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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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die Erbschaftssteuer durch Schenkung des Vermögens unter Lebenden zu um¬
gehen. Die Motive zum hessischen Gesetz sogen in dieser Beziehung ausdrück¬
lich: "Weil dies ^die Umgehung der Erbschaftssteuer durch Schenkung nnter
Lebenden^ bisher erlaubt ist, so haben einzelne sogar ein Geschäft daraus ge¬
macht, solche Leute, welche Ursache haben können, über ihr Vermögen für ihren
Todesfall zu verfügen, aufzusuchen und vom Testiren abzuhalten, statt dessen
aber zum Abschluß von Schenkungsverträgen unter Lebenden zu bewegen. Es
werden oftmals schwere Krankheiten dazu benutzt, um die davon Befallenen zu
solchen Schenkungen zu veranlassen. Nicht wenige Fälle können namhaft ge¬
macht werden, wo solche Schenkungen in den letzten Lebenstagen, ja Lebens-
stunden der Schenker abgeschlossen worden sind. So zweifelhaft die Vcrfngungs-
fähigkeit der Schenker auch oftmals gewesen sein mag, den Nachweis über den
Mangel derselben zu unternehmen, ist meistens ein vergebliches Bemühen ge¬
blieben." Um den in der Ersparung der Erbschaftssteuer liegenden Beweg¬
grund zu solchen Geschäften hinwegzuschaffen, erscheint als das beste Mittel die
Einführung einer Schenkungsstcuer, die der Erbschaftssteuer gleich ist. Auch in
England hat ganz dieselbe Erfahrung im Jahre 1881 zur Schenknngssteuer
geführt. Nachdem die englischen Gerichte in einem Rechtsstreite des Steuer¬
fiskus über die Ungiltigkeit einer zur Ersparung der Erbschaftssteuer errichteten
Schenkung unter Lebenden geradezu ausgesprochen hatten, jeder habe das Recht,
einem Gesetze auszuweichen, wenn man darunter verstehe, sich so zu verhalten,
daß das Gesetz auf seinen Fall sich nicht erstrecke, und nachdem wohl mit infolge
solcher Rechtsprechung die Schenkungen dieser Art und Absicht immer häufiger
wurden, entschloß man sich auch in England zur Einführung einer Schenknngs¬
steuer. Andre Gründe für die Schenkungsstener als die der Sicherung der
Erbschaftssteuer lassen sich wohl kaum beibringen, es sei denn, daß man davon
ausginge, daß von einem Vermögenserwerb, den jemand ohne eigne Arbeit,
Mühe und Anstrengung macht, sehr wohl ein kleiner Teil zum Besten des Ge¬
meinwesens, also des Staates, in Form einer Steuer abgegeben werden könne.

Die Einzelbestimmungen des preußischen Gesetzes vom 30. Mai 1873 und
die ihn: nachgebildeten Gesetze stimmen alle im großen und ganzen, sowohl
was den Umfang und die Art, sowie was die Höhe und die Ausführung der
Besteuerung anlangt, überein. Paragraph 1 des Gesetzes vom 30. Mai 1873
bestimmt zunächst, welche Vermögensübcrgänge bei Todesfällen von der Steuer
getroffen werden sollen. Er taillee: "Der Erbschaftssteuer sind nach Vor¬
schriften dieses Gesetzes und des anliegenden, von Uns vollzogenen Tarifs unter¬
worfen, ohne Unterschied, ob der Anfall Inländern oder Ausländern zukommt:
1- Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen von Todeswegen (mit Einschluß
der remuneratvrischen und der mit einer Auflage belasteten Schenkungen);
2- Lehrs- und Fidcikommißanfälle; 3. die Anfälle von Hebungen aus Familien¬
stiftungen, welche infolge Todesfalls auf den vermöge stiftungsmäßiger oder ge-


die Erbschaftssteuer durch Schenkung des Vermögens unter Lebenden zu um¬
gehen. Die Motive zum hessischen Gesetz sogen in dieser Beziehung ausdrück¬
lich: „Weil dies ^die Umgehung der Erbschaftssteuer durch Schenkung nnter
Lebenden^ bisher erlaubt ist, so haben einzelne sogar ein Geschäft daraus ge¬
macht, solche Leute, welche Ursache haben können, über ihr Vermögen für ihren
Todesfall zu verfügen, aufzusuchen und vom Testiren abzuhalten, statt dessen
aber zum Abschluß von Schenkungsverträgen unter Lebenden zu bewegen. Es
werden oftmals schwere Krankheiten dazu benutzt, um die davon Befallenen zu
solchen Schenkungen zu veranlassen. Nicht wenige Fälle können namhaft ge¬
macht werden, wo solche Schenkungen in den letzten Lebenstagen, ja Lebens-
stunden der Schenker abgeschlossen worden sind. So zweifelhaft die Vcrfngungs-
fähigkeit der Schenker auch oftmals gewesen sein mag, den Nachweis über den
Mangel derselben zu unternehmen, ist meistens ein vergebliches Bemühen ge¬
blieben." Um den in der Ersparung der Erbschaftssteuer liegenden Beweg¬
grund zu solchen Geschäften hinwegzuschaffen, erscheint als das beste Mittel die
Einführung einer Schenkungsstcuer, die der Erbschaftssteuer gleich ist. Auch in
England hat ganz dieselbe Erfahrung im Jahre 1881 zur Schenknngssteuer
geführt. Nachdem die englischen Gerichte in einem Rechtsstreite des Steuer¬
fiskus über die Ungiltigkeit einer zur Ersparung der Erbschaftssteuer errichteten
Schenkung unter Lebenden geradezu ausgesprochen hatten, jeder habe das Recht,
einem Gesetze auszuweichen, wenn man darunter verstehe, sich so zu verhalten,
daß das Gesetz auf seinen Fall sich nicht erstrecke, und nachdem wohl mit infolge
solcher Rechtsprechung die Schenkungen dieser Art und Absicht immer häufiger
wurden, entschloß man sich auch in England zur Einführung einer Schenknngs¬
steuer. Andre Gründe für die Schenkungsstener als die der Sicherung der
Erbschaftssteuer lassen sich wohl kaum beibringen, es sei denn, daß man davon
ausginge, daß von einem Vermögenserwerb, den jemand ohne eigne Arbeit,
Mühe und Anstrengung macht, sehr wohl ein kleiner Teil zum Besten des Ge¬
meinwesens, also des Staates, in Form einer Steuer abgegeben werden könne.

Die Einzelbestimmungen des preußischen Gesetzes vom 30. Mai 1873 und
die ihn: nachgebildeten Gesetze stimmen alle im großen und ganzen, sowohl
was den Umfang und die Art, sowie was die Höhe und die Ausführung der
Besteuerung anlangt, überein. Paragraph 1 des Gesetzes vom 30. Mai 1873
bestimmt zunächst, welche Vermögensübcrgänge bei Todesfällen von der Steuer
getroffen werden sollen. Er taillee: „Der Erbschaftssteuer sind nach Vor¬
schriften dieses Gesetzes und des anliegenden, von Uns vollzogenen Tarifs unter¬
worfen, ohne Unterschied, ob der Anfall Inländern oder Ausländern zukommt:
1- Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen von Todeswegen (mit Einschluß
der remuneratvrischen und der mit einer Auflage belasteten Schenkungen);
2- Lehrs- und Fidcikommißanfälle; 3. die Anfälle von Hebungen aus Familien¬
stiftungen, welche infolge Todesfalls auf den vermöge stiftungsmäßiger oder ge-


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[0018] die Erbschaftssteuer durch Schenkung des Vermögens unter Lebenden zu um¬ gehen. Die Motive zum hessischen Gesetz sogen in dieser Beziehung ausdrück¬ lich: „Weil dies ^die Umgehung der Erbschaftssteuer durch Schenkung nnter Lebenden^ bisher erlaubt ist, so haben einzelne sogar ein Geschäft daraus ge¬ macht, solche Leute, welche Ursache haben können, über ihr Vermögen für ihren Todesfall zu verfügen, aufzusuchen und vom Testiren abzuhalten, statt dessen aber zum Abschluß von Schenkungsverträgen unter Lebenden zu bewegen. Es werden oftmals schwere Krankheiten dazu benutzt, um die davon Befallenen zu solchen Schenkungen zu veranlassen. Nicht wenige Fälle können namhaft ge¬ macht werden, wo solche Schenkungen in den letzten Lebenstagen, ja Lebens- stunden der Schenker abgeschlossen worden sind. So zweifelhaft die Vcrfngungs- fähigkeit der Schenker auch oftmals gewesen sein mag, den Nachweis über den Mangel derselben zu unternehmen, ist meistens ein vergebliches Bemühen ge¬ blieben." Um den in der Ersparung der Erbschaftssteuer liegenden Beweg¬ grund zu solchen Geschäften hinwegzuschaffen, erscheint als das beste Mittel die Einführung einer Schenkungsstcuer, die der Erbschaftssteuer gleich ist. Auch in England hat ganz dieselbe Erfahrung im Jahre 1881 zur Schenknngssteuer geführt. Nachdem die englischen Gerichte in einem Rechtsstreite des Steuer¬ fiskus über die Ungiltigkeit einer zur Ersparung der Erbschaftssteuer errichteten Schenkung unter Lebenden geradezu ausgesprochen hatten, jeder habe das Recht, einem Gesetze auszuweichen, wenn man darunter verstehe, sich so zu verhalten, daß das Gesetz auf seinen Fall sich nicht erstrecke, und nachdem wohl mit infolge solcher Rechtsprechung die Schenkungen dieser Art und Absicht immer häufiger wurden, entschloß man sich auch in England zur Einführung einer Schenknngs¬ steuer. Andre Gründe für die Schenkungsstener als die der Sicherung der Erbschaftssteuer lassen sich wohl kaum beibringen, es sei denn, daß man davon ausginge, daß von einem Vermögenserwerb, den jemand ohne eigne Arbeit, Mühe und Anstrengung macht, sehr wohl ein kleiner Teil zum Besten des Ge¬ meinwesens, also des Staates, in Form einer Steuer abgegeben werden könne. Die Einzelbestimmungen des preußischen Gesetzes vom 30. Mai 1873 und die ihn: nachgebildeten Gesetze stimmen alle im großen und ganzen, sowohl was den Umfang und die Art, sowie was die Höhe und die Ausführung der Besteuerung anlangt, überein. Paragraph 1 des Gesetzes vom 30. Mai 1873 bestimmt zunächst, welche Vermögensübcrgänge bei Todesfällen von der Steuer getroffen werden sollen. Er taillee: „Der Erbschaftssteuer sind nach Vor¬ schriften dieses Gesetzes und des anliegenden, von Uns vollzogenen Tarifs unter¬ worfen, ohne Unterschied, ob der Anfall Inländern oder Ausländern zukommt: 1- Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen von Todeswegen (mit Einschluß der remuneratvrischen und der mit einer Auflage belasteten Schenkungen); 2- Lehrs- und Fidcikommißanfälle; 3. die Anfälle von Hebungen aus Familien¬ stiftungen, welche infolge Todesfalls auf den vermöge stiftungsmäßiger oder ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/18>, abgerufen am 22.07.2024.