Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eine Perle.

tragen worden waren, hätten jetzt, wenn die jungen Nobili sich ihrer nicht
erbarmten, barfuß betteln gehen müssen. Einige wenige sollen in der That auf
letztere Weise ihr Dasein gefristet haben. Die Mehrzahl zog vor, im Vertrauen
auf ihre Fürsprecherin, die Notlage, die Nacht zum Tag zu machen und dnrch
Gefälligkeiten aller Art sich der Freigebigkeit der jungen Kavaliere zu empfehlen.

Antonio Maria hatte auf seinem Heimwege in mehreren Lokalen dieses
Schlages vorgesprochen, ohne Nachrichten eingezogen zu haben, welche ihm von
Nutzen sein konnten. Als er schon von weiteren Erkundigungen abstehen wollte,
fiel ihm in der Nähe der sogenannten Casa ti Giulio Romano ein Haufe
Weiber und Männer auf, die, trotz der späten Nachtstunde, in heftigen Reden
und Gestikulationen einen, wie es schien, nur von wenigen unter ihnen als
Augenzeugen unerlebter Vorgang beredeten. Eine Blutlache, die sie umstanden,
bildete das ans irgendeine Soldntenschlägerci hindeutende Merkzeichen des Vor¬
ganges, und als Antonio Maria, nähertretend, sich nach der Sache erkundigte,
hörte er in der Thut, es habe eine arge Rauferei gegeben, bei der ein Schweizer
sich wie ein wildes Tier benommen habe. Ihm sei aber endlich, läclio sis. 1o-
äs,to! der Garaus gemacht worden.

Nein, nein, nein! widersprach ein altes Mütterchen, wie oft soll ich's denn
euch wiederholen? Harthörige 8orclg.stri! Ich habe ihn anf seinen eignen Beinen
Weggehen sehen. Oder stand ich etwa nicht ganz nahe dabei? Hier fiel
er zu Boden, ich sehe es uoch, denn er war so schrecklich zugerichtet, ich hielt
mir vor Grausen mit beiden Händen die Augen zu --

Eben deshalb konntet Ihr ihn ja nicht auf seinen eignen Beinen weggehen
sehen, Vccchiajci, schrieen mehrere Stimmen auf sie ein.

Als ob ich sie immer und ewig zugehalten hätte, Gelbschnäbel ihr! spru¬
delte die Alte, und sie faßte Antonio Marias Ärmel, indem sie mit einer
Menge Nebensächlichkeiten erzählte, wie ein Svizzero von drei Mcmtucmer Haken¬
schützen aufs ärgste mißhandelt worden sei und sicher nicht lebend davongekommen
wäre, hätte sich nicht ein vornehmer rotbärtiger Herr seiner angenommen, un
poro ca-viilierö, nicht nur so ein brokatner, dem es um seine Spitzen leid ist,
nein, Signore, un vero vavg,livrs, und der habe mit seinem Degen auf die
Hakenschützen tüchtig dreingehauen. Dann ans einmal habe es geheißen: 1,3.
g'rmMg.! I" gnMäig,! und zugleich sei auch schon das Pferdegetrappel der her¬
zoglichen Wache zu hören gewesen. OtiMgri! habe es da ein Ausreißen gegeben!
Mich rannte ein Maulaffe um und um, Signore. Da habe ich gelegen am
Boden, Signore, ich alte Frau! Man soll sich nicht unter die gemeinen Leute
mischen. Da habe ich gelegen, iniserg, imo! Aber gesehen habe ich, wie der
Svizzero auf seinen eignen Beinen wegging, er konnte nicht rasch gehen, natür¬
lich, sein ganzes Gesicht war ja von Blut überströmt.

Die grünen Aufschläge Antonio Marias waren inzwischen nicht unbemerkt
geblieben. Einer nach dem andern gab es anf, mit der Alten zu disputiren


Um eine Perle.

tragen worden waren, hätten jetzt, wenn die jungen Nobili sich ihrer nicht
erbarmten, barfuß betteln gehen müssen. Einige wenige sollen in der That auf
letztere Weise ihr Dasein gefristet haben. Die Mehrzahl zog vor, im Vertrauen
auf ihre Fürsprecherin, die Notlage, die Nacht zum Tag zu machen und dnrch
Gefälligkeiten aller Art sich der Freigebigkeit der jungen Kavaliere zu empfehlen.

Antonio Maria hatte auf seinem Heimwege in mehreren Lokalen dieses
Schlages vorgesprochen, ohne Nachrichten eingezogen zu haben, welche ihm von
Nutzen sein konnten. Als er schon von weiteren Erkundigungen abstehen wollte,
fiel ihm in der Nähe der sogenannten Casa ti Giulio Romano ein Haufe
Weiber und Männer auf, die, trotz der späten Nachtstunde, in heftigen Reden
und Gestikulationen einen, wie es schien, nur von wenigen unter ihnen als
Augenzeugen unerlebter Vorgang beredeten. Eine Blutlache, die sie umstanden,
bildete das ans irgendeine Soldntenschlägerci hindeutende Merkzeichen des Vor¬
ganges, und als Antonio Maria, nähertretend, sich nach der Sache erkundigte,
hörte er in der Thut, es habe eine arge Rauferei gegeben, bei der ein Schweizer
sich wie ein wildes Tier benommen habe. Ihm sei aber endlich, läclio sis. 1o-
äs,to! der Garaus gemacht worden.

Nein, nein, nein! widersprach ein altes Mütterchen, wie oft soll ich's denn
euch wiederholen? Harthörige 8orclg.stri! Ich habe ihn anf seinen eignen Beinen
Weggehen sehen. Oder stand ich etwa nicht ganz nahe dabei? Hier fiel
er zu Boden, ich sehe es uoch, denn er war so schrecklich zugerichtet, ich hielt
mir vor Grausen mit beiden Händen die Augen zu —

Eben deshalb konntet Ihr ihn ja nicht auf seinen eignen Beinen weggehen
sehen, Vccchiajci, schrieen mehrere Stimmen auf sie ein.

Als ob ich sie immer und ewig zugehalten hätte, Gelbschnäbel ihr! spru¬
delte die Alte, und sie faßte Antonio Marias Ärmel, indem sie mit einer
Menge Nebensächlichkeiten erzählte, wie ein Svizzero von drei Mcmtucmer Haken¬
schützen aufs ärgste mißhandelt worden sei und sicher nicht lebend davongekommen
wäre, hätte sich nicht ein vornehmer rotbärtiger Herr seiner angenommen, un
poro ca-viilierö, nicht nur so ein brokatner, dem es um seine Spitzen leid ist,
nein, Signore, un vero vavg,livrs, und der habe mit seinem Degen auf die
Hakenschützen tüchtig dreingehauen. Dann ans einmal habe es geheißen: 1,3.
g'rmMg.! I» gnMäig,! und zugleich sei auch schon das Pferdegetrappel der her¬
zoglichen Wache zu hören gewesen. OtiMgri! habe es da ein Ausreißen gegeben!
Mich rannte ein Maulaffe um und um, Signore. Da habe ich gelegen am
Boden, Signore, ich alte Frau! Man soll sich nicht unter die gemeinen Leute
mischen. Da habe ich gelegen, iniserg, imo! Aber gesehen habe ich, wie der
Svizzero auf seinen eignen Beinen wegging, er konnte nicht rasch gehen, natür¬
lich, sein ganzes Gesicht war ja von Blut überströmt.

Die grünen Aufschläge Antonio Marias waren inzwischen nicht unbemerkt
geblieben. Einer nach dem andern gab es anf, mit der Alten zu disputiren


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195541"/>
          <fw type="header" place="top"> Um eine Perle.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_503" prev="#ID_502"> tragen worden waren, hätten jetzt, wenn die jungen Nobili sich ihrer nicht<lb/>
erbarmten, barfuß betteln gehen müssen. Einige wenige sollen in der That auf<lb/>
letztere Weise ihr Dasein gefristet haben. Die Mehrzahl zog vor, im Vertrauen<lb/>
auf ihre Fürsprecherin, die Notlage, die Nacht zum Tag zu machen und dnrch<lb/>
Gefälligkeiten aller Art sich der Freigebigkeit der jungen Kavaliere zu empfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_504"> Antonio Maria hatte auf seinem Heimwege in mehreren Lokalen dieses<lb/>
Schlages vorgesprochen, ohne Nachrichten eingezogen zu haben, welche ihm von<lb/>
Nutzen sein konnten. Als er schon von weiteren Erkundigungen abstehen wollte,<lb/>
fiel ihm in der Nähe der sogenannten Casa ti Giulio Romano ein Haufe<lb/>
Weiber und Männer auf, die, trotz der späten Nachtstunde, in heftigen Reden<lb/>
und Gestikulationen einen, wie es schien, nur von wenigen unter ihnen als<lb/>
Augenzeugen unerlebter Vorgang beredeten. Eine Blutlache, die sie umstanden,<lb/>
bildete das ans irgendeine Soldntenschlägerci hindeutende Merkzeichen des Vor¬<lb/>
ganges, und als Antonio Maria, nähertretend, sich nach der Sache erkundigte,<lb/>
hörte er in der Thut, es habe eine arge Rauferei gegeben, bei der ein Schweizer<lb/>
sich wie ein wildes Tier benommen habe. Ihm sei aber endlich, läclio sis. 1o-<lb/>
äs,to! der Garaus gemacht worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_505"> Nein, nein, nein! widersprach ein altes Mütterchen, wie oft soll ich's denn<lb/>
euch wiederholen? Harthörige 8orclg.stri! Ich habe ihn anf seinen eignen Beinen<lb/>
Weggehen sehen. Oder stand ich etwa nicht ganz nahe dabei? Hier fiel<lb/>
er zu Boden, ich sehe es uoch, denn er war so schrecklich zugerichtet, ich hielt<lb/>
mir vor Grausen mit beiden Händen die Augen zu &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_506"> Eben deshalb konntet Ihr ihn ja nicht auf seinen eignen Beinen weggehen<lb/>
sehen, Vccchiajci, schrieen mehrere Stimmen auf sie ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_507"> Als ob ich sie immer und ewig zugehalten hätte, Gelbschnäbel ihr! spru¬<lb/>
delte die Alte, und sie faßte Antonio Marias Ärmel, indem sie mit einer<lb/>
Menge Nebensächlichkeiten erzählte, wie ein Svizzero von drei Mcmtucmer Haken¬<lb/>
schützen aufs ärgste mißhandelt worden sei und sicher nicht lebend davongekommen<lb/>
wäre, hätte sich nicht ein vornehmer rotbärtiger Herr seiner angenommen, un<lb/>
poro ca-viilierö, nicht nur so ein brokatner, dem es um seine Spitzen leid ist,<lb/>
nein, Signore, un vero vavg,livrs, und der habe mit seinem Degen auf die<lb/>
Hakenschützen tüchtig dreingehauen. Dann ans einmal habe es geheißen: 1,3.<lb/>
g'rmMg.! I» gnMäig,! und zugleich sei auch schon das Pferdegetrappel der her¬<lb/>
zoglichen Wache zu hören gewesen. OtiMgri! habe es da ein Ausreißen gegeben!<lb/>
Mich rannte ein Maulaffe um und um, Signore. Da habe ich gelegen am<lb/>
Boden, Signore, ich alte Frau! Man soll sich nicht unter die gemeinen Leute<lb/>
mischen. Da habe ich gelegen, iniserg, imo! Aber gesehen habe ich, wie der<lb/>
Svizzero auf seinen eignen Beinen wegging, er konnte nicht rasch gehen, natür¬<lb/>
lich, sein ganzes Gesicht war ja von Blut überströmt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Die grünen Aufschläge Antonio Marias waren inzwischen nicht unbemerkt<lb/>
geblieben. Einer nach dem andern gab es anf, mit der Alten zu disputiren</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] Um eine Perle. tragen worden waren, hätten jetzt, wenn die jungen Nobili sich ihrer nicht erbarmten, barfuß betteln gehen müssen. Einige wenige sollen in der That auf letztere Weise ihr Dasein gefristet haben. Die Mehrzahl zog vor, im Vertrauen auf ihre Fürsprecherin, die Notlage, die Nacht zum Tag zu machen und dnrch Gefälligkeiten aller Art sich der Freigebigkeit der jungen Kavaliere zu empfehlen. Antonio Maria hatte auf seinem Heimwege in mehreren Lokalen dieses Schlages vorgesprochen, ohne Nachrichten eingezogen zu haben, welche ihm von Nutzen sein konnten. Als er schon von weiteren Erkundigungen abstehen wollte, fiel ihm in der Nähe der sogenannten Casa ti Giulio Romano ein Haufe Weiber und Männer auf, die, trotz der späten Nachtstunde, in heftigen Reden und Gestikulationen einen, wie es schien, nur von wenigen unter ihnen als Augenzeugen unerlebter Vorgang beredeten. Eine Blutlache, die sie umstanden, bildete das ans irgendeine Soldntenschlägerci hindeutende Merkzeichen des Vor¬ ganges, und als Antonio Maria, nähertretend, sich nach der Sache erkundigte, hörte er in der Thut, es habe eine arge Rauferei gegeben, bei der ein Schweizer sich wie ein wildes Tier benommen habe. Ihm sei aber endlich, läclio sis. 1o- äs,to! der Garaus gemacht worden. Nein, nein, nein! widersprach ein altes Mütterchen, wie oft soll ich's denn euch wiederholen? Harthörige 8orclg.stri! Ich habe ihn anf seinen eignen Beinen Weggehen sehen. Oder stand ich etwa nicht ganz nahe dabei? Hier fiel er zu Boden, ich sehe es uoch, denn er war so schrecklich zugerichtet, ich hielt mir vor Grausen mit beiden Händen die Augen zu — Eben deshalb konntet Ihr ihn ja nicht auf seinen eignen Beinen weggehen sehen, Vccchiajci, schrieen mehrere Stimmen auf sie ein. Als ob ich sie immer und ewig zugehalten hätte, Gelbschnäbel ihr! spru¬ delte die Alte, und sie faßte Antonio Marias Ärmel, indem sie mit einer Menge Nebensächlichkeiten erzählte, wie ein Svizzero von drei Mcmtucmer Haken¬ schützen aufs ärgste mißhandelt worden sei und sicher nicht lebend davongekommen wäre, hätte sich nicht ein vornehmer rotbärtiger Herr seiner angenommen, un poro ca-viilierö, nicht nur so ein brokatner, dem es um seine Spitzen leid ist, nein, Signore, un vero vavg,livrs, und der habe mit seinem Degen auf die Hakenschützen tüchtig dreingehauen. Dann ans einmal habe es geheißen: 1,3. g'rmMg.! I» gnMäig,! und zugleich sei auch schon das Pferdegetrappel der her¬ zoglichen Wache zu hören gewesen. OtiMgri! habe es da ein Ausreißen gegeben! Mich rannte ein Maulaffe um und um, Signore. Da habe ich gelegen am Boden, Signore, ich alte Frau! Man soll sich nicht unter die gemeinen Leute mischen. Da habe ich gelegen, iniserg, imo! Aber gesehen habe ich, wie der Svizzero auf seinen eignen Beinen wegging, er konnte nicht rasch gehen, natür¬ lich, sein ganzes Gesicht war ja von Blut überströmt. Die grünen Aufschläge Antonio Marias waren inzwischen nicht unbemerkt geblieben. Einer nach dem andern gab es anf, mit der Alten zu disputiren

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/152
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/152>, abgerufen am 25.08.2024.