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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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'Karl Gottlieb Svarez.

der treue Mitarbeiter von Svarez blieb. Da Klein gleichfalls ein Breslciuer
war, so bildeten die Gesetzesarbeiter inmitten der Hauptstadt eine Art schlesischer
Kolonie, welche von der Berliner Juristenwelt anfangs nicht mit großem Ver¬
trauen betrachtet wurde. Die Arbeitsteilung zwischen jenen Männern kann man
in der Art bezeichnen, daß Klein der Sammler, Svarez der eigentliche Arbeiter,
Carmer aber der Mann war, dessen Geist, Einsicht und Eifer das ganze
Unternehmen belebte. Kleinere Teile wurden auch von letzterem selbständig be¬
arbeitet oder umgearbeitet.

Die Grundsätze, nach welchen Svarez arbeitete, legte er gleich anfangs in
einem Promemoria nieder. Er verlangte nicht allein Deutlichkeit und Kürze,
sondern auch "Vollständigkeit" eines Gesetzbuches. Diese aber verstand er dahin,
daß "jeder Folgesatz, zu welchem man nur durch eine Reihe von Schlüssen
gelangen könne, als eine besondre Position wirklich exprimirt werde." In
diesem Sinne bearbeitete nun Svarez unter Mitwirkung Carmers eine Abteilung
nach der andern. Die fertige Abteilung wurde der Gesetzkvmmissivn zur Be¬
gutachtung mitgeteilt, auch öffentlich bekannt gemacht mit der Aufforderung,
Mouna eiuzuschickeu. Die eingegangenen Erinnerungen gaben für Svarez die
Grundlage zu neuen Bearbeitungen. So wurde das Werk mit der größten
allseitigen Anstrengung gefördert.

Die äußere Geschichte des Werkes läßt sich in drei Perioden zerlegen.
Die erste umfaßt die Arbeitsjahre noch bei Lebzeiten Friedrichs des Großen;
die zweite die Zeit uuter Friedrich Wilhelm dem Zweiten bis zur Publikation
des "Allgemeinen Gesetzbuches"; die dritte eine eigentümliche Nachgeschichte,
welche das reife Werk nochmals zum Gegenstände politischen Getriebes machte.

Es kann nicht bezweifelt werden, daß sowohl Carmer als Svarez sich zu
den Grundsätzen der "Aufklärung," wie sie das vorige Jahrhundert verstand,
bekannten, wenn sie auch dieselben durchaus maßvoll vertraten. Solange der
große König regierte, hatten sie deshalb freies Fahrwasser. Der König inter-
essirte sich in hohem Maße für ihre Arbeiten. Als ihm Carmer Ende 1783
die erste Hälfte des Werkes als Probe der Arbeit vorlegte, dankte er ihm durch
eine noch vorhandene Kabinetsordre. Aber in dein gesunden Sinne des Königs
regte sich doch schon ein gewisser Zweifel. Als man im März 1785 die zweite
Abteilung des Persvnenrechts ihm einsandte, schrieb Friedrich eigeuhündig darauf:
"es ist aber Sehr Dicke und gesetze müssen kurtz und nicht Weitläuftig seindt."
Das war eine Kritik, die wohl auch heute noch bei manchem, der dem Land-
rcchie gegenüber sich eine objektive Stellung bewahrt hat, Anklang finden wird.
Svarez ließ sich aber dadurch nicht irremachen. In der zu Berlin bestehenden
"MiMvochsgesellschaft" hielt er kurz darauf einen Vortrag: "Inwiefern müssen
Gesetze kurz sein?" worin er seine Ansichten und seine Methode verteidigte.

Nicht lange nachher war der große König heimgegangen. Unter seinem
Nachfolger machte sich sehr bald ein andrer Geist fühlbar. Zwar verhielt sich


'Karl Gottlieb Svarez.

der treue Mitarbeiter von Svarez blieb. Da Klein gleichfalls ein Breslciuer
war, so bildeten die Gesetzesarbeiter inmitten der Hauptstadt eine Art schlesischer
Kolonie, welche von der Berliner Juristenwelt anfangs nicht mit großem Ver¬
trauen betrachtet wurde. Die Arbeitsteilung zwischen jenen Männern kann man
in der Art bezeichnen, daß Klein der Sammler, Svarez der eigentliche Arbeiter,
Carmer aber der Mann war, dessen Geist, Einsicht und Eifer das ganze
Unternehmen belebte. Kleinere Teile wurden auch von letzterem selbständig be¬
arbeitet oder umgearbeitet.

Die Grundsätze, nach welchen Svarez arbeitete, legte er gleich anfangs in
einem Promemoria nieder. Er verlangte nicht allein Deutlichkeit und Kürze,
sondern auch „Vollständigkeit" eines Gesetzbuches. Diese aber verstand er dahin,
daß „jeder Folgesatz, zu welchem man nur durch eine Reihe von Schlüssen
gelangen könne, als eine besondre Position wirklich exprimirt werde." In
diesem Sinne bearbeitete nun Svarez unter Mitwirkung Carmers eine Abteilung
nach der andern. Die fertige Abteilung wurde der Gesetzkvmmissivn zur Be¬
gutachtung mitgeteilt, auch öffentlich bekannt gemacht mit der Aufforderung,
Mouna eiuzuschickeu. Die eingegangenen Erinnerungen gaben für Svarez die
Grundlage zu neuen Bearbeitungen. So wurde das Werk mit der größten
allseitigen Anstrengung gefördert.

Die äußere Geschichte des Werkes läßt sich in drei Perioden zerlegen.
Die erste umfaßt die Arbeitsjahre noch bei Lebzeiten Friedrichs des Großen;
die zweite die Zeit uuter Friedrich Wilhelm dem Zweiten bis zur Publikation
des „Allgemeinen Gesetzbuches"; die dritte eine eigentümliche Nachgeschichte,
welche das reife Werk nochmals zum Gegenstände politischen Getriebes machte.

Es kann nicht bezweifelt werden, daß sowohl Carmer als Svarez sich zu
den Grundsätzen der „Aufklärung," wie sie das vorige Jahrhundert verstand,
bekannten, wenn sie auch dieselben durchaus maßvoll vertraten. Solange der
große König regierte, hatten sie deshalb freies Fahrwasser. Der König inter-
essirte sich in hohem Maße für ihre Arbeiten. Als ihm Carmer Ende 1783
die erste Hälfte des Werkes als Probe der Arbeit vorlegte, dankte er ihm durch
eine noch vorhandene Kabinetsordre. Aber in dein gesunden Sinne des Königs
regte sich doch schon ein gewisser Zweifel. Als man im März 1785 die zweite
Abteilung des Persvnenrechts ihm einsandte, schrieb Friedrich eigeuhündig darauf:
„es ist aber Sehr Dicke und gesetze müssen kurtz und nicht Weitläuftig seindt."
Das war eine Kritik, die wohl auch heute noch bei manchem, der dem Land-
rcchie gegenüber sich eine objektive Stellung bewahrt hat, Anklang finden wird.
Svarez ließ sich aber dadurch nicht irremachen. In der zu Berlin bestehenden
„MiMvochsgesellschaft" hielt er kurz darauf einen Vortrag: „Inwiefern müssen
Gesetze kurz sein?" worin er seine Ansichten und seine Methode verteidigte.

Nicht lange nachher war der große König heimgegangen. Unter seinem
Nachfolger machte sich sehr bald ein andrer Geist fühlbar. Zwar verhielt sich


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[0678] 'Karl Gottlieb Svarez. der treue Mitarbeiter von Svarez blieb. Da Klein gleichfalls ein Breslciuer war, so bildeten die Gesetzesarbeiter inmitten der Hauptstadt eine Art schlesischer Kolonie, welche von der Berliner Juristenwelt anfangs nicht mit großem Ver¬ trauen betrachtet wurde. Die Arbeitsteilung zwischen jenen Männern kann man in der Art bezeichnen, daß Klein der Sammler, Svarez der eigentliche Arbeiter, Carmer aber der Mann war, dessen Geist, Einsicht und Eifer das ganze Unternehmen belebte. Kleinere Teile wurden auch von letzterem selbständig be¬ arbeitet oder umgearbeitet. Die Grundsätze, nach welchen Svarez arbeitete, legte er gleich anfangs in einem Promemoria nieder. Er verlangte nicht allein Deutlichkeit und Kürze, sondern auch „Vollständigkeit" eines Gesetzbuches. Diese aber verstand er dahin, daß „jeder Folgesatz, zu welchem man nur durch eine Reihe von Schlüssen gelangen könne, als eine besondre Position wirklich exprimirt werde." In diesem Sinne bearbeitete nun Svarez unter Mitwirkung Carmers eine Abteilung nach der andern. Die fertige Abteilung wurde der Gesetzkvmmissivn zur Be¬ gutachtung mitgeteilt, auch öffentlich bekannt gemacht mit der Aufforderung, Mouna eiuzuschickeu. Die eingegangenen Erinnerungen gaben für Svarez die Grundlage zu neuen Bearbeitungen. So wurde das Werk mit der größten allseitigen Anstrengung gefördert. Die äußere Geschichte des Werkes läßt sich in drei Perioden zerlegen. Die erste umfaßt die Arbeitsjahre noch bei Lebzeiten Friedrichs des Großen; die zweite die Zeit uuter Friedrich Wilhelm dem Zweiten bis zur Publikation des „Allgemeinen Gesetzbuches"; die dritte eine eigentümliche Nachgeschichte, welche das reife Werk nochmals zum Gegenstände politischen Getriebes machte. Es kann nicht bezweifelt werden, daß sowohl Carmer als Svarez sich zu den Grundsätzen der „Aufklärung," wie sie das vorige Jahrhundert verstand, bekannten, wenn sie auch dieselben durchaus maßvoll vertraten. Solange der große König regierte, hatten sie deshalb freies Fahrwasser. Der König inter- essirte sich in hohem Maße für ihre Arbeiten. Als ihm Carmer Ende 1783 die erste Hälfte des Werkes als Probe der Arbeit vorlegte, dankte er ihm durch eine noch vorhandene Kabinetsordre. Aber in dein gesunden Sinne des Königs regte sich doch schon ein gewisser Zweifel. Als man im März 1785 die zweite Abteilung des Persvnenrechts ihm einsandte, schrieb Friedrich eigeuhündig darauf: „es ist aber Sehr Dicke und gesetze müssen kurtz und nicht Weitläuftig seindt." Das war eine Kritik, die wohl auch heute noch bei manchem, der dem Land- rcchie gegenüber sich eine objektive Stellung bewahrt hat, Anklang finden wird. Svarez ließ sich aber dadurch nicht irremachen. In der zu Berlin bestehenden „MiMvochsgesellschaft" hielt er kurz darauf einen Vortrag: „Inwiefern müssen Gesetze kurz sein?" worin er seine Ansichten und seine Methode verteidigte. Nicht lange nachher war der große König heimgegangen. Unter seinem Nachfolger machte sich sehr bald ein andrer Geist fühlbar. Zwar verhielt sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/678>, abgerufen am 27.06.2024.