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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

Die Stimme war die Greiscnstimme Buonaeolsis, nicht minder aber ge¬
hörte ihm die eiserne Faust. Jugendkraft durchströmte seine Adern, so oft er
den Degen in der Hand fühlte. Und den Degen hielt er in der Hand, denn
die Dienerschaft hatte ihn mit dem Rufe: Diebe! Mörder! von dem Nachtmahle
aufgeschreckt, ihn und seinen Neffen Abbvndio, und beide waren durch die lange
Reihe der Gemächer zur Abwehr der Einbrecher herbeigeeilt. Mit Wachsfackeln
hielt sich die Dienerschaft in vorsichtiger Ferne.

Eufemia hatte sich vor ihrem greisen Herrn auf die Kniee geworfen und
rief: Signore, seht Euch vor! Er wird sich das Fräulein nicht entreißen
lassen! Dafür ist er ein Gonzaga! Mich hat er mit seinem schrecklichen
Schwerte schon von San Stefano bis hierher wie eine Marionette am Draht
geführt!

Doch über dem Kopfe Enfemias hinweg waren die Degen bereits auf¬
einandergetroffen. Tod allen Gonzagas! hallte es von der Deckenwölbung des
Korridors wieder, und während Giuseppe die auf seinem Arm ruhende Ohnmäch¬
tige in die Hut Eufemias hinabgleiten ließ, blitzten die Klingen, und diejenige
des Greises traf mit Ungestüm die Brust seines schonend nur auf Abwehr
bedachten Gegners. Lautlos sank der Getroffene zu Boden, sein Blut über¬
strömte die eine der ohmnachtstarren Hände Floridas; Marcello Buonaeolsis
zornige Glut verflackerte, er bebte zusammen, der rotgefärbte Degen entfiel
seiner Hand.

Hebt sie ans und bringt sie ins Bett, befahl er mit matter Stimme und
wandte sich entsetzt ab; er mußte sich gegen die Wand stützen; als stehe er auf
dem Deck eines sturmgepeitschten Schiffes, war es ihm, alles um ihn her schwankte.
Ein Gvnzagci war durch seine Hand gefallen! Das mußte ihm den Kopf kosten,
und was wurde dann ans Florida! Aber sie war vielleicht im Einverständ¬
nisse mit dem Erschlagenen gewesen! Auch diese Möglichkeit -- welch ein
Grausen! Welch ein Flecken auf dem Wappenschilde der Buonaeolsis! Welche
unauslöschliche Schmach!

Während wie in einem Ficbcrtraume solche Vorstellungen sich in den:
Haupte des alten Marcello jagten, hatte der Neffe seinen beiden Dienern ein
Zeichen gegeben, den Erschlagenen aus dem Wege zu schaffen. Er wies, als
sie dem Befehl folgten, ans eine in der Ferne den Korridor abschließende Balkon¬
thür, und schritt, um dieselbe zu öffnen, voraus. Sein Degen hatte sich bei
der blutigen Arbeit nicht beteiligen können, auch wäre die Hand, die ihn
führte, nicht dazu geschickt gewesen. Und so wollte er, als man die unbehol¬
fene Bürde mühsam auf die steinerne Einfassung des Balkons hinaushob, das
Versäumte unbemerkt nachholen, aber einer der Diener hielt ihn davon ab. Dia
un grmM! warnte er; davor behüt' Euch Gott! Das bringt ja Unglück,
Signore!

Abbondio schob seinen Degen mürrisch in die Scheide. Du hast Recht,


Grenzboten II. 1885. 41
Um eine perle.

Die Stimme war die Greiscnstimme Buonaeolsis, nicht minder aber ge¬
hörte ihm die eiserne Faust. Jugendkraft durchströmte seine Adern, so oft er
den Degen in der Hand fühlte. Und den Degen hielt er in der Hand, denn
die Dienerschaft hatte ihn mit dem Rufe: Diebe! Mörder! von dem Nachtmahle
aufgeschreckt, ihn und seinen Neffen Abbvndio, und beide waren durch die lange
Reihe der Gemächer zur Abwehr der Einbrecher herbeigeeilt. Mit Wachsfackeln
hielt sich die Dienerschaft in vorsichtiger Ferne.

Eufemia hatte sich vor ihrem greisen Herrn auf die Kniee geworfen und
rief: Signore, seht Euch vor! Er wird sich das Fräulein nicht entreißen
lassen! Dafür ist er ein Gonzaga! Mich hat er mit seinem schrecklichen
Schwerte schon von San Stefano bis hierher wie eine Marionette am Draht
geführt!

Doch über dem Kopfe Enfemias hinweg waren die Degen bereits auf¬
einandergetroffen. Tod allen Gonzagas! hallte es von der Deckenwölbung des
Korridors wieder, und während Giuseppe die auf seinem Arm ruhende Ohnmäch¬
tige in die Hut Eufemias hinabgleiten ließ, blitzten die Klingen, und diejenige
des Greises traf mit Ungestüm die Brust seines schonend nur auf Abwehr
bedachten Gegners. Lautlos sank der Getroffene zu Boden, sein Blut über¬
strömte die eine der ohmnachtstarren Hände Floridas; Marcello Buonaeolsis
zornige Glut verflackerte, er bebte zusammen, der rotgefärbte Degen entfiel
seiner Hand.

Hebt sie ans und bringt sie ins Bett, befahl er mit matter Stimme und
wandte sich entsetzt ab; er mußte sich gegen die Wand stützen; als stehe er auf
dem Deck eines sturmgepeitschten Schiffes, war es ihm, alles um ihn her schwankte.
Ein Gvnzagci war durch seine Hand gefallen! Das mußte ihm den Kopf kosten,
und was wurde dann ans Florida! Aber sie war vielleicht im Einverständ¬
nisse mit dem Erschlagenen gewesen! Auch diese Möglichkeit — welch ein
Grausen! Welch ein Flecken auf dem Wappenschilde der Buonaeolsis! Welche
unauslöschliche Schmach!

Während wie in einem Ficbcrtraume solche Vorstellungen sich in den:
Haupte des alten Marcello jagten, hatte der Neffe seinen beiden Dienern ein
Zeichen gegeben, den Erschlagenen aus dem Wege zu schaffen. Er wies, als
sie dem Befehl folgten, ans eine in der Ferne den Korridor abschließende Balkon¬
thür, und schritt, um dieselbe zu öffnen, voraus. Sein Degen hatte sich bei
der blutigen Arbeit nicht beteiligen können, auch wäre die Hand, die ihn
führte, nicht dazu geschickt gewesen. Und so wollte er, als man die unbehol¬
fene Bürde mühsam auf die steinerne Einfassung des Balkons hinaushob, das
Versäumte unbemerkt nachholen, aber einer der Diener hielt ihn davon ab. Dia
un grmM! warnte er; davor behüt' Euch Gott! Das bringt ja Unglück,
Signore!

Abbondio schob seinen Degen mürrisch in die Scheide. Du hast Recht,


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[0326] Um eine perle. Die Stimme war die Greiscnstimme Buonaeolsis, nicht minder aber ge¬ hörte ihm die eiserne Faust. Jugendkraft durchströmte seine Adern, so oft er den Degen in der Hand fühlte. Und den Degen hielt er in der Hand, denn die Dienerschaft hatte ihn mit dem Rufe: Diebe! Mörder! von dem Nachtmahle aufgeschreckt, ihn und seinen Neffen Abbvndio, und beide waren durch die lange Reihe der Gemächer zur Abwehr der Einbrecher herbeigeeilt. Mit Wachsfackeln hielt sich die Dienerschaft in vorsichtiger Ferne. Eufemia hatte sich vor ihrem greisen Herrn auf die Kniee geworfen und rief: Signore, seht Euch vor! Er wird sich das Fräulein nicht entreißen lassen! Dafür ist er ein Gonzaga! Mich hat er mit seinem schrecklichen Schwerte schon von San Stefano bis hierher wie eine Marionette am Draht geführt! Doch über dem Kopfe Enfemias hinweg waren die Degen bereits auf¬ einandergetroffen. Tod allen Gonzagas! hallte es von der Deckenwölbung des Korridors wieder, und während Giuseppe die auf seinem Arm ruhende Ohnmäch¬ tige in die Hut Eufemias hinabgleiten ließ, blitzten die Klingen, und diejenige des Greises traf mit Ungestüm die Brust seines schonend nur auf Abwehr bedachten Gegners. Lautlos sank der Getroffene zu Boden, sein Blut über¬ strömte die eine der ohmnachtstarren Hände Floridas; Marcello Buonaeolsis zornige Glut verflackerte, er bebte zusammen, der rotgefärbte Degen entfiel seiner Hand. Hebt sie ans und bringt sie ins Bett, befahl er mit matter Stimme und wandte sich entsetzt ab; er mußte sich gegen die Wand stützen; als stehe er auf dem Deck eines sturmgepeitschten Schiffes, war es ihm, alles um ihn her schwankte. Ein Gvnzagci war durch seine Hand gefallen! Das mußte ihm den Kopf kosten, und was wurde dann ans Florida! Aber sie war vielleicht im Einverständ¬ nisse mit dem Erschlagenen gewesen! Auch diese Möglichkeit — welch ein Grausen! Welch ein Flecken auf dem Wappenschilde der Buonaeolsis! Welche unauslöschliche Schmach! Während wie in einem Ficbcrtraume solche Vorstellungen sich in den: Haupte des alten Marcello jagten, hatte der Neffe seinen beiden Dienern ein Zeichen gegeben, den Erschlagenen aus dem Wege zu schaffen. Er wies, als sie dem Befehl folgten, ans eine in der Ferne den Korridor abschließende Balkon¬ thür, und schritt, um dieselbe zu öffnen, voraus. Sein Degen hatte sich bei der blutigen Arbeit nicht beteiligen können, auch wäre die Hand, die ihn führte, nicht dazu geschickt gewesen. Und so wollte er, als man die unbehol¬ fene Bürde mühsam auf die steinerne Einfassung des Balkons hinaushob, das Versäumte unbemerkt nachholen, aber einer der Diener hielt ihn davon ab. Dia un grmM! warnte er; davor behüt' Euch Gott! Das bringt ja Unglück, Signore! Abbondio schob seinen Degen mürrisch in die Scheide. Du hast Recht, Grenzboten II. 1885. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/326>, abgerufen am 22.07.2024.