Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Die Lotteriefrage im preußische" Abgeordnetenhaus". man nun die Verhältnismäßige Geringfügigkeit dieser sowohl in Hamburg als Nur beiläufig wollen wir noch bemerken, daß -- worauf in diesen Blättern Die Lotteriefrage im preußische» Abgeordnetenhaus«. man nun die Verhältnismäßige Geringfügigkeit dieser sowohl in Hamburg als Nur beiläufig wollen wir noch bemerken, daß — worauf in diesen Blättern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195517"/> <fw type="header" place="top"> Die Lotteriefrage im preußische» Abgeordnetenhaus«.</fw><lb/> <p xml:id="ID_452" prev="#ID_451"> man nun die Verhältnismäßige Geringfügigkeit dieser sowohl in Hamburg als<lb/> in Braunschweig vom Staate bezogenen Gewinnsummen, so weist dieselbe<lb/> allerdings daraus hin, daß man dort von der Voraussetzung ausgeht, es werde<lb/> den Pächtern der Lotterie, bez. den Übernehmern der Loose nicht immer ge¬<lb/> lingen, sämtliche Loose abzusetzen. Inwieweit dieses wirklich der Fall ist, können<lb/> wir natürlich nicht wissen. Würde aber ein erheblicher Teil der Loose nicht<lb/> abgesetzt und demgemäß das Einsatzkapital für die Loose nicht im gauzen<lb/> Umfange erhoben, so würde sich auch das oben berechnete, an die Größe des<lb/> Einsatzkapitals sich knüpfende Mißverhältnis zwischen den einzelnen Ländern<lb/> einigermaßen verringern. Immerhin ist aber dieses Mißverhältnis so groß,<lb/> daß, wenn auch ein erheblicher Teil der Hamburger und Braunschweiger Loose<lb/> nicht abgesetzt werden sollte, doch kein Zweifel sein kaun, daß diese Lotterien,<lb/> und ebenso die sächsische, uicht bloß aus das eigne Land berechnet sind; daß<lb/> sie vielmehr ihr Dasein »ur dadurch fristen, daß sie Ihre Loose, aller Straf-<lb/> verbvte unerachtet, weithin in die übrigen deutschen Länder hinausschicken und<lb/> diese sich dadurch steuerbar machen. Darin liegt ein durchaus unbilliges Ver¬<lb/> hältnis. Die meisten unsrer Leser werden sich noch erinnern, wie rechtsverletzend<lb/> es empfunden wurde, daß vor Zeiten jeder noch so kleine deutsche Staat nach<lb/> Belieben Papiergeld schaffen und in die Welt senden konnte. In der That<lb/> waren aber jene Millionen Papierscheine doch sehr unschuldig im Vergleich mit<lb/> diesen Loosen. Es waren nur Darlehen, die man auf diese Weise aus dem<lb/> deutscheu Volke herauszog. Kehrte der Papierschein zerlumpt in die Heimat<lb/> zurück, so mußte die Negierung, die sich zu dessen Vaterschaft bekannte, ihn<lb/> wieder einlösen. Mittels der in Vertrieb gesetzten Lvtterieloose aber zieht man<lb/> Millionen aus dem deutscheu Volke heraus auf Nimmerwiedersehen. Es ist<lb/> diese Geldcrhebnng mittels aus dem Lande hernusgesaudter Loose wohl die<lb/> eigentümlichste Art von Besteuerung fremder Staatsangehörigen, welche jemals<lb/> in Deutschland vorgekommen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_453" next="#ID_454"> Nur beiläufig wollen wir noch bemerken, daß — worauf in diesen Blättern<lb/> schon mehrfach hingewiesen worden ist — neben den Staatslvtterien auch die<lb/> Privatlotterieu, welche für wohlthätige oder auch minderwvhlthätige Zwecke mit<lb/> obrigkeitlicher Erlaubnis veranstaltet werden, sich in unglaublicher Weise vermehrt<lb/> haben. Sie machen ihre Geschäfte noch ganz anders als die soliden Staats¬<lb/> lotterien, die sich mit zwölf bis fünfzehn Prozent des Einsatzkapitals begnügen.<lb/> Bei ihnen geht der Abzug meist über fünfzig Prozent hinaus. Die Lotterie<lb/> für die Kirche zu Knechtsteden, welche für die Rheinprovinz und Westfalen ge¬<lb/> nehmigt war, aber gleichwohl ihre Gewinne von „Gvldciern" auch überall<lb/> anderwärts ausbot, gab 120 000 Loose je für eine Mark aus und stellte dafür<lb/> Gewinne im Werte von 40 000 Mark in Aussicht. Sie zog also, einschließlich<lb/> dessen, was sie dem Generalunternehmer zahlen mußte, 06^ Prozent vom<lb/> Einsatzkapital vorweg ab. Bekanntlich geben diese Privatlotterien dann auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Die Lotteriefrage im preußische» Abgeordnetenhaus«.
man nun die Verhältnismäßige Geringfügigkeit dieser sowohl in Hamburg als
in Braunschweig vom Staate bezogenen Gewinnsummen, so weist dieselbe
allerdings daraus hin, daß man dort von der Voraussetzung ausgeht, es werde
den Pächtern der Lotterie, bez. den Übernehmern der Loose nicht immer ge¬
lingen, sämtliche Loose abzusetzen. Inwieweit dieses wirklich der Fall ist, können
wir natürlich nicht wissen. Würde aber ein erheblicher Teil der Loose nicht
abgesetzt und demgemäß das Einsatzkapital für die Loose nicht im gauzen
Umfange erhoben, so würde sich auch das oben berechnete, an die Größe des
Einsatzkapitals sich knüpfende Mißverhältnis zwischen den einzelnen Ländern
einigermaßen verringern. Immerhin ist aber dieses Mißverhältnis so groß,
daß, wenn auch ein erheblicher Teil der Hamburger und Braunschweiger Loose
nicht abgesetzt werden sollte, doch kein Zweifel sein kaun, daß diese Lotterien,
und ebenso die sächsische, uicht bloß aus das eigne Land berechnet sind; daß
sie vielmehr ihr Dasein »ur dadurch fristen, daß sie Ihre Loose, aller Straf-
verbvte unerachtet, weithin in die übrigen deutschen Länder hinausschicken und
diese sich dadurch steuerbar machen. Darin liegt ein durchaus unbilliges Ver¬
hältnis. Die meisten unsrer Leser werden sich noch erinnern, wie rechtsverletzend
es empfunden wurde, daß vor Zeiten jeder noch so kleine deutsche Staat nach
Belieben Papiergeld schaffen und in die Welt senden konnte. In der That
waren aber jene Millionen Papierscheine doch sehr unschuldig im Vergleich mit
diesen Loosen. Es waren nur Darlehen, die man auf diese Weise aus dem
deutscheu Volke herauszog. Kehrte der Papierschein zerlumpt in die Heimat
zurück, so mußte die Negierung, die sich zu dessen Vaterschaft bekannte, ihn
wieder einlösen. Mittels der in Vertrieb gesetzten Lvtterieloose aber zieht man
Millionen aus dem deutscheu Volke heraus auf Nimmerwiedersehen. Es ist
diese Geldcrhebnng mittels aus dem Lande hernusgesaudter Loose wohl die
eigentümlichste Art von Besteuerung fremder Staatsangehörigen, welche jemals
in Deutschland vorgekommen ist.
Nur beiläufig wollen wir noch bemerken, daß — worauf in diesen Blättern
schon mehrfach hingewiesen worden ist — neben den Staatslvtterien auch die
Privatlotterieu, welche für wohlthätige oder auch minderwvhlthätige Zwecke mit
obrigkeitlicher Erlaubnis veranstaltet werden, sich in unglaublicher Weise vermehrt
haben. Sie machen ihre Geschäfte noch ganz anders als die soliden Staats¬
lotterien, die sich mit zwölf bis fünfzehn Prozent des Einsatzkapitals begnügen.
Bei ihnen geht der Abzug meist über fünfzig Prozent hinaus. Die Lotterie
für die Kirche zu Knechtsteden, welche für die Rheinprovinz und Westfalen ge¬
nehmigt war, aber gleichwohl ihre Gewinne von „Gvldciern" auch überall
anderwärts ausbot, gab 120 000 Loose je für eine Mark aus und stellte dafür
Gewinne im Werte von 40 000 Mark in Aussicht. Sie zog also, einschließlich
dessen, was sie dem Generalunternehmer zahlen mußte, 06^ Prozent vom
Einsatzkapital vorweg ab. Bekanntlich geben diese Privatlotterien dann auch
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