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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments.

"Ich habe, schreibt N. am 19. Mai, bei der namentlicher Abstimmung gegen
diese Änderung ^der Zentralgewaltj mich erklärt, dadurch aber freilich mit der
Partei, welcher ich bis jetzt angehörte und in der ich treffliche Männer kennen
gelernt habe, so gut wie gebrochen. Ein ferneres Verbleiben in der Paulskirche
erscheint mir von jetzt an als unzweckmäßig oder unnütz."

Noch ehe ihn die crmartete Aufforderung der sächsischen Regierung erreichte,
die ihm erst am 20. Mai zuging, hatte sich N. für den Austritt entschieden,
fast gleichzeitig mit den Männern der Erbkaiserpartei. Das Parlament war
nur noch ein Rumpf, nur ein Jahr nach seinem hoffnungsreichen Einzuge in
die Paulskirche (18. Mui 1848).

Am 21. Mai Abends verließ N. Frankfurt, tief niedergebeugt und doch
nicht ohne Hoffnung für die Zukunft. Noch kurz vor der Abreise schrieb er
nach der Heimat: "Vielleicht erfahre ich noch, wie die Reichsverfassung beschaffen
ist, welche die ministeriellen Beratungen in Berlin shell dem 17. Maij zu tage
gefordert haben. Dem Vernehmen nach wird sie von der aus der Paulskirche
hervorgegangenen nur in wenigen Punkten sich unterscheiden. Meinen es die
Fürsten damit ebenso ehrlich wie die eigentlichen Schöpfer des Werkes, so wird sich
das deutsche Volk Wohl zufriedengeben können, das ja immer wieder so gern
vertraut. Ich wünsche, daß mit dieser Publikation die Einheit und Freiheit
Deutschlands gesichert sein möge; der Kampf der Parteien wird noch lange
fortgehen, aber er wird ungefährlich sein, wenn deutsche Treue an den Thronen
eine feste Stelle hat. Und ich denke, die Fürsten werden den Völkern solche
Treue beweisen; die Gefahren, die aus der Tiefe drohen, die Stürme, die bald,
sehr bald im Osten und im Westen sich erheben können, fordern dazu auf. Ist
aber die Fürstenverfassnng so beschaffen, wie man vermutet, so werde ich meiner¬
seits nicht gar zu sehr mich grämen, daß die Paulskirche ihr Werk nicht un¬
bedingt anerkannt sieht. Ich halte mich an die Sache. Manchen würden
diese Äußerungen als gefährliche Ketzereien erscheinen, aber ich kann mir nicht
helfen."

Der diese Zeilen schrieb, hat so schnelle Erfüllung seiner Hoffnungen freilich
sich nicht beschicken gesehen, und er hat die Eindrücke dieser Frankfurter Wochen
wie dessen, was ihnen folgte, nur schwer verwunden. Er konnte Friedrich Wil¬
helm dem Vierten es nicht verzeihen, daß er die Kaiserkrone abgelehnt hatte; er
hat ein gewisses Mißtrauen in die preußische Politik überhaupt lange nicht zu
besiegen vermocht und ist für immer ein abgesagter Feind der einseitigen Frat-
tionspvlitik und Fraktionstyrannci geblieben. Aber er hat sich auch nicht wie
so mancher durch bittere Erfahrungen verbittern lassen. Es war ihm vergönnt,
die Verwirklichung seiner Träume zu erleben, anders und später, als er geglaubt,
aber glorreicher, glänzender, dauerhafter, als er jemals hoffen konnte, und er
hat sich ihrer gefreut, von ganzem Herzen und ohne Vorbehalt.




Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments.

„Ich habe, schreibt N. am 19. Mai, bei der namentlicher Abstimmung gegen
diese Änderung ^der Zentralgewaltj mich erklärt, dadurch aber freilich mit der
Partei, welcher ich bis jetzt angehörte und in der ich treffliche Männer kennen
gelernt habe, so gut wie gebrochen. Ein ferneres Verbleiben in der Paulskirche
erscheint mir von jetzt an als unzweckmäßig oder unnütz."

Noch ehe ihn die crmartete Aufforderung der sächsischen Regierung erreichte,
die ihm erst am 20. Mai zuging, hatte sich N. für den Austritt entschieden,
fast gleichzeitig mit den Männern der Erbkaiserpartei. Das Parlament war
nur noch ein Rumpf, nur ein Jahr nach seinem hoffnungsreichen Einzuge in
die Paulskirche (18. Mui 1848).

Am 21. Mai Abends verließ N. Frankfurt, tief niedergebeugt und doch
nicht ohne Hoffnung für die Zukunft. Noch kurz vor der Abreise schrieb er
nach der Heimat: „Vielleicht erfahre ich noch, wie die Reichsverfassung beschaffen
ist, welche die ministeriellen Beratungen in Berlin shell dem 17. Maij zu tage
gefordert haben. Dem Vernehmen nach wird sie von der aus der Paulskirche
hervorgegangenen nur in wenigen Punkten sich unterscheiden. Meinen es die
Fürsten damit ebenso ehrlich wie die eigentlichen Schöpfer des Werkes, so wird sich
das deutsche Volk Wohl zufriedengeben können, das ja immer wieder so gern
vertraut. Ich wünsche, daß mit dieser Publikation die Einheit und Freiheit
Deutschlands gesichert sein möge; der Kampf der Parteien wird noch lange
fortgehen, aber er wird ungefährlich sein, wenn deutsche Treue an den Thronen
eine feste Stelle hat. Und ich denke, die Fürsten werden den Völkern solche
Treue beweisen; die Gefahren, die aus der Tiefe drohen, die Stürme, die bald,
sehr bald im Osten und im Westen sich erheben können, fordern dazu auf. Ist
aber die Fürstenverfassnng so beschaffen, wie man vermutet, so werde ich meiner¬
seits nicht gar zu sehr mich grämen, daß die Paulskirche ihr Werk nicht un¬
bedingt anerkannt sieht. Ich halte mich an die Sache. Manchen würden
diese Äußerungen als gefährliche Ketzereien erscheinen, aber ich kann mir nicht
helfen."

Der diese Zeilen schrieb, hat so schnelle Erfüllung seiner Hoffnungen freilich
sich nicht beschicken gesehen, und er hat die Eindrücke dieser Frankfurter Wochen
wie dessen, was ihnen folgte, nur schwer verwunden. Er konnte Friedrich Wil¬
helm dem Vierten es nicht verzeihen, daß er die Kaiserkrone abgelehnt hatte; er
hat ein gewisses Mißtrauen in die preußische Politik überhaupt lange nicht zu
besiegen vermocht und ist für immer ein abgesagter Feind der einseitigen Frat-
tionspvlitik und Fraktionstyrannci geblieben. Aber er hat sich auch nicht wie
so mancher durch bittere Erfahrungen verbittern lassen. Es war ihm vergönnt,
die Verwirklichung seiner Träume zu erleben, anders und später, als er geglaubt,
aber glorreicher, glänzender, dauerhafter, als er jemals hoffen konnte, und er
hat sich ihrer gefreut, von ganzem Herzen und ohne Vorbehalt.




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[0308] Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments. „Ich habe, schreibt N. am 19. Mai, bei der namentlicher Abstimmung gegen diese Änderung ^der Zentralgewaltj mich erklärt, dadurch aber freilich mit der Partei, welcher ich bis jetzt angehörte und in der ich treffliche Männer kennen gelernt habe, so gut wie gebrochen. Ein ferneres Verbleiben in der Paulskirche erscheint mir von jetzt an als unzweckmäßig oder unnütz." Noch ehe ihn die crmartete Aufforderung der sächsischen Regierung erreichte, die ihm erst am 20. Mai zuging, hatte sich N. für den Austritt entschieden, fast gleichzeitig mit den Männern der Erbkaiserpartei. Das Parlament war nur noch ein Rumpf, nur ein Jahr nach seinem hoffnungsreichen Einzuge in die Paulskirche (18. Mui 1848). Am 21. Mai Abends verließ N. Frankfurt, tief niedergebeugt und doch nicht ohne Hoffnung für die Zukunft. Noch kurz vor der Abreise schrieb er nach der Heimat: „Vielleicht erfahre ich noch, wie die Reichsverfassung beschaffen ist, welche die ministeriellen Beratungen in Berlin shell dem 17. Maij zu tage gefordert haben. Dem Vernehmen nach wird sie von der aus der Paulskirche hervorgegangenen nur in wenigen Punkten sich unterscheiden. Meinen es die Fürsten damit ebenso ehrlich wie die eigentlichen Schöpfer des Werkes, so wird sich das deutsche Volk Wohl zufriedengeben können, das ja immer wieder so gern vertraut. Ich wünsche, daß mit dieser Publikation die Einheit und Freiheit Deutschlands gesichert sein möge; der Kampf der Parteien wird noch lange fortgehen, aber er wird ungefährlich sein, wenn deutsche Treue an den Thronen eine feste Stelle hat. Und ich denke, die Fürsten werden den Völkern solche Treue beweisen; die Gefahren, die aus der Tiefe drohen, die Stürme, die bald, sehr bald im Osten und im Westen sich erheben können, fordern dazu auf. Ist aber die Fürstenverfassnng so beschaffen, wie man vermutet, so werde ich meiner¬ seits nicht gar zu sehr mich grämen, daß die Paulskirche ihr Werk nicht un¬ bedingt anerkannt sieht. Ich halte mich an die Sache. Manchen würden diese Äußerungen als gefährliche Ketzereien erscheinen, aber ich kann mir nicht helfen." Der diese Zeilen schrieb, hat so schnelle Erfüllung seiner Hoffnungen freilich sich nicht beschicken gesehen, und er hat die Eindrücke dieser Frankfurter Wochen wie dessen, was ihnen folgte, nur schwer verwunden. Er konnte Friedrich Wil¬ helm dem Vierten es nicht verzeihen, daß er die Kaiserkrone abgelehnt hatte; er hat ein gewisses Mißtrauen in die preußische Politik überhaupt lange nicht zu besiegen vermocht und ist für immer ein abgesagter Feind der einseitigen Frat- tionspvlitik und Fraktionstyrannci geblieben. Aber er hat sich auch nicht wie so mancher durch bittere Erfahrungen verbittern lassen. Es war ihm vergönnt, die Verwirklichung seiner Träume zu erleben, anders und später, als er geglaubt, aber glorreicher, glänzender, dauerhafter, als er jemals hoffen konnte, und er hat sich ihrer gefreut, von ganzem Herzen und ohne Vorbehalt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/308>, abgerufen am 25.08.2024.