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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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in der Nähe von Buschir am persischen Golf ein englisches Geschwader mit
indischen Soldaten, die sich, ohne daß vorher eine Kriegserklärung erfolgt wäre,
der Insel Chnrek bemächtigten. Die Perser waren empört über dieses rechtlose
Verfahren. Mac Neit aber schrieb dem Minister des Schah, die Besitznahme
Herats, sowie jede Unternehmung gegen Afghanistan sei eine Kriegserklärung
gegen England, und mir von dem Verhalten des Schah werde es abhängen,
ob dem Vorgehen gegen Charek weitere Maßregeln folgen würden oder nicht.
Nur unverzügliche Bewilligung der britischen Forderungen könne Persien davor
schützen. Zu gleicher Zeit schrieb der Gesandte an eine Anzahl angesehener
Personen und ersuchte sie, dein Volke zu verkünden, daß die von seiner Re-
gierung verfügten Feindseligkeiten nur Folgen der Unbesonnenheit des Schah
Muhammed, nicht aber gegen das persische Volk gerichtet seien, gegen das sie
nur wohlwollende Gefühle hege. Man sieht, die Engländer verschmähten kein
Mittel zu ihrem Zweck, auch nicht die Aufreizung von Unterthanen gegen ihren
Gebieter.

Dem Schah Muhammed blieb, dn Rußland wohl mit ihm angreifen, nicht
aber ihn offen verteidigen wollte, jetzt leine andre Wahl als Nachgiebigkeit.
Er zog von Herat ab, als die Stadt nach mehrmonatlicher Einschließung dem
Falle nahe war. Damit war aber England noch nicht zufrieden. Es forderte
auch die Räumung von Farrah, Sebsawar und Churru, wohin Persien in der
letzten Zeit Garnisonen gelegt hatte, und Übergabe der Feste Ghvriau an
Kamercm, den Fürsten von Herat. Vergebens machten die persischen Minister
namentlich in betreff Ghvrians Vorstellungen, indem sie nachwiesen, dasselbe
gehöre nicht zu Afghanistan. Die Engländer erwiederten, dieser westlich vou
Herat gelegene Punkt sei ebenso wichtig wie dieses selbst. Die Gegend da¬
zwischen sei sehr fruchtbar, während westlich und nördlich davon sich Wüsten
erstreckten. Hätten die Perser Ghorian im Besitze, so würden sie die Heratis
aushungern und belästigen, auch ganz Afghanistan, vorzüglich aber dessen west¬
liche Teile in Aufregung erhalten können. Solange sie Ghoriau behielten,
würden sie hoffen dürfen, sich bei Gelegenheit Herats und selbst Kandahars
zu bemächtigen. Umsonst schickte mau von Teheran Hussein Chan als Unter¬
händler "ach London, es wurde ihm schon auf dem Wege, dnrch die britischen
Botschafter in Wien und Paris, angedeutet, man werde ihn nur nach Annahme
aller Forderungen Englands offiziell empfangen. Eine Denkschrift, in welcher
er seinen Auftrag darlegte und welche er durch Vermittelung des Fürsten Metter-
nich an Palmerston gelangen ließ, wurde von diesem ohne Antwort zurückgeschickt.
Auch der Versuch, durch Verwendung Rußlands mildere Bedingungen zu er¬
halten, mißglückte und zog den Absendern nur einen derben Verweis zu. Die
Freundschaft Persiens, erklärte Palmersto", habe für ihn nur wenig Wert, da¬
gegen bedürfe Persien der englischen Allianz, und die müsse der Schah sich
dnrch Eingehen ans alle ihm angesvnnenen Bedingungen erkaufen. Wie könne


in der Nähe von Buschir am persischen Golf ein englisches Geschwader mit
indischen Soldaten, die sich, ohne daß vorher eine Kriegserklärung erfolgt wäre,
der Insel Chnrek bemächtigten. Die Perser waren empört über dieses rechtlose
Verfahren. Mac Neit aber schrieb dem Minister des Schah, die Besitznahme
Herats, sowie jede Unternehmung gegen Afghanistan sei eine Kriegserklärung
gegen England, und mir von dem Verhalten des Schah werde es abhängen,
ob dem Vorgehen gegen Charek weitere Maßregeln folgen würden oder nicht.
Nur unverzügliche Bewilligung der britischen Forderungen könne Persien davor
schützen. Zu gleicher Zeit schrieb der Gesandte an eine Anzahl angesehener
Personen und ersuchte sie, dein Volke zu verkünden, daß die von seiner Re-
gierung verfügten Feindseligkeiten nur Folgen der Unbesonnenheit des Schah
Muhammed, nicht aber gegen das persische Volk gerichtet seien, gegen das sie
nur wohlwollende Gefühle hege. Man sieht, die Engländer verschmähten kein
Mittel zu ihrem Zweck, auch nicht die Aufreizung von Unterthanen gegen ihren
Gebieter.

Dem Schah Muhammed blieb, dn Rußland wohl mit ihm angreifen, nicht
aber ihn offen verteidigen wollte, jetzt leine andre Wahl als Nachgiebigkeit.
Er zog von Herat ab, als die Stadt nach mehrmonatlicher Einschließung dem
Falle nahe war. Damit war aber England noch nicht zufrieden. Es forderte
auch die Räumung von Farrah, Sebsawar und Churru, wohin Persien in der
letzten Zeit Garnisonen gelegt hatte, und Übergabe der Feste Ghvriau an
Kamercm, den Fürsten von Herat. Vergebens machten die persischen Minister
namentlich in betreff Ghvrians Vorstellungen, indem sie nachwiesen, dasselbe
gehöre nicht zu Afghanistan. Die Engländer erwiederten, dieser westlich vou
Herat gelegene Punkt sei ebenso wichtig wie dieses selbst. Die Gegend da¬
zwischen sei sehr fruchtbar, während westlich und nördlich davon sich Wüsten
erstreckten. Hätten die Perser Ghorian im Besitze, so würden sie die Heratis
aushungern und belästigen, auch ganz Afghanistan, vorzüglich aber dessen west¬
liche Teile in Aufregung erhalten können. Solange sie Ghoriau behielten,
würden sie hoffen dürfen, sich bei Gelegenheit Herats und selbst Kandahars
zu bemächtigen. Umsonst schickte mau von Teheran Hussein Chan als Unter¬
händler »ach London, es wurde ihm schon auf dem Wege, dnrch die britischen
Botschafter in Wien und Paris, angedeutet, man werde ihn nur nach Annahme
aller Forderungen Englands offiziell empfangen. Eine Denkschrift, in welcher
er seinen Auftrag darlegte und welche er durch Vermittelung des Fürsten Metter-
nich an Palmerston gelangen ließ, wurde von diesem ohne Antwort zurückgeschickt.
Auch der Versuch, durch Verwendung Rußlands mildere Bedingungen zu er¬
halten, mißglückte und zog den Absendern nur einen derben Verweis zu. Die
Freundschaft Persiens, erklärte Palmersto», habe für ihn nur wenig Wert, da¬
gegen bedürfe Persien der englischen Allianz, und die müsse der Schah sich
dnrch Eingehen ans alle ihm angesvnnenen Bedingungen erkaufen. Wie könne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/10>, abgerufen am 21.06.2024.