Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.noch zu Betrügereien im reichsten Maße Anlaß/") Wieviel nun neben den Nach alledem kaun man, auch wenn mau nach dem .oben bemerkten Schon in dem ersten Vertriebe jedes Looses liegt, wenn man dessen wahren Als Beispiel folgende Zeitungskvrrcspondenz aus Frankfurt a. M. Ein Schaffner
und ein Kutscher der hiesigen Trambahngesellschaft hatten kürzlich den zweiten Preis der Wei¬ marer Silberlotterie gewonnen, welcher im Prospekte auf 10000 Mark gewertet war. Da die Lotteriekounnisswn den glücklichen Gewinueru baares Geld nicht geben zu können erklärte, so wurde diesen der Preis ausgehmidigt. Die Leute haben ihren Gewinn nach vieler Mühe an den Manu gebracht und im ganzen kaum 8400 Mark dafür erhalten. noch zu Betrügereien im reichsten Maße Anlaß/") Wieviel nun neben den Nach alledem kaun man, auch wenn mau nach dem .oben bemerkten Schon in dem ersten Vertriebe jedes Looses liegt, wenn man dessen wahren Als Beispiel folgende Zeitungskvrrcspondenz aus Frankfurt a. M. Ein Schaffner
und ein Kutscher der hiesigen Trambahngesellschaft hatten kürzlich den zweiten Preis der Wei¬ marer Silberlotterie gewonnen, welcher im Prospekte auf 10000 Mark gewertet war. Da die Lotteriekounnisswn den glücklichen Gewinueru baares Geld nicht geben zu können erklärte, so wurde diesen der Preis ausgehmidigt. Die Leute haben ihren Gewinn nach vieler Mühe an den Manu gebracht und im ganzen kaum 8400 Mark dafür erhalten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195518"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_454" prev="#ID_453"> noch zu Betrügereien im reichsten Maße Anlaß/") Wieviel nun neben den<lb/> Staatslotterien auch noch diese Privatlottericn por l'W se nsks-s aus dem<lb/> deutschen Volke herausziehen, wer vermöchte das zu sagen?</p><lb/> <p xml:id="ID_455"> Nach alledem kaun man, auch wenn mau nach dem .oben bemerkten<lb/> voraussetzt, daß nicht allen Lotterien die volle Zahl ihrer Loose abzusetzen<lb/> gelingt und daß deshalb das Gesamteinsatzkapital einigermaßen unter dem nam¬<lb/> haften Anschlag zurückbleibt, doch annehmen, daß vom deutscheu Volle alljährlich<lb/> weit über hundert Millionen Mark in den zahlreichen Lotterien verspielt werden.<lb/> Zu der Ausgabe von etwa hundert Millionen für die Staatslotterien allein<lb/> wird das deutsche Volk veranlaßt zu dem Zwecke, daß fünf deutsche Länder<lb/> daraus einen Gewinn von 11 652 930 Mark ziehe». Gewiß eine sehr wenig<lb/> wirtschaftliche Ausgabe!</p><lb/> <p xml:id="ID_456" next="#ID_457"> Schon in dem ersten Vertriebe jedes Looses liegt, wenn man dessen wahren<lb/> Wert nach den Regeln des Hvffnungskaufes anschlägt, eine Übervorteilung<lb/> des Käufers. Würde das gesamte Eiusatzkapital unter die Spielenden verlooft,<lb/> dann allerdings würde der Käufer in dem Loose einen nach der Wcchrschein-<lb/> lichkeitsberechnung dem gezählten Preise entsprechenden Wert erwerben. Nun<lb/> ist aber jede Lotterie so eingerichtet, daß der Unternehmer von dem Einsatzkapital<lb/> erst ein Erkleckliches für sich abzieht und nur den Rest unter die Spielenden<lb/> zur Verloosung bringt. Das ist ja der Zweck der Sache. Danach wird jedes<lb/> Loos in dem Verhältnis dieses Abzuges des Lotterieunternehmers zu dem Ge¬<lb/> samtbetrage des Einsatzkapitals zu teuer bezahlt, der Käufer des Looses also<lb/> um diesen Betrag übervorteilt. Dazu kommen noch die enormen Übervortei¬<lb/> lungen, welche von den Zwischenhändlern durch Hinauftreiben der Preise geübt<lb/> werden. Freilich sagt man: „Dies alles wissen ja die Spieler. Volonti noir<lb/> M iiMim." Wie viele der Spieler sich dieser Verhältnisse wirklich klar be¬<lb/> wußt sind, mag hier dahingestellt bleiben. Aber womit überwindet man denn<lb/> dieses Bewußtsein, sodaß Unzählige sich zu einem solchen sie übervorteilenden<lb/> Geschäfte herbeilassen? Nur dnrch Anregung einer der schlimmsten menschlichen<lb/> Leidenschaften, der Gewinnsucht. Die Gründe, mittels deren man sich hierüber<lb/> hinwegzurcden sucht, find sehr unhaltbar. Zunächst sagt man, das Spielen sei<lb/> ein menschliches Bedürfnis, wie man daran erkennen könne, daß so viele sich<lb/> zum Erwerbe eines Looses hindrängen. Ein Bedürfnis! Solcher Bedürfnisse<lb/> könnte man noch viele erzeugen, wenn man den Menschen nur Gelegenheit gäbe,<lb/> ihren schlechten Neigungen zu fröhnen. Ohne Zweifel war es seinerzeit auch</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> Als Beispiel folgende Zeitungskvrrcspondenz aus Frankfurt a. M. Ein Schaffner<lb/> und ein Kutscher der hiesigen Trambahngesellschaft hatten kürzlich den zweiten Preis der Wei¬<lb/> marer Silberlotterie gewonnen, welcher im Prospekte auf 10000 Mark gewertet war. Da<lb/> die Lotteriekounnisswn den glücklichen Gewinueru baares Geld nicht geben zu können erklärte,<lb/> so wurde diesen der Preis ausgehmidigt. Die Leute haben ihren Gewinn nach vieler Mühe<lb/> an den Manu gebracht und im ganzen kaum 8400 Mark dafür erhalten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
noch zu Betrügereien im reichsten Maße Anlaß/") Wieviel nun neben den
Staatslotterien auch noch diese Privatlottericn por l'W se nsks-s aus dem
deutschen Volke herausziehen, wer vermöchte das zu sagen?
Nach alledem kaun man, auch wenn mau nach dem .oben bemerkten
voraussetzt, daß nicht allen Lotterien die volle Zahl ihrer Loose abzusetzen
gelingt und daß deshalb das Gesamteinsatzkapital einigermaßen unter dem nam¬
haften Anschlag zurückbleibt, doch annehmen, daß vom deutscheu Volle alljährlich
weit über hundert Millionen Mark in den zahlreichen Lotterien verspielt werden.
Zu der Ausgabe von etwa hundert Millionen für die Staatslotterien allein
wird das deutsche Volk veranlaßt zu dem Zwecke, daß fünf deutsche Länder
daraus einen Gewinn von 11 652 930 Mark ziehe». Gewiß eine sehr wenig
wirtschaftliche Ausgabe!
Schon in dem ersten Vertriebe jedes Looses liegt, wenn man dessen wahren
Wert nach den Regeln des Hvffnungskaufes anschlägt, eine Übervorteilung
des Käufers. Würde das gesamte Eiusatzkapital unter die Spielenden verlooft,
dann allerdings würde der Käufer in dem Loose einen nach der Wcchrschein-
lichkeitsberechnung dem gezählten Preise entsprechenden Wert erwerben. Nun
ist aber jede Lotterie so eingerichtet, daß der Unternehmer von dem Einsatzkapital
erst ein Erkleckliches für sich abzieht und nur den Rest unter die Spielenden
zur Verloosung bringt. Das ist ja der Zweck der Sache. Danach wird jedes
Loos in dem Verhältnis dieses Abzuges des Lotterieunternehmers zu dem Ge¬
samtbetrage des Einsatzkapitals zu teuer bezahlt, der Käufer des Looses also
um diesen Betrag übervorteilt. Dazu kommen noch die enormen Übervortei¬
lungen, welche von den Zwischenhändlern durch Hinauftreiben der Preise geübt
werden. Freilich sagt man: „Dies alles wissen ja die Spieler. Volonti noir
M iiMim." Wie viele der Spieler sich dieser Verhältnisse wirklich klar be¬
wußt sind, mag hier dahingestellt bleiben. Aber womit überwindet man denn
dieses Bewußtsein, sodaß Unzählige sich zu einem solchen sie übervorteilenden
Geschäfte herbeilassen? Nur dnrch Anregung einer der schlimmsten menschlichen
Leidenschaften, der Gewinnsucht. Die Gründe, mittels deren man sich hierüber
hinwegzurcden sucht, find sehr unhaltbar. Zunächst sagt man, das Spielen sei
ein menschliches Bedürfnis, wie man daran erkennen könne, daß so viele sich
zum Erwerbe eines Looses hindrängen. Ein Bedürfnis! Solcher Bedürfnisse
könnte man noch viele erzeugen, wenn man den Menschen nur Gelegenheit gäbe,
ihren schlechten Neigungen zu fröhnen. Ohne Zweifel war es seinerzeit auch
Als Beispiel folgende Zeitungskvrrcspondenz aus Frankfurt a. M. Ein Schaffner
und ein Kutscher der hiesigen Trambahngesellschaft hatten kürzlich den zweiten Preis der Wei¬
marer Silberlotterie gewonnen, welcher im Prospekte auf 10000 Mark gewertet war. Da
die Lotteriekounnisswn den glücklichen Gewinueru baares Geld nicht geben zu können erklärte,
so wurde diesen der Preis ausgehmidigt. Die Leute haben ihren Gewinn nach vieler Mühe
an den Manu gebracht und im ganzen kaum 8400 Mark dafür erhalten.
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