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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

Warum für mich? sagte sie mit einem verlegneu Erröten. Sie war, indem
sie so fragte, in Wirklichkeit ein Inbegriff aller weiblichen Lieblichkeit, und Giu¬
seppe Gonzaga stammelte als Antwort, mit glühenden Wangen und mit Blicken
anbetender Inbrunst, nur die Worte: Weil Ihr eben seid, wie Ihr seid, Fioritn
Bnonaeolsi.

Das Gespräch stockte einige Augenblicke. Florida hatte ein noch zu kind¬
liches Herz, um zu wissen, was sie antworten sollte, und Giuseppe Gonzaga,
dem das Aussprechen des schrecklichen Geständnisses bevorstand, er habe sie
vorhin belogen, suchte ebenfalls umsonst nach der rechten Wendung, mit der
sich dieses unerläßliche Bekenntnis einleiten ließ.

Verstehe ich Euch recht, nahm Florida unsichern Tones das Wort, denn
er hatte während jener leidenschaftlichen Huldigung ihre auf dem Tische ruhende
Hand leise in die seinige gezogen, und sie mußte daran denken, daß der nächt¬
liche Besuch doch vor allem nur von Politik hatte handeln sollen, verstehe ich
Euch recht, so wolltet Ihr sagen, es sei Euch bei meinem und meines armen
Vaters Anblick schwer aufs Herz gefallen, daß den ehemals in Mantua ?M
mächtigen noch niemand Beistand gegen ihre Unterdrücker geleistet habe.

Giuseppe Gonzaga biß sich auf die Lippen. Er seufzte.

Erzählet mir, bat er; o wie Ihr schon seid, Florida Bnonaeolst! Wie
konnten die Schicksalsmächte die Jugend eines solchen Engels mit Wolken so
düsterer Art verschütten! Erzählet mir von Euerm Leben in Mantua, von
Eltern Vater, von Eurer Mutter, von Euern Schwestern, Eltern Brüdern --

Ich habe keine Brüder --

Ganz recht, und Eure Schwestern? Nicht wahr, Ihr seid die jüngste?

Ich habe auch keine Schwestern.

Ihr seid das einzige Kind Eurer Eltern, Florida, ich wußte es ja! Wo
habe ich meine Gedanken! Aber Eure Mutter ist doch noch am Leben? Ihr
seid nicht die Einzige, die um Eltern Vater ist?

Ich bin allein um meinen Vater!

Giuseppe zog ihre Hand an seine Lippen. Er war bewegt bis ans den
Grund seiner Seele. Arme Florida! sagte er; nein, Ihr sollt Euch nicht in
Giuseppe Gonzaga getäuscht haben. Sagte ich vorhin zuviel, als ich v"u einem
Plane sprach, in den ich Euch einweihen wollte -- hier hebe ich meine Hand
gen Himmel: dieser Arm, der bisher so lässig gewesen ist, er soll nicht ruhen,
bis ich Euch eingesetzt habe in Eure Rechte, gleichviel um welchen Preis!

Er war aufgesprungen. Sein Auge blitzte. Edleres Feuer, als seit langem
auf seiner Stirn gebrannt hatte, flammte in seinen Mienen.

Wir Veroneser Gonzagas, fuhr er fort, haben, wie alle in ihren Herrscher¬
ansprüchen Verkürzten, den Freibrief für die große Heerstraße der Verschwörer.
Wenn ich aus der Art schlug, statt wie so manche meiner Borfahren den hoch¬
mütigen Vettern in dem Pcilazzo del Te die Nachtruhe zu verderben, so trug


Um eine Perle.

Warum für mich? sagte sie mit einem verlegneu Erröten. Sie war, indem
sie so fragte, in Wirklichkeit ein Inbegriff aller weiblichen Lieblichkeit, und Giu¬
seppe Gonzaga stammelte als Antwort, mit glühenden Wangen und mit Blicken
anbetender Inbrunst, nur die Worte: Weil Ihr eben seid, wie Ihr seid, Fioritn
Bnonaeolsi.

Das Gespräch stockte einige Augenblicke. Florida hatte ein noch zu kind¬
liches Herz, um zu wissen, was sie antworten sollte, und Giuseppe Gonzaga,
dem das Aussprechen des schrecklichen Geständnisses bevorstand, er habe sie
vorhin belogen, suchte ebenfalls umsonst nach der rechten Wendung, mit der
sich dieses unerläßliche Bekenntnis einleiten ließ.

Verstehe ich Euch recht, nahm Florida unsichern Tones das Wort, denn
er hatte während jener leidenschaftlichen Huldigung ihre auf dem Tische ruhende
Hand leise in die seinige gezogen, und sie mußte daran denken, daß der nächt¬
liche Besuch doch vor allem nur von Politik hatte handeln sollen, verstehe ich
Euch recht, so wolltet Ihr sagen, es sei Euch bei meinem und meines armen
Vaters Anblick schwer aufs Herz gefallen, daß den ehemals in Mantua ?M
mächtigen noch niemand Beistand gegen ihre Unterdrücker geleistet habe.

Giuseppe Gonzaga biß sich auf die Lippen. Er seufzte.

Erzählet mir, bat er; o wie Ihr schon seid, Florida Bnonaeolst! Wie
konnten die Schicksalsmächte die Jugend eines solchen Engels mit Wolken so
düsterer Art verschütten! Erzählet mir von Euerm Leben in Mantua, von
Eltern Vater, von Eurer Mutter, von Euern Schwestern, Eltern Brüdern —

Ich habe keine Brüder —

Ganz recht, und Eure Schwestern? Nicht wahr, Ihr seid die jüngste?

Ich habe auch keine Schwestern.

Ihr seid das einzige Kind Eurer Eltern, Florida, ich wußte es ja! Wo
habe ich meine Gedanken! Aber Eure Mutter ist doch noch am Leben? Ihr
seid nicht die Einzige, die um Eltern Vater ist?

Ich bin allein um meinen Vater!

Giuseppe zog ihre Hand an seine Lippen. Er war bewegt bis ans den
Grund seiner Seele. Arme Florida! sagte er; nein, Ihr sollt Euch nicht in
Giuseppe Gonzaga getäuscht haben. Sagte ich vorhin zuviel, als ich v«u einem
Plane sprach, in den ich Euch einweihen wollte — hier hebe ich meine Hand
gen Himmel: dieser Arm, der bisher so lässig gewesen ist, er soll nicht ruhen,
bis ich Euch eingesetzt habe in Eure Rechte, gleichviel um welchen Preis!

Er war aufgesprungen. Sein Auge blitzte. Edleres Feuer, als seit langem
auf seiner Stirn gebrannt hatte, flammte in seinen Mienen.

Wir Veroneser Gonzagas, fuhr er fort, haben, wie alle in ihren Herrscher¬
ansprüchen Verkürzten, den Freibrief für die große Heerstraße der Verschwörer.
Wenn ich aus der Art schlug, statt wie so manche meiner Borfahren den hoch¬
mütigen Vettern in dem Pcilazzo del Te die Nachtruhe zu verderben, so trug


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[0643] Um eine Perle. Warum für mich? sagte sie mit einem verlegneu Erröten. Sie war, indem sie so fragte, in Wirklichkeit ein Inbegriff aller weiblichen Lieblichkeit, und Giu¬ seppe Gonzaga stammelte als Antwort, mit glühenden Wangen und mit Blicken anbetender Inbrunst, nur die Worte: Weil Ihr eben seid, wie Ihr seid, Fioritn Bnonaeolsi. Das Gespräch stockte einige Augenblicke. Florida hatte ein noch zu kind¬ liches Herz, um zu wissen, was sie antworten sollte, und Giuseppe Gonzaga, dem das Aussprechen des schrecklichen Geständnisses bevorstand, er habe sie vorhin belogen, suchte ebenfalls umsonst nach der rechten Wendung, mit der sich dieses unerläßliche Bekenntnis einleiten ließ. Verstehe ich Euch recht, nahm Florida unsichern Tones das Wort, denn er hatte während jener leidenschaftlichen Huldigung ihre auf dem Tische ruhende Hand leise in die seinige gezogen, und sie mußte daran denken, daß der nächt¬ liche Besuch doch vor allem nur von Politik hatte handeln sollen, verstehe ich Euch recht, so wolltet Ihr sagen, es sei Euch bei meinem und meines armen Vaters Anblick schwer aufs Herz gefallen, daß den ehemals in Mantua ?M mächtigen noch niemand Beistand gegen ihre Unterdrücker geleistet habe. Giuseppe Gonzaga biß sich auf die Lippen. Er seufzte. Erzählet mir, bat er; o wie Ihr schon seid, Florida Bnonaeolst! Wie konnten die Schicksalsmächte die Jugend eines solchen Engels mit Wolken so düsterer Art verschütten! Erzählet mir von Euerm Leben in Mantua, von Eltern Vater, von Eurer Mutter, von Euern Schwestern, Eltern Brüdern — Ich habe keine Brüder — Ganz recht, und Eure Schwestern? Nicht wahr, Ihr seid die jüngste? Ich habe auch keine Schwestern. Ihr seid das einzige Kind Eurer Eltern, Florida, ich wußte es ja! Wo habe ich meine Gedanken! Aber Eure Mutter ist doch noch am Leben? Ihr seid nicht die Einzige, die um Eltern Vater ist? Ich bin allein um meinen Vater! Giuseppe zog ihre Hand an seine Lippen. Er war bewegt bis ans den Grund seiner Seele. Arme Florida! sagte er; nein, Ihr sollt Euch nicht in Giuseppe Gonzaga getäuscht haben. Sagte ich vorhin zuviel, als ich v«u einem Plane sprach, in den ich Euch einweihen wollte — hier hebe ich meine Hand gen Himmel: dieser Arm, der bisher so lässig gewesen ist, er soll nicht ruhen, bis ich Euch eingesetzt habe in Eure Rechte, gleichviel um welchen Preis! Er war aufgesprungen. Sein Auge blitzte. Edleres Feuer, als seit langem auf seiner Stirn gebrannt hatte, flammte in seinen Mienen. Wir Veroneser Gonzagas, fuhr er fort, haben, wie alle in ihren Herrscher¬ ansprüchen Verkürzten, den Freibrief für die große Heerstraße der Verschwörer. Wenn ich aus der Art schlug, statt wie so manche meiner Borfahren den hoch¬ mütigen Vettern in dem Pcilazzo del Te die Nachtruhe zu verderben, so trug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/643>, abgerufen am 22.07.2024.