Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Gstprenßische Skizzen. solche würden freilich der Gewerbsthätigkeit des Landes gewaltig zu gute Vom städtischen Leben der Provinz können wir nicht scheiden ohne ein Wort Gstprenßische Skizzen. solche würden freilich der Gewerbsthätigkeit des Landes gewaltig zu gute Vom städtischen Leben der Provinz können wir nicht scheiden ohne ein Wort <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195630"/> <fw type="header" place="top"> Gstprenßische Skizzen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_844" prev="#ID_843"> solche würden freilich der Gewerbsthätigkeit des Landes gewaltig zu gute<lb/> kommen. Zur Zeit hat Ostpreußen nur einen Zweig selbständiger Fabrikindustrie:<lb/> die Gewinnung nud Verarbeitung des Bernsteins, Dieser Zweig ist aller¬<lb/> dings sehr bedeutend und noch einer großen Entwicklung fähig, umsomehr,<lb/> da das schöne Mineral ja auch in Deutschland für allerhand kleine Schmuck¬<lb/> sachen in die Mode kommen zu wollen scheint. Der rohe Bernstein wird be¬<lb/> kanntlich die ganze Ostseeküste entlang gefunden, gewerbsmäßig gesucht aber<lb/> nur an den Küsten des Samlandes und der kurischen Nehrung, und außerdem<lb/> zu Palmnickcn, an der Westküste des Samlandes unweit Pillau, bergmännisch<lb/> gewonnen; ja es soll jetzt auch die Rede davon sein, den Grund des kurischen<lb/> Haffs auf Bernstein zu untersuchen. Die Verarbeitung findet teils zu Königs¬<lb/> berg, teils in dem russischen Grenzstädtchen Polangen unweit Memel statt, und<lb/> es sind ungemein reizende kleine Stücke, die aus dem so verarbeitungs¬<lb/> fähigen und dabei vielfarbigen Stoffe hergestellt werden. Auch ein eignes<lb/> Bernstein-Museum, welches gewiß das Seinige dazu beitragen wird, diesem<lb/> Geschäftszweige einen neuen Aufschwung zu geben, ist in der Entstehung be¬<lb/> griffen. Bekanntlich ist die Bernsteingewinnnug Regal und ist an eine einzige<lb/> ebenso gemeinnützige wie rührige und energische Firma, die Herrn Stantien und<lb/> Becker, verpachtet. Weit wichtiger als das Bernsteiugeschäft sind freilich die<lb/> verschiednen landwirtschaftlichen Industriezweige, und unter diesen wieder steht<lb/> die Vutterfabrikation und die Spiritusbrennerei oben an; davon wird bei<lb/> Schilderung der landwirtschaftlichen Verhältnisse weiter zu sprechen sein. Aber<lb/> auch unter den städtischen Industrien steht obenein die Fabrikation landwirtschaft¬<lb/> licher Maschinen und Geräte, sowie die hauptsächlich für den gleichen Bedarf<lb/> arbeitende Eisengießerei. Zwar sind die Bestrebungen, diese Produkte in der<lb/> Provinz selbst anzufertigen, noch ziemlich neuen Datums, doch wird schon recht<lb/> Anerkennenswertes geleistet. Was sonst an Maschinenfabrikation da ist, will<lb/> nicht viel heißen, doch ist es immer etwas. Weiter giebt es noch etwas Fisch¬<lb/> räucherei, etwas Fabrikation künstlicher Steine, und was sonst kleine Gc-<lb/> legenheitsiudnstrien sind; das wird so ziemlich alles sein. Doch nein, es giebt<lb/> noch einen Königsberger bez. ostpreußischen Industrieartikel, welcher sich mehr<lb/> und mehr die Welt erobert: den Königsbergs Marzipan. Höchst bedeutende<lb/> Summen fließen für diesen verzierten Mandclteig alljährlich nach Königsberg<lb/> und in verschiedne andre Städte der Provinz, und das Geschäft befindet sich,<lb/> so einfach die Herstellung des Produkts zu sein scheint, in entschiednen Aufschwung.</p><lb/> <p xml:id="ID_845" next="#ID_846"> Vom städtischen Leben der Provinz können wir nicht scheiden ohne ein Wort<lb/> über Theater und Musik und über sonstige Kunstbestrcbungen, Letztere sind so gut<lb/> wie Null; selbst die wandernden Vilderausstellungen, die doch sonst auch deutschen<lb/> Mittelstädten nicht fehlen, existiren für Ostpreußen (von dem einzigen Königsberg<lb/> abgesehen, wo sie auch nicht etwa eine hervorragende Rolle spielen) so gut wie<lb/> noch nicht. Das musikalische Leben ist ein ziemlich reges, doch in seinen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
Gstprenßische Skizzen.
solche würden freilich der Gewerbsthätigkeit des Landes gewaltig zu gute
kommen. Zur Zeit hat Ostpreußen nur einen Zweig selbständiger Fabrikindustrie:
die Gewinnung nud Verarbeitung des Bernsteins, Dieser Zweig ist aller¬
dings sehr bedeutend und noch einer großen Entwicklung fähig, umsomehr,
da das schöne Mineral ja auch in Deutschland für allerhand kleine Schmuck¬
sachen in die Mode kommen zu wollen scheint. Der rohe Bernstein wird be¬
kanntlich die ganze Ostseeküste entlang gefunden, gewerbsmäßig gesucht aber
nur an den Küsten des Samlandes und der kurischen Nehrung, und außerdem
zu Palmnickcn, an der Westküste des Samlandes unweit Pillau, bergmännisch
gewonnen; ja es soll jetzt auch die Rede davon sein, den Grund des kurischen
Haffs auf Bernstein zu untersuchen. Die Verarbeitung findet teils zu Königs¬
berg, teils in dem russischen Grenzstädtchen Polangen unweit Memel statt, und
es sind ungemein reizende kleine Stücke, die aus dem so verarbeitungs¬
fähigen und dabei vielfarbigen Stoffe hergestellt werden. Auch ein eignes
Bernstein-Museum, welches gewiß das Seinige dazu beitragen wird, diesem
Geschäftszweige einen neuen Aufschwung zu geben, ist in der Entstehung be¬
griffen. Bekanntlich ist die Bernsteingewinnnug Regal und ist an eine einzige
ebenso gemeinnützige wie rührige und energische Firma, die Herrn Stantien und
Becker, verpachtet. Weit wichtiger als das Bernsteiugeschäft sind freilich die
verschiednen landwirtschaftlichen Industriezweige, und unter diesen wieder steht
die Vutterfabrikation und die Spiritusbrennerei oben an; davon wird bei
Schilderung der landwirtschaftlichen Verhältnisse weiter zu sprechen sein. Aber
auch unter den städtischen Industrien steht obenein die Fabrikation landwirtschaft¬
licher Maschinen und Geräte, sowie die hauptsächlich für den gleichen Bedarf
arbeitende Eisengießerei. Zwar sind die Bestrebungen, diese Produkte in der
Provinz selbst anzufertigen, noch ziemlich neuen Datums, doch wird schon recht
Anerkennenswertes geleistet. Was sonst an Maschinenfabrikation da ist, will
nicht viel heißen, doch ist es immer etwas. Weiter giebt es noch etwas Fisch¬
räucherei, etwas Fabrikation künstlicher Steine, und was sonst kleine Gc-
legenheitsiudnstrien sind; das wird so ziemlich alles sein. Doch nein, es giebt
noch einen Königsberger bez. ostpreußischen Industrieartikel, welcher sich mehr
und mehr die Welt erobert: den Königsbergs Marzipan. Höchst bedeutende
Summen fließen für diesen verzierten Mandclteig alljährlich nach Königsberg
und in verschiedne andre Städte der Provinz, und das Geschäft befindet sich,
so einfach die Herstellung des Produkts zu sein scheint, in entschiednen Aufschwung.
Vom städtischen Leben der Provinz können wir nicht scheiden ohne ein Wort
über Theater und Musik und über sonstige Kunstbestrcbungen, Letztere sind so gut
wie Null; selbst die wandernden Vilderausstellungen, die doch sonst auch deutschen
Mittelstädten nicht fehlen, existiren für Ostpreußen (von dem einzigen Königsberg
abgesehen, wo sie auch nicht etwa eine hervorragende Rolle spielen) so gut wie
noch nicht. Das musikalische Leben ist ein ziemlich reges, doch in seinen
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