Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Iwan Turgenjew in seinen Briefen. problematischer und seine Tragweite durchaus nicht mit derjenigen der frühern Mit der "Neuen Generation" schloß Turgenjew seine fittenschildernde Noch vor der "Klara Militsch" hatte Turgenjew eine Sammlung origi¬ Über eine neue Erzählung in größerm Umfange, deren Manuskript man *) Ins Deutsche übersetzt unter dem Titel "Nach dem Tode."
Iwan Turgenjew in seinen Briefen. problematischer und seine Tragweite durchaus nicht mit derjenigen der frühern Mit der „Neuen Generation" schloß Turgenjew seine fittenschildernde Noch vor der „Klara Militsch" hatte Turgenjew eine Sammlung origi¬ Über eine neue Erzählung in größerm Umfange, deren Manuskript man *) Ins Deutsche übersetzt unter dem Titel „Nach dem Tode."
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195806"/> <fw type="header" place="top"> Iwan Turgenjew in seinen Briefen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1438" prev="#ID_1437"> problematischer und seine Tragweite durchaus nicht mit derjenigen der frühern<lb/> Sittengemälde Turgenjews zu vergleichen. Die Revolutionäre zuckten die<lb/> Achseln und lächelten geringschätzig auf den armseligen Neschdanow herab, der<lb/> als ihr Repräsentant gelten wollte. Nur in den gemäßigt liberalen Kreisen<lb/> erntete Turgenjew für die Tendenz seines Romans einigen Beifall; sein künst¬<lb/> lerisches Verdienst vermochten allerdings auch die Radikalen nicht zu schmälern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1439"> Mit der „Neuen Generation" schloß Turgenjew seine fittenschildernde<lb/> Thätigkeit. Ihr folgten noch einige kleinere Dichtungen, unter denen der<lb/> „Triumphgesang der Liebe," eine Erzählung im Stil der ältern italienischen<lb/> Novellisten, Wohl die bedeutendste ist. Interessant ist auch die Studie „Der<lb/> Verzweifelte," sowie eine Novelle „Klara Militsch."") Zu letzterer gab eine<lb/> von Frau Polonskaja berichtete wirkliche Begebenheit dem Dichter den Stoff.<lb/> Turgenjew schreibt hierüber an die genannte Dame folgendes: „Eine höchst<lb/> merkwürdige Thatsache, was Sie mir da mitteilen — eine Liebe nach dem<lb/> Tode. . . . Man könnte daraus eine halbphantastische Erzählung im Genre<lb/> Edgar Poch machen. . . . Ich erinnere mich, diese Kadmina einmal, als sie noch<lb/> Opernsängerin war, auf der Bühne gesehen zu haben, sie hatte ein sehr aus¬<lb/> drucksvolles Gesicht. Bemerkenswert ist auch, was Sie über die Beziehungen<lb/> dieses kranken Mädchens zu dem verbannten Juden schreiben. Sonderbar, wohin<lb/> man im Leben tritt, überall stößt mau auf ein Drama. Und da giebt es noch<lb/> Schriftsteller, die darüber klagen, daß alle Stoffe erschöpft seien."</p><lb/> <p xml:id="ID_1440"> Noch vor der „Klara Militsch" hatte Turgenjew eine Sammlung origi¬<lb/> neller kleiner Dichtungen unter dem Titel „Gedichte in Prosa" veröffentlicht.<lb/> Das letzte Lebensjahr war, soweit überhaupt körperliche Leiden die Arbeitskraft<lb/> des Dichters nicht lahmlegten, einer eingehenden Revision der „Gesammelten<lb/> Werke" gewidmet, die 1883 ans dem Verlage der Gebrüder Salajew in Moskau<lb/> in denjenigen Glasunows, des Bürgermeisters von Petersburg, übergingen.<lb/> Außer allen bisherigen Dichtungen sollte in der neuen Gesamtalisgabe auch<lb/> eine Skizze, „Der Brand des Nikolaus" und ein Aufsatz „Die Familie Aksakow<lb/> und die Slawophilen" Aufnahme finden, der seit längerer Zeit bereit lag, doch<lb/> aus verschiednen Ursachen bis dahin unveröffentlicht geblieben war. Das voll¬<lb/> ständige Erscheinen dieser auf zehn starke Bände berechneten Ausgabe sollte der<lb/> Dichter nicht mehr erleben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1441" next="#ID_1442"> Über eine neue Erzählung in größerm Umfange, deren Manuskript man<lb/> im Nachlaß des Dichters zu finden hoffte, findet sich in den „Briefen" nichts<lb/> erwähnt. Eine der Zeitschrift Mo-i zugesagte Novelle, sowie eine den Kindern<lb/> Polonskis versprochene Kindergeschichte „Die hohle Tonne" find aller Wahr¬<lb/> scheinlichkeit nach über den ersten Entwurf nicht hinausgekommen. Turgenjew<lb/> hat mit großer Regelmäßigkeit ein Tagebuch geführt, das er jedoch, nach einem</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> *) Ins Deutsche übersetzt unter dem Titel „Nach dem Tode."</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
Iwan Turgenjew in seinen Briefen.
problematischer und seine Tragweite durchaus nicht mit derjenigen der frühern
Sittengemälde Turgenjews zu vergleichen. Die Revolutionäre zuckten die
Achseln und lächelten geringschätzig auf den armseligen Neschdanow herab, der
als ihr Repräsentant gelten wollte. Nur in den gemäßigt liberalen Kreisen
erntete Turgenjew für die Tendenz seines Romans einigen Beifall; sein künst¬
lerisches Verdienst vermochten allerdings auch die Radikalen nicht zu schmälern.
Mit der „Neuen Generation" schloß Turgenjew seine fittenschildernde
Thätigkeit. Ihr folgten noch einige kleinere Dichtungen, unter denen der
„Triumphgesang der Liebe," eine Erzählung im Stil der ältern italienischen
Novellisten, Wohl die bedeutendste ist. Interessant ist auch die Studie „Der
Verzweifelte," sowie eine Novelle „Klara Militsch."") Zu letzterer gab eine
von Frau Polonskaja berichtete wirkliche Begebenheit dem Dichter den Stoff.
Turgenjew schreibt hierüber an die genannte Dame folgendes: „Eine höchst
merkwürdige Thatsache, was Sie mir da mitteilen — eine Liebe nach dem
Tode. . . . Man könnte daraus eine halbphantastische Erzählung im Genre
Edgar Poch machen. . . . Ich erinnere mich, diese Kadmina einmal, als sie noch
Opernsängerin war, auf der Bühne gesehen zu haben, sie hatte ein sehr aus¬
drucksvolles Gesicht. Bemerkenswert ist auch, was Sie über die Beziehungen
dieses kranken Mädchens zu dem verbannten Juden schreiben. Sonderbar, wohin
man im Leben tritt, überall stößt mau auf ein Drama. Und da giebt es noch
Schriftsteller, die darüber klagen, daß alle Stoffe erschöpft seien."
Noch vor der „Klara Militsch" hatte Turgenjew eine Sammlung origi¬
neller kleiner Dichtungen unter dem Titel „Gedichte in Prosa" veröffentlicht.
Das letzte Lebensjahr war, soweit überhaupt körperliche Leiden die Arbeitskraft
des Dichters nicht lahmlegten, einer eingehenden Revision der „Gesammelten
Werke" gewidmet, die 1883 ans dem Verlage der Gebrüder Salajew in Moskau
in denjenigen Glasunows, des Bürgermeisters von Petersburg, übergingen.
Außer allen bisherigen Dichtungen sollte in der neuen Gesamtalisgabe auch
eine Skizze, „Der Brand des Nikolaus" und ein Aufsatz „Die Familie Aksakow
und die Slawophilen" Aufnahme finden, der seit längerer Zeit bereit lag, doch
aus verschiednen Ursachen bis dahin unveröffentlicht geblieben war. Das voll¬
ständige Erscheinen dieser auf zehn starke Bände berechneten Ausgabe sollte der
Dichter nicht mehr erleben.
Über eine neue Erzählung in größerm Umfange, deren Manuskript man
im Nachlaß des Dichters zu finden hoffte, findet sich in den „Briefen" nichts
erwähnt. Eine der Zeitschrift Mo-i zugesagte Novelle, sowie eine den Kindern
Polonskis versprochene Kindergeschichte „Die hohle Tonne" find aller Wahr¬
scheinlichkeit nach über den ersten Entwurf nicht hinausgekommen. Turgenjew
hat mit großer Regelmäßigkeit ein Tagebuch geführt, das er jedoch, nach einem
*) Ins Deutsche übersetzt unter dem Titel „Nach dem Tode."
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