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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Wenden und der Panslawisinus.

Zeit aus weiter Ferne nach H-^-^ (Hoycrswerda?) versetzt worden war und,
weil noch unbekannt mit dem Volkscharakter und den Verhältnissen der Wenden,
sich durch die beiden Geistlichen hatte verleiten lassen, sich zum Konzipienten
des Artikels herzugeben. Was Pastor Jmmisch über die Charaktere und die
Motive der beiden Geistlichen mitteilt, ist leider wenig erfreulich, umso weniger,
wenn man hört, daß sich beide vorher an der Pastor Welcmschen Petition per¬
sönlich beteiligt hatten. Erst nachdem die Modalität des Vorgehens der Pe-
tenten vom preußischen Kultusministerium gerügt worden war, traten sie mit
ihrer Anklage hervor und beschuldigten ihre preußischen Amtsgenossen.

Wenn somit Strebertum bedenklichster Art als die Triebfeder ihres Ver¬
haltens anzusehen ist, so gewinnt dasselbe einen noch bedenklichem Charakter
infolge der rein persönlichen Motive, welche nach den Angaben des Pastor
Jmmisch wenigstens bei dem einen hinzutreten. Trotz seines Sachsenhasses hat
derselbe zweimal sein Augenmerk auf sächsische Pfarrstellen geworfen: das
einemal hat er sich um das sehr einträgliche Pfarramt zu Hochkirch beworben,
wobei seiner Meinung nach die bei ihm gehegte Hoffnung auf Erlangung dieser
Pfarrstelle durch die "eiserne Hand" des "Wendenkönigs" Jmmisch zerdrückt
worden war; das andremal hat er um wirksame Vermittlung gebeten, daß ihm
der Kirchenvorstand zu Wlttben die dortige Pfarrstelle antragen möchte, damit
ihm dieser Antrag, den er bei der geringen pekuniären Verbesserung natürlich
nicht annehmen werde, in Breslau Vorteil verschaffe. Wir müssen die Ver¬
antwortung für alle diese Angaben natürlich dem Verfasser unsrer Schrift
überlassen, indem wir noch darauf hinweisen, daß derselbe zwar aus Schonung
statt der eigentlichen Namen die beiden Pseudonyme Borant und Kruwinski
verwendet, die Verhältnisse aber mit solcher Deutlichkeit schildert, daß niemand
in der Lausitz im Zweifel sein kaun, wer die Verfasser des bewußten Artikels
gewesen sind. Als den eigentlichen Urheber des Artikels bezeichnet Jmmisch
übrigens den Schulrat Bock in Liegnitz, der ein Interesse daran gehabt habe,
daß die in einem von Jmmisch zu Breslau gehaltenen Vortrage geschilderten
Notstände im Schulwesen der preußischen Wenden verhüllt und daß die Ober¬
behörden zu der Anschauung geführt würden, es sei absolut kein Grund vor¬
handen, sich über eine Beschränkung der wendischen Sprache beim Schulunterricht
zu beklagen.

Die antisächsische Gesinnung der beteiligten Herren richtet sich anch gegen
die Errichtung des von dem Oberpräsidenten Schlesiens von Seydewitz ge¬
wünschten und von dem Minister von Puttkamer projettirten preußisch-wendischen
Predigerseminars, weil die Leitung desselben dem Pastor Jmmisch, also einem
Sachsen, zufallen sollte. Inwieweit persönliche Eifersucht oder preußischer
Partikularismus, dessen Existenz, so komisch es klingt, auch Fürst Bismarck
konstatirt hat, an diesem Gegensatze Anteil haben, läßt sich nach den Ausführungen
unsrer Schrift nicht entscheiden.


Die Wenden und der Panslawisinus.

Zeit aus weiter Ferne nach H-^-^ (Hoycrswerda?) versetzt worden war und,
weil noch unbekannt mit dem Volkscharakter und den Verhältnissen der Wenden,
sich durch die beiden Geistlichen hatte verleiten lassen, sich zum Konzipienten
des Artikels herzugeben. Was Pastor Jmmisch über die Charaktere und die
Motive der beiden Geistlichen mitteilt, ist leider wenig erfreulich, umso weniger,
wenn man hört, daß sich beide vorher an der Pastor Welcmschen Petition per¬
sönlich beteiligt hatten. Erst nachdem die Modalität des Vorgehens der Pe-
tenten vom preußischen Kultusministerium gerügt worden war, traten sie mit
ihrer Anklage hervor und beschuldigten ihre preußischen Amtsgenossen.

Wenn somit Strebertum bedenklichster Art als die Triebfeder ihres Ver¬
haltens anzusehen ist, so gewinnt dasselbe einen noch bedenklichem Charakter
infolge der rein persönlichen Motive, welche nach den Angaben des Pastor
Jmmisch wenigstens bei dem einen hinzutreten. Trotz seines Sachsenhasses hat
derselbe zweimal sein Augenmerk auf sächsische Pfarrstellen geworfen: das
einemal hat er sich um das sehr einträgliche Pfarramt zu Hochkirch beworben,
wobei seiner Meinung nach die bei ihm gehegte Hoffnung auf Erlangung dieser
Pfarrstelle durch die „eiserne Hand" des „Wendenkönigs" Jmmisch zerdrückt
worden war; das andremal hat er um wirksame Vermittlung gebeten, daß ihm
der Kirchenvorstand zu Wlttben die dortige Pfarrstelle antragen möchte, damit
ihm dieser Antrag, den er bei der geringen pekuniären Verbesserung natürlich
nicht annehmen werde, in Breslau Vorteil verschaffe. Wir müssen die Ver¬
antwortung für alle diese Angaben natürlich dem Verfasser unsrer Schrift
überlassen, indem wir noch darauf hinweisen, daß derselbe zwar aus Schonung
statt der eigentlichen Namen die beiden Pseudonyme Borant und Kruwinski
verwendet, die Verhältnisse aber mit solcher Deutlichkeit schildert, daß niemand
in der Lausitz im Zweifel sein kaun, wer die Verfasser des bewußten Artikels
gewesen sind. Als den eigentlichen Urheber des Artikels bezeichnet Jmmisch
übrigens den Schulrat Bock in Liegnitz, der ein Interesse daran gehabt habe,
daß die in einem von Jmmisch zu Breslau gehaltenen Vortrage geschilderten
Notstände im Schulwesen der preußischen Wenden verhüllt und daß die Ober¬
behörden zu der Anschauung geführt würden, es sei absolut kein Grund vor¬
handen, sich über eine Beschränkung der wendischen Sprache beim Schulunterricht
zu beklagen.

Die antisächsische Gesinnung der beteiligten Herren richtet sich anch gegen
die Errichtung des von dem Oberpräsidenten Schlesiens von Seydewitz ge¬
wünschten und von dem Minister von Puttkamer projettirten preußisch-wendischen
Predigerseminars, weil die Leitung desselben dem Pastor Jmmisch, also einem
Sachsen, zufallen sollte. Inwieweit persönliche Eifersucht oder preußischer
Partikularismus, dessen Existenz, so komisch es klingt, auch Fürst Bismarck
konstatirt hat, an diesem Gegensatze Anteil haben, läßt sich nach den Ausführungen
unsrer Schrift nicht entscheiden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/184>, abgerufen am 22.07.2024.