraft und poetischen
Kunst an diese Christusepen, so ist das Resultat ein klägliches. Was soll eine
in Trochäen umgegossene und bei dieser Umgießung gründlich verwässerte Wieder¬
gabe der schönen schlicht evangelischen Erzählungen, wie sie in der Gar'scheu
Dichtung „Der Erlöser" gegeben ist? Glaubt der Verfasser im Ernst den Ein¬
druck zu verstärken, zu erhöhen, zu vertiefen, kann es im Ernst eines Menschen
inneres Bedürfen sein, Verse vom Kaliber der nachstehenden zu schmieden:
Da rief Petrus schmerzbewegt:
„Und wenn auch die andern Jünger
Über dich sich ärgern sollten,
Werde ich mich doch nicht ärgern
Über dich, nein, sicher nicht!"
Ihm entgegnete der Heiland:
„Petrus, ehe noch der Hahn kräht,
Wirst in dieser Nacht du dreimal
Mich verleugnen — denk' an mich!"
Da rief Petrus aus: „Und sollt' ich
Mit dir sterben — dich verleugnen
Werd' ich nun und nimmcrinehrl" (
S. 192.)
Oder noch kläglicher:
Endlich war man auf den Hügel
Golgatha gelangt. Dem Heiland
Ward ein Becher Wein mit Myrrhen
Erst gereicht zu seiner Stärkung.
Doch er wies den Trank zurück.
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