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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.

Wären, sowie von einem Reservekorps von 10 000 Mann. Aus dem Sudan
könnten, falls man sich schließlich zu dessen Räumung entschlösse, obwohl dies
in der muhammedanischen Welt als Flucht vor dem Mahdi angesehen werden
und so dem Prestige Englands einen schweren Schlag beibringen würde, die
Truppen Wolseleys und Gradaus, zusammen ungefähr 18 000 Mann, zur
Verstärkung nach Indien abgehen. Im Mutterlande stehen zwei Armeekorps,
jedes etwa 30000 Mann stark, die zusammen ungefähr 40000 Mann abgeben
könnten, wenn die Mannschaften nicht großenteils aus sehr jungen Leuten be¬
stünden, die sich für die Kriegführung in tropischen Gegenden nicht eignen, und
wenn man eine so große Macht soweit von England entfernen dürfte. Die
Mobilmachung dieser Truppen würde aber, wie der im Jahre 1876 angestellte
Versuch zeigte, geraume Zeit in Anspruch nehmen. Besser würde es um den
Transport derselben stehen, da die britische Kriegs- und Handelsmarine mit
Leichtigkeit die dazu erforderlichen Fahrzeuge liefern könnte.

. England hat Geld, und mit Geld läßt sich im Kriege viel thun. Ru߬
land aber hat Leute, und die lassen sich,, seit man keine Hessen mehr kaufen
kann, nicht mit Sovercigns beschaffen, auch nicht rasch in brauchbare Kriegs-
leute verwandeln. Nußland ist ferner den Engländern gegenüber auch sonst im
Vorteil. Seine kaukasische Armee zählt mindestens 80000 Kombattanten mit
zahlreicher Artillerie und Kavallerie, und uicht mehr lange wird es dauern, so
wird man binnen acht Tagen einen sehr erheblichen Teil dieser Truppen bis
an den Endpunkt der transkaspischen Bahn zu bringen imstande sein. Bekanntlich
wurde jene Bahn nur zu dem Zwecke gebaut, damit die Unterwerfung der Te-
kiuzeu rascher von statten gehe. Sie ist somit eine rein militärische und als solche
dem Kriegsminister zugewiesen, der schon seit zwei Jahren auf deren Weiter-
führung bis Askabad bedacht ist, damit die militärischen Transporte bequemer
und rascher nach dem nächsten Kriegsschauplatze am Henrnd und Margab be¬
fördert werden können. Die Verlängerung der Bahn bis Askabad beträgt
206 Werst (etwa ebensoviel Kilometer), und nach deren Vollendung, die binnen
einigen Monaten zu erwarten ist, wird Askabad die Aktionsfähigkeit Rußlands
in Mittelasien beträchtlich erhöhen. Mau hat bereits einen Weiterbau bis nach
Maro empfohlen, doch ist derselbe für jetzt nicht notwendig, da die Nüssen schon,
wenn die Bahn nur bis Askabad reicht, in der Lage sind, von hier an den Kuschk
und Herirud, an welchem letzteren Herut liegt, dreimal so schnell zu gelangen
als ein angloindischcs Heer von Quella und Peschawer aus. Ist die Traus-
kaspi-Bahn, die jetzt von Michailowsk bloß bis Kiön-Arwat geht, bis Askabad
fertig, so werden die russischen Truppen von Tiflis bis zu letzterem Orte nicht
mehr als drei Tage brauchen. Die Rechnung lautet dann folgendermaßen:
von Tiflis auf der Bahn nach Baku 14, die Fahrt über das Kcispischc Meer
nach Fort Michailowsk an dessen Ufer 24, die von hier bis Askabad, wieder
mit der Lokomotive, 20 Stunden, in Summa von Tiflis bis zum letztgenannten


Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.

Wären, sowie von einem Reservekorps von 10 000 Mann. Aus dem Sudan
könnten, falls man sich schließlich zu dessen Räumung entschlösse, obwohl dies
in der muhammedanischen Welt als Flucht vor dem Mahdi angesehen werden
und so dem Prestige Englands einen schweren Schlag beibringen würde, die
Truppen Wolseleys und Gradaus, zusammen ungefähr 18 000 Mann, zur
Verstärkung nach Indien abgehen. Im Mutterlande stehen zwei Armeekorps,
jedes etwa 30000 Mann stark, die zusammen ungefähr 40000 Mann abgeben
könnten, wenn die Mannschaften nicht großenteils aus sehr jungen Leuten be¬
stünden, die sich für die Kriegführung in tropischen Gegenden nicht eignen, und
wenn man eine so große Macht soweit von England entfernen dürfte. Die
Mobilmachung dieser Truppen würde aber, wie der im Jahre 1876 angestellte
Versuch zeigte, geraume Zeit in Anspruch nehmen. Besser würde es um den
Transport derselben stehen, da die britische Kriegs- und Handelsmarine mit
Leichtigkeit die dazu erforderlichen Fahrzeuge liefern könnte.

. England hat Geld, und mit Geld läßt sich im Kriege viel thun. Ru߬
land aber hat Leute, und die lassen sich,, seit man keine Hessen mehr kaufen
kann, nicht mit Sovercigns beschaffen, auch nicht rasch in brauchbare Kriegs-
leute verwandeln. Nußland ist ferner den Engländern gegenüber auch sonst im
Vorteil. Seine kaukasische Armee zählt mindestens 80000 Kombattanten mit
zahlreicher Artillerie und Kavallerie, und uicht mehr lange wird es dauern, so
wird man binnen acht Tagen einen sehr erheblichen Teil dieser Truppen bis
an den Endpunkt der transkaspischen Bahn zu bringen imstande sein. Bekanntlich
wurde jene Bahn nur zu dem Zwecke gebaut, damit die Unterwerfung der Te-
kiuzeu rascher von statten gehe. Sie ist somit eine rein militärische und als solche
dem Kriegsminister zugewiesen, der schon seit zwei Jahren auf deren Weiter-
führung bis Askabad bedacht ist, damit die militärischen Transporte bequemer
und rascher nach dem nächsten Kriegsschauplatze am Henrnd und Margab be¬
fördert werden können. Die Verlängerung der Bahn bis Askabad beträgt
206 Werst (etwa ebensoviel Kilometer), und nach deren Vollendung, die binnen
einigen Monaten zu erwarten ist, wird Askabad die Aktionsfähigkeit Rußlands
in Mittelasien beträchtlich erhöhen. Mau hat bereits einen Weiterbau bis nach
Maro empfohlen, doch ist derselbe für jetzt nicht notwendig, da die Nüssen schon,
wenn die Bahn nur bis Askabad reicht, in der Lage sind, von hier an den Kuschk
und Herirud, an welchem letzteren Herut liegt, dreimal so schnell zu gelangen
als ein angloindischcs Heer von Quella und Peschawer aus. Ist die Traus-
kaspi-Bahn, die jetzt von Michailowsk bloß bis Kiön-Arwat geht, bis Askabad
fertig, so werden die russischen Truppen von Tiflis bis zu letzterem Orte nicht
mehr als drei Tage brauchen. Die Rechnung lautet dann folgendermaßen:
von Tiflis auf der Bahn nach Baku 14, die Fahrt über das Kcispischc Meer
nach Fort Michailowsk an dessen Ufer 24, die von hier bis Askabad, wieder
mit der Lokomotive, 20 Stunden, in Summa von Tiflis bis zum letztgenannten


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[0177] Englands Mittel zur Verteidigung Indiens. Wären, sowie von einem Reservekorps von 10 000 Mann. Aus dem Sudan könnten, falls man sich schließlich zu dessen Räumung entschlösse, obwohl dies in der muhammedanischen Welt als Flucht vor dem Mahdi angesehen werden und so dem Prestige Englands einen schweren Schlag beibringen würde, die Truppen Wolseleys und Gradaus, zusammen ungefähr 18 000 Mann, zur Verstärkung nach Indien abgehen. Im Mutterlande stehen zwei Armeekorps, jedes etwa 30000 Mann stark, die zusammen ungefähr 40000 Mann abgeben könnten, wenn die Mannschaften nicht großenteils aus sehr jungen Leuten be¬ stünden, die sich für die Kriegführung in tropischen Gegenden nicht eignen, und wenn man eine so große Macht soweit von England entfernen dürfte. Die Mobilmachung dieser Truppen würde aber, wie der im Jahre 1876 angestellte Versuch zeigte, geraume Zeit in Anspruch nehmen. Besser würde es um den Transport derselben stehen, da die britische Kriegs- und Handelsmarine mit Leichtigkeit die dazu erforderlichen Fahrzeuge liefern könnte. . England hat Geld, und mit Geld läßt sich im Kriege viel thun. Ru߬ land aber hat Leute, und die lassen sich,, seit man keine Hessen mehr kaufen kann, nicht mit Sovercigns beschaffen, auch nicht rasch in brauchbare Kriegs- leute verwandeln. Nußland ist ferner den Engländern gegenüber auch sonst im Vorteil. Seine kaukasische Armee zählt mindestens 80000 Kombattanten mit zahlreicher Artillerie und Kavallerie, und uicht mehr lange wird es dauern, so wird man binnen acht Tagen einen sehr erheblichen Teil dieser Truppen bis an den Endpunkt der transkaspischen Bahn zu bringen imstande sein. Bekanntlich wurde jene Bahn nur zu dem Zwecke gebaut, damit die Unterwerfung der Te- kiuzeu rascher von statten gehe. Sie ist somit eine rein militärische und als solche dem Kriegsminister zugewiesen, der schon seit zwei Jahren auf deren Weiter- führung bis Askabad bedacht ist, damit die militärischen Transporte bequemer und rascher nach dem nächsten Kriegsschauplatze am Henrnd und Margab be¬ fördert werden können. Die Verlängerung der Bahn bis Askabad beträgt 206 Werst (etwa ebensoviel Kilometer), und nach deren Vollendung, die binnen einigen Monaten zu erwarten ist, wird Askabad die Aktionsfähigkeit Rußlands in Mittelasien beträchtlich erhöhen. Mau hat bereits einen Weiterbau bis nach Maro empfohlen, doch ist derselbe für jetzt nicht notwendig, da die Nüssen schon, wenn die Bahn nur bis Askabad reicht, in der Lage sind, von hier an den Kuschk und Herirud, an welchem letzteren Herut liegt, dreimal so schnell zu gelangen als ein angloindischcs Heer von Quella und Peschawer aus. Ist die Traus- kaspi-Bahn, die jetzt von Michailowsk bloß bis Kiön-Arwat geht, bis Askabad fertig, so werden die russischen Truppen von Tiflis bis zu letzterem Orte nicht mehr als drei Tage brauchen. Die Rechnung lautet dann folgendermaßen: von Tiflis auf der Bahn nach Baku 14, die Fahrt über das Kcispischc Meer nach Fort Michailowsk an dessen Ufer 24, die von hier bis Askabad, wieder mit der Lokomotive, 20 Stunden, in Summa von Tiflis bis zum letztgenannten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/177>, abgerufen am 22.07.2024.