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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die deutschen Grbschafts- und Schenrungssteuern.

Befreit von der Steuer sind in allen deutschen Gesetzen die Erbschaften
an Descendenten, während sie in Österreich, Frankreich, England, Italien, Belgien
und Holland in mäßiger Weise herangezogen werden. Ebenso sind befreit
Erbschaften an Ehegatten und an Ascendenten. Bezüglich der letzter" fügt
jedoch das hessische Gesetz, abweichend von dem preußischen, das die Ascendenten
ganz frei läßt, noch hinzu: "jedoch nur bis zum Betrage ihrer gesetzlichen Jn-
testatportion." Man wollte durch diesen Zusatz der dadurch begangenen Um¬
gehung der Steuer entgegentreten: daß entweder Eltern testamentarisch allein
zu Erben eingesetzt oder daß von den Geschwistern -- sei es bei testamentarischer
oder bei Jntcstaterbfvlge -- die Erbschaft zu gunsten der Eltern aufgeschlagen
und dann -- in dem einen wie dem andern Falle -- von den Eltern gleichwohl
der Nachlaß ihren Kindern wieder überlassen wird. Einzelne Gesetze befreien
anch Erbschaften an Geschwister, jedoch nur unter gewissen im Gesetze genau be¬
stimmten Voraussetzungen. Das preußische Gesetz kennt diese Befreiung nicht.
Eine weitere Befreiung findet sich in allen Gesetzen. Es ist dies die Befreiung
der Erbschaften an Dienstboten oder andre Personen, welche dem Hausstande des
Erblassers angehört und in demselben in einem Dienstbotenverhältnis gestanden
haben. Nur bestimmen die Gesetze verschiedne Beträge, und zwar Baiern 600,
Preußen 900, Sachsen, Würtemberg und Hessen 1000 Mark. Ob das Dienst¬
verhältnis zur Zeit des Todes noch besteht oder nicht, darauf kommt nichts an.
Zu diesen an verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen zum Erblasser
anknüpfende Befreiungen kommen noch weitere, welche sich auf den öffentlichen
oder gemeinnützigen Charakter der Erwerber gründen. Es sind das zunächst
die Befreiungen der Erbschaften an den Fiskus und ihm gleichgestellte Kassen
oder, wie sich das hessische Gesetz kurz und bündig ausdrückt: "an den Gro߬
herzog, den Staat oder das Reich." Ferner sind befreit in allen Gesetzen
Vermächtnisse und Stiftungen, welche zu mildthätigen Zwecken Verwendung
finden. Noch weiter geht das preußische Gesetz, das Orts- und Landarmenver¬
bände, öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits-, Straf- und Besserungsanstalten,
Waisenhäuser, vom Staate genehmigte Hospitäler und Versorgungsanstalten,
andre mit den Rechten juristischer Personen ausgestattete milde Stiftungen,
öffentliche Schulen und Universitäten, Sammlungen für Kunst und Wissenschaft,
deutsche Kirchen und andre, die Rechte juristischer Personen genießende Religions¬
gesellschaften für befreit erklärt. In andern Staaten hat man so umfassende
Befreiungen nicht zugelassen und zwar, wie in Hessen ganz offen gesagt wird,
weil man der Meinung war, daß in solchem Umfange wie in Preußen der
Übergang von Vermögen in die tote Hand, die sich ohnehin schon auf enorme
Summen belaufe, in keinem Falle zu begünstigen sei.

Endlich hat man noch zu gunsten der kleinen Erbschaften eine Befreiung
dann eintreten lassen, wenn der gesamte Wert einer Erbschaft für ein und
dieselbe Person einen gewissen geringen Betrag (in Preußen und Sachsen


Die deutschen Grbschafts- und Schenrungssteuern.

Befreit von der Steuer sind in allen deutschen Gesetzen die Erbschaften
an Descendenten, während sie in Österreich, Frankreich, England, Italien, Belgien
und Holland in mäßiger Weise herangezogen werden. Ebenso sind befreit
Erbschaften an Ehegatten und an Ascendenten. Bezüglich der letzter» fügt
jedoch das hessische Gesetz, abweichend von dem preußischen, das die Ascendenten
ganz frei läßt, noch hinzu: „jedoch nur bis zum Betrage ihrer gesetzlichen Jn-
testatportion." Man wollte durch diesen Zusatz der dadurch begangenen Um¬
gehung der Steuer entgegentreten: daß entweder Eltern testamentarisch allein
zu Erben eingesetzt oder daß von den Geschwistern — sei es bei testamentarischer
oder bei Jntcstaterbfvlge — die Erbschaft zu gunsten der Eltern aufgeschlagen
und dann — in dem einen wie dem andern Falle — von den Eltern gleichwohl
der Nachlaß ihren Kindern wieder überlassen wird. Einzelne Gesetze befreien
anch Erbschaften an Geschwister, jedoch nur unter gewissen im Gesetze genau be¬
stimmten Voraussetzungen. Das preußische Gesetz kennt diese Befreiung nicht.
Eine weitere Befreiung findet sich in allen Gesetzen. Es ist dies die Befreiung
der Erbschaften an Dienstboten oder andre Personen, welche dem Hausstande des
Erblassers angehört und in demselben in einem Dienstbotenverhältnis gestanden
haben. Nur bestimmen die Gesetze verschiedne Beträge, und zwar Baiern 600,
Preußen 900, Sachsen, Würtemberg und Hessen 1000 Mark. Ob das Dienst¬
verhältnis zur Zeit des Todes noch besteht oder nicht, darauf kommt nichts an.
Zu diesen an verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen zum Erblasser
anknüpfende Befreiungen kommen noch weitere, welche sich auf den öffentlichen
oder gemeinnützigen Charakter der Erwerber gründen. Es sind das zunächst
die Befreiungen der Erbschaften an den Fiskus und ihm gleichgestellte Kassen
oder, wie sich das hessische Gesetz kurz und bündig ausdrückt: „an den Gro߬
herzog, den Staat oder das Reich." Ferner sind befreit in allen Gesetzen
Vermächtnisse und Stiftungen, welche zu mildthätigen Zwecken Verwendung
finden. Noch weiter geht das preußische Gesetz, das Orts- und Landarmenver¬
bände, öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits-, Straf- und Besserungsanstalten,
Waisenhäuser, vom Staate genehmigte Hospitäler und Versorgungsanstalten,
andre mit den Rechten juristischer Personen ausgestattete milde Stiftungen,
öffentliche Schulen und Universitäten, Sammlungen für Kunst und Wissenschaft,
deutsche Kirchen und andre, die Rechte juristischer Personen genießende Religions¬
gesellschaften für befreit erklärt. In andern Staaten hat man so umfassende
Befreiungen nicht zugelassen und zwar, wie in Hessen ganz offen gesagt wird,
weil man der Meinung war, daß in solchem Umfange wie in Preußen der
Übergang von Vermögen in die tote Hand, die sich ohnehin schon auf enorme
Summen belaufe, in keinem Falle zu begünstigen sei.

Endlich hat man noch zu gunsten der kleinen Erbschaften eine Befreiung
dann eintreten lassen, wenn der gesamte Wert einer Erbschaft für ein und
dieselbe Person einen gewissen geringen Betrag (in Preußen und Sachsen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/20>, abgerufen am 25.08.2024.