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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Lischzölle.

Industrie geworden ist, in welcher Kapital, Maschinenkraft und Arbeitsteilung
gemeinsam an der Massenproduktion thätig sind. Die Anwendung des Wortes
"Industrie" ist dabei nicht etwa nur in bildlichen Sinne zu verstehen, die aus¬
ländische Fischerei ist vielmehr im wahren Sinne des Wortes eine Industrie
geworden; denn die Maschine zieht dort die Netze aus dem Wasser, befördert
den Fang in die Häfen, reinigt und prüparirt die Waare, bringt sie mit großer
Geschwindigkeit ans die binnenländischen Märkte und verrichtet noch zahlreiche
andre Leistungen. Wenn wir also oben gesagt haben, daß sich diese auslän¬
dische Meeresindustrie vorherrschend mit dem Verbrauchsvermögeu des deutschen
Landes entwickelt habe -- und diese Behauptung bleibt unumstößlich wahr --,
so wird sich darnach verstehen lassen, was wir bisher in der Kultur unsrer
Meeresflächen versäumt haben.

Daß ein entwickelter Großbetrieb im Fischereiwesen zur Aufsaugung der
kleinen Fischer führen würde, diesem Einwände könnte schon mit dem Hinweis
darauf begegnet werden, wie wenig sich hier bisher die Tendenz zum Gro߬
betriebe gezeigt hat, und wie schwer es wird, derselben Anerkennung zu ver¬
schaffen.

Bei der Organisation größerer Unternehmungen -- mögen dieselben offne
Gesellschaften, Kommandit- oder Aktiengesellschaften sein -- würde zufolge der
höheren Intelligenz der Unternehmer, einer leichteren und billigeren Beschaffung
von Leihkapitalien, eines billigeren Anlaufs von zweckmäßigen Fischereifahrzeugen,
einer selbständigen Herstellung der Netze*) und andrer Gerätschaften, einer grö¬
ßeren Arbeitsteilung, zufolge aller dieser Vorteile die Produktion des Gewerbes
eine ungleich größere und billigere werden, als dies bei dem gegenwärtigen
.Kleinbetriebe der Fischer denkbar ist; die Anwendung neuer und sorgfältigerer
Präparir- und Konservirnugsmethoden würde daneben die Erträge marktbegehrter
machen und so wieder die Erweiterung des Absatzgebietes wesentlich begünstigen,
während die umfassende Verfügung über Anlage- und Betriebskapitalien und
über intelligente Arbeitskräfte sich auch den Konsnmtionssitten und der Bestel¬
lung und Nachfrage beliebiger, schneller, prompter und zuverlässiger würde
anpassen können. Was endlich noch in unserm Fischereigewerbe über eine be¬
schränkte Entwicklung garnicht hinausgekommen ist: die Ausdehnung eines selb¬
ständigen Kommissionshandels neben dem mit den Konsumenten direkt verkeh¬
renden, dadurch aber lokal sehr beschränkten Eigenhandel der Fischer und eine
großartige Organisation der Spedition, auch das könnte sich erst als eine Lei-



Unsre Heringsnetze werden bis jetzt immer noch aus Holland bezogen, obgleich sie
einer Bezollung von 3 Mark für 100 Kilo unterliegen und -- "vorauf die Petition der Em-
dencr Heringsfischerei-Aktiengesellschaft treffend hinweist -- dieser Zoll sich dadurch aufs Doppelte
erhöht, daß die Netze mit Leinöl und Cachou prnparirt und so im Gewicht verdoppelt werden.
Das baumwollene, -vielfach vom Auslande bezogene Garn tragt einen Zoll von 48 Mark für
100 Kilo. Dieser wird durch dasselbe Verfahren in Wirklichkeit bis auf 90 Mark erhöht.
Grenzboten II. 188S. 87
Lischzölle.

Industrie geworden ist, in welcher Kapital, Maschinenkraft und Arbeitsteilung
gemeinsam an der Massenproduktion thätig sind. Die Anwendung des Wortes
„Industrie" ist dabei nicht etwa nur in bildlichen Sinne zu verstehen, die aus¬
ländische Fischerei ist vielmehr im wahren Sinne des Wortes eine Industrie
geworden; denn die Maschine zieht dort die Netze aus dem Wasser, befördert
den Fang in die Häfen, reinigt und prüparirt die Waare, bringt sie mit großer
Geschwindigkeit ans die binnenländischen Märkte und verrichtet noch zahlreiche
andre Leistungen. Wenn wir also oben gesagt haben, daß sich diese auslän¬
dische Meeresindustrie vorherrschend mit dem Verbrauchsvermögeu des deutschen
Landes entwickelt habe — und diese Behauptung bleibt unumstößlich wahr —,
so wird sich darnach verstehen lassen, was wir bisher in der Kultur unsrer
Meeresflächen versäumt haben.

Daß ein entwickelter Großbetrieb im Fischereiwesen zur Aufsaugung der
kleinen Fischer führen würde, diesem Einwände könnte schon mit dem Hinweis
darauf begegnet werden, wie wenig sich hier bisher die Tendenz zum Gro߬
betriebe gezeigt hat, und wie schwer es wird, derselben Anerkennung zu ver¬
schaffen.

Bei der Organisation größerer Unternehmungen — mögen dieselben offne
Gesellschaften, Kommandit- oder Aktiengesellschaften sein — würde zufolge der
höheren Intelligenz der Unternehmer, einer leichteren und billigeren Beschaffung
von Leihkapitalien, eines billigeren Anlaufs von zweckmäßigen Fischereifahrzeugen,
einer selbständigen Herstellung der Netze*) und andrer Gerätschaften, einer grö¬
ßeren Arbeitsteilung, zufolge aller dieser Vorteile die Produktion des Gewerbes
eine ungleich größere und billigere werden, als dies bei dem gegenwärtigen
.Kleinbetriebe der Fischer denkbar ist; die Anwendung neuer und sorgfältigerer
Präparir- und Konservirnugsmethoden würde daneben die Erträge marktbegehrter
machen und so wieder die Erweiterung des Absatzgebietes wesentlich begünstigen,
während die umfassende Verfügung über Anlage- und Betriebskapitalien und
über intelligente Arbeitskräfte sich auch den Konsnmtionssitten und der Bestel¬
lung und Nachfrage beliebiger, schneller, prompter und zuverlässiger würde
anpassen können. Was endlich noch in unserm Fischereigewerbe über eine be¬
schränkte Entwicklung garnicht hinausgekommen ist: die Ausdehnung eines selb¬
ständigen Kommissionshandels neben dem mit den Konsumenten direkt verkeh¬
renden, dadurch aber lokal sehr beschränkten Eigenhandel der Fischer und eine
großartige Organisation der Spedition, auch das könnte sich erst als eine Lei-



Unsre Heringsnetze werden bis jetzt immer noch aus Holland bezogen, obgleich sie
einer Bezollung von 3 Mark für 100 Kilo unterliegen und — »vorauf die Petition der Em-
dencr Heringsfischerei-Aktiengesellschaft treffend hinweist — dieser Zoll sich dadurch aufs Doppelte
erhöht, daß die Netze mit Leinöl und Cachou prnparirt und so im Gewicht verdoppelt werden.
Das baumwollene, -vielfach vom Auslande bezogene Garn tragt einen Zoll von 48 Mark für
100 Kilo. Dieser wird durch dasselbe Verfahren in Wirklichkeit bis auf 90 Mark erhöht.
Grenzboten II. 188S. 87
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[0294] Lischzölle. Industrie geworden ist, in welcher Kapital, Maschinenkraft und Arbeitsteilung gemeinsam an der Massenproduktion thätig sind. Die Anwendung des Wortes „Industrie" ist dabei nicht etwa nur in bildlichen Sinne zu verstehen, die aus¬ ländische Fischerei ist vielmehr im wahren Sinne des Wortes eine Industrie geworden; denn die Maschine zieht dort die Netze aus dem Wasser, befördert den Fang in die Häfen, reinigt und prüparirt die Waare, bringt sie mit großer Geschwindigkeit ans die binnenländischen Märkte und verrichtet noch zahlreiche andre Leistungen. Wenn wir also oben gesagt haben, daß sich diese auslän¬ dische Meeresindustrie vorherrschend mit dem Verbrauchsvermögeu des deutschen Landes entwickelt habe — und diese Behauptung bleibt unumstößlich wahr —, so wird sich darnach verstehen lassen, was wir bisher in der Kultur unsrer Meeresflächen versäumt haben. Daß ein entwickelter Großbetrieb im Fischereiwesen zur Aufsaugung der kleinen Fischer führen würde, diesem Einwände könnte schon mit dem Hinweis darauf begegnet werden, wie wenig sich hier bisher die Tendenz zum Gro߬ betriebe gezeigt hat, und wie schwer es wird, derselben Anerkennung zu ver¬ schaffen. Bei der Organisation größerer Unternehmungen — mögen dieselben offne Gesellschaften, Kommandit- oder Aktiengesellschaften sein — würde zufolge der höheren Intelligenz der Unternehmer, einer leichteren und billigeren Beschaffung von Leihkapitalien, eines billigeren Anlaufs von zweckmäßigen Fischereifahrzeugen, einer selbständigen Herstellung der Netze*) und andrer Gerätschaften, einer grö¬ ßeren Arbeitsteilung, zufolge aller dieser Vorteile die Produktion des Gewerbes eine ungleich größere und billigere werden, als dies bei dem gegenwärtigen .Kleinbetriebe der Fischer denkbar ist; die Anwendung neuer und sorgfältigerer Präparir- und Konservirnugsmethoden würde daneben die Erträge marktbegehrter machen und so wieder die Erweiterung des Absatzgebietes wesentlich begünstigen, während die umfassende Verfügung über Anlage- und Betriebskapitalien und über intelligente Arbeitskräfte sich auch den Konsnmtionssitten und der Bestel¬ lung und Nachfrage beliebiger, schneller, prompter und zuverlässiger würde anpassen können. Was endlich noch in unserm Fischereigewerbe über eine be¬ schränkte Entwicklung garnicht hinausgekommen ist: die Ausdehnung eines selb¬ ständigen Kommissionshandels neben dem mit den Konsumenten direkt verkeh¬ renden, dadurch aber lokal sehr beschränkten Eigenhandel der Fischer und eine großartige Organisation der Spedition, auch das könnte sich erst als eine Lei- Unsre Heringsnetze werden bis jetzt immer noch aus Holland bezogen, obgleich sie einer Bezollung von 3 Mark für 100 Kilo unterliegen und — »vorauf die Petition der Em- dencr Heringsfischerei-Aktiengesellschaft treffend hinweist — dieser Zoll sich dadurch aufs Doppelte erhöht, daß die Netze mit Leinöl und Cachou prnparirt und so im Gewicht verdoppelt werden. Das baumwollene, -vielfach vom Auslande bezogene Garn tragt einen Zoll von 48 Mark für 100 Kilo. Dieser wird durch dasselbe Verfahren in Wirklichkeit bis auf 90 Mark erhöht. Grenzboten II. 188S. 87

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/294>, abgerufen am 22.07.2024.