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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Gstpreußische Skizzen.

hindrängt als die Industrie, in Ostpreußen schärfer als anderswo zu tage,
sondern es giebt thatsächlich ausgedehnte Striche, denen nur auf dein Wege
des Großbetriedes ein nennenswerter Ertrag abgewonnen werden kann. Wenn
also der Großgrundbesitz sich in Ostpreußen in größerer Ausdehnung als in
den meiste" andern Provinzen vorfindet, so ist dies keineswegs ohne weiteres
ein Beweis von Zurückgebliebeuheit, sondern im Gegenteil recht vielfach ein
Beweis, daß der Einfluß der klimatischen und Bodenverhältnisse auf den Betrieb
Spielraum genug gehabt hat, um zur vollen Geltung kommen zu können.

Nichtsdestoweniger ist es mit diesem vielberufenen ostpreußischen Gro߬
grundbesitz nicht halb so arg, als es gemacht wird. Solche Kolossalgüter, wie
sie in Posen, Schlesien und auch in Westpreußen noch hie und da vorkommen,
hat es zwar in Ostpreußen auch gegeben, giebt es aber nicht mehr. Den größten
Güterkomplex der Provinz bilden die gräflich Dohuascheu Besitzungen im öst¬
lichen Teile des Kreises Preußisch-Holland mit insgesamt vielleicht 100000
Morgen; dieselben reprüsentiren aber weder ein in sich geschlossenes Gut, noch
gehören sie einer Linie, sondern sie bestehen aus einer Masse verschiedner,
größtenteils selbständig bewirtschafteter Güter, und verteilen sich außer auf die
drei Dohnaschen Hauptlinien (denen allerdings noch zahlreiche andre Güter in
der Provinz gehören) noch auf zwei Nebenlinien. Das größte geschlossene Gut
dürfte das seit 1420 den Grafen Lehndvrff gehörige Steinort mit ziemlich
einer Quadratmeile Areal bilden. Ähnliche Besitzungen sind dann noch die
gräflich Eulenburgischen im Rastenburger, die Dvmhardtschen im Mohrunger,
die freiherrlich Mirbachschen im Scnsburger, die gräflich Bülowschen im Fisch-
hauser, die Gutzeitschen im Gerdauer Kreise und so vielleicht noch einige wenige.
Was sonst an großen Besitzungen da ist (und viel ist es auch nicht), das zerlegt
sich in verschiedne, meist auch im Betriebe getrennte Güter. Wohl giebt es
außer den Dohna und Eulenburg noch einige weitverbreitete und auf zahl¬
reichen Gütern angesessene Familien, so die von der Goltz, von der Gröden,
von Glasow, von Stuttcrheim, von Se. Paul, von Kunheiin, Käswurm,
Rose u. a., aber diese Besitzungen können doch nicht als eine Gesamtheit auf¬
gefaßt werden. Von den vbenaugcführtcu ganz großen Gütern steigen wir
sofort herunter zu den Gütern bis zu etwa hundert Hufen, d. h. 6300 bis
7000 Morgen. Komplexe von dieser Größe giebt es allerdings eine ziemliche
Menge, ja man kann sie als die eigentlichen Normalgüter der Provinz be¬
trachten. Natürlich kommt es auch hier sehr auf die Bonnae an; es giebt
Besitzungen von 3000 bis 4000 Morgen, deren Besitzer mit denen mancher dieser
100-Hufengüter nicht tauschen, und selbst manche noch weit kleinere Güter sind
vollkommen ausreichend, um bei mäßiger Belastung und guter Bewirtschaftung,
wie bei einer nicht zu starken und zu anspruchsvollen Familie dem Besitzer
eine kavaliermäßige Existenz und eine standesgemäße Erziehung und Unter¬
bringung seiner Kinder zu ermöglichen. Sinkt die Größe des Gutes bis auf


Grenzboten II. 1L8S. 48
Gstpreußische Skizzen.

hindrängt als die Industrie, in Ostpreußen schärfer als anderswo zu tage,
sondern es giebt thatsächlich ausgedehnte Striche, denen nur auf dein Wege
des Großbetriedes ein nennenswerter Ertrag abgewonnen werden kann. Wenn
also der Großgrundbesitz sich in Ostpreußen in größerer Ausdehnung als in
den meiste» andern Provinzen vorfindet, so ist dies keineswegs ohne weiteres
ein Beweis von Zurückgebliebeuheit, sondern im Gegenteil recht vielfach ein
Beweis, daß der Einfluß der klimatischen und Bodenverhältnisse auf den Betrieb
Spielraum genug gehabt hat, um zur vollen Geltung kommen zu können.

Nichtsdestoweniger ist es mit diesem vielberufenen ostpreußischen Gro߬
grundbesitz nicht halb so arg, als es gemacht wird. Solche Kolossalgüter, wie
sie in Posen, Schlesien und auch in Westpreußen noch hie und da vorkommen,
hat es zwar in Ostpreußen auch gegeben, giebt es aber nicht mehr. Den größten
Güterkomplex der Provinz bilden die gräflich Dohuascheu Besitzungen im öst¬
lichen Teile des Kreises Preußisch-Holland mit insgesamt vielleicht 100000
Morgen; dieselben reprüsentiren aber weder ein in sich geschlossenes Gut, noch
gehören sie einer Linie, sondern sie bestehen aus einer Masse verschiedner,
größtenteils selbständig bewirtschafteter Güter, und verteilen sich außer auf die
drei Dohnaschen Hauptlinien (denen allerdings noch zahlreiche andre Güter in
der Provinz gehören) noch auf zwei Nebenlinien. Das größte geschlossene Gut
dürfte das seit 1420 den Grafen Lehndvrff gehörige Steinort mit ziemlich
einer Quadratmeile Areal bilden. Ähnliche Besitzungen sind dann noch die
gräflich Eulenburgischen im Rastenburger, die Dvmhardtschen im Mohrunger,
die freiherrlich Mirbachschen im Scnsburger, die gräflich Bülowschen im Fisch-
hauser, die Gutzeitschen im Gerdauer Kreise und so vielleicht noch einige wenige.
Was sonst an großen Besitzungen da ist (und viel ist es auch nicht), das zerlegt
sich in verschiedne, meist auch im Betriebe getrennte Güter. Wohl giebt es
außer den Dohna und Eulenburg noch einige weitverbreitete und auf zahl¬
reichen Gütern angesessene Familien, so die von der Goltz, von der Gröden,
von Glasow, von Stuttcrheim, von Se. Paul, von Kunheiin, Käswurm,
Rose u. a., aber diese Besitzungen können doch nicht als eine Gesamtheit auf¬
gefaßt werden. Von den vbenaugcführtcu ganz großen Gütern steigen wir
sofort herunter zu den Gütern bis zu etwa hundert Hufen, d. h. 6300 bis
7000 Morgen. Komplexe von dieser Größe giebt es allerdings eine ziemliche
Menge, ja man kann sie als die eigentlichen Normalgüter der Provinz be¬
trachten. Natürlich kommt es auch hier sehr auf die Bonnae an; es giebt
Besitzungen von 3000 bis 4000 Morgen, deren Besitzer mit denen mancher dieser
100-Hufengüter nicht tauschen, und selbst manche noch weit kleinere Güter sind
vollkommen ausreichend, um bei mäßiger Belastung und guter Bewirtschaftung,
wie bei einer nicht zu starken und zu anspruchsvollen Familie dem Besitzer
eine kavaliermäßige Existenz und eine standesgemäße Erziehung und Unter¬
bringung seiner Kinder zu ermöglichen. Sinkt die Größe des Gutes bis auf


Grenzboten II. 1L8S. 48
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[0342] Gstpreußische Skizzen. hindrängt als die Industrie, in Ostpreußen schärfer als anderswo zu tage, sondern es giebt thatsächlich ausgedehnte Striche, denen nur auf dein Wege des Großbetriedes ein nennenswerter Ertrag abgewonnen werden kann. Wenn also der Großgrundbesitz sich in Ostpreußen in größerer Ausdehnung als in den meiste» andern Provinzen vorfindet, so ist dies keineswegs ohne weiteres ein Beweis von Zurückgebliebeuheit, sondern im Gegenteil recht vielfach ein Beweis, daß der Einfluß der klimatischen und Bodenverhältnisse auf den Betrieb Spielraum genug gehabt hat, um zur vollen Geltung kommen zu können. Nichtsdestoweniger ist es mit diesem vielberufenen ostpreußischen Gro߬ grundbesitz nicht halb so arg, als es gemacht wird. Solche Kolossalgüter, wie sie in Posen, Schlesien und auch in Westpreußen noch hie und da vorkommen, hat es zwar in Ostpreußen auch gegeben, giebt es aber nicht mehr. Den größten Güterkomplex der Provinz bilden die gräflich Dohuascheu Besitzungen im öst¬ lichen Teile des Kreises Preußisch-Holland mit insgesamt vielleicht 100000 Morgen; dieselben reprüsentiren aber weder ein in sich geschlossenes Gut, noch gehören sie einer Linie, sondern sie bestehen aus einer Masse verschiedner, größtenteils selbständig bewirtschafteter Güter, und verteilen sich außer auf die drei Dohnaschen Hauptlinien (denen allerdings noch zahlreiche andre Güter in der Provinz gehören) noch auf zwei Nebenlinien. Das größte geschlossene Gut dürfte das seit 1420 den Grafen Lehndvrff gehörige Steinort mit ziemlich einer Quadratmeile Areal bilden. Ähnliche Besitzungen sind dann noch die gräflich Eulenburgischen im Rastenburger, die Dvmhardtschen im Mohrunger, die freiherrlich Mirbachschen im Scnsburger, die gräflich Bülowschen im Fisch- hauser, die Gutzeitschen im Gerdauer Kreise und so vielleicht noch einige wenige. Was sonst an großen Besitzungen da ist (und viel ist es auch nicht), das zerlegt sich in verschiedne, meist auch im Betriebe getrennte Güter. Wohl giebt es außer den Dohna und Eulenburg noch einige weitverbreitete und auf zahl¬ reichen Gütern angesessene Familien, so die von der Goltz, von der Gröden, von Glasow, von Stuttcrheim, von Se. Paul, von Kunheiin, Käswurm, Rose u. a., aber diese Besitzungen können doch nicht als eine Gesamtheit auf¬ gefaßt werden. Von den vbenaugcführtcu ganz großen Gütern steigen wir sofort herunter zu den Gütern bis zu etwa hundert Hufen, d. h. 6300 bis 7000 Morgen. Komplexe von dieser Größe giebt es allerdings eine ziemliche Menge, ja man kann sie als die eigentlichen Normalgüter der Provinz be¬ trachten. Natürlich kommt es auch hier sehr auf die Bonnae an; es giebt Besitzungen von 3000 bis 4000 Morgen, deren Besitzer mit denen mancher dieser 100-Hufengüter nicht tauschen, und selbst manche noch weit kleinere Güter sind vollkommen ausreichend, um bei mäßiger Belastung und guter Bewirtschaftung, wie bei einer nicht zu starken und zu anspruchsvollen Familie dem Besitzer eine kavaliermäßige Existenz und eine standesgemäße Erziehung und Unter¬ bringung seiner Kinder zu ermöglichen. Sinkt die Größe des Gutes bis auf Grenzboten II. 1L8S. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/342>, abgerufen am 22.07.2024.