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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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^>eier der Große iir neuer Veleuchrmig.

fordert er vom Volk Leistungen, die über dessen Kräfte gehen, so verfehlt er
sein Ziel, so verdunkelt er die sittliche Idee, und sein Streben wird zu tyran¬
nischer Willkür. Ein nicht unerheblicher Teil von Peters Wirken trügt das
Zeichen solcher thrannischeu Willkür um sich. sEs war noch nicht die Kraft,
die Schulung, das Bedürfnis vorhanden, welche seiue Reformen voraussetzten.s
Und dennoch hat die Welt, hat das russische Volk ihm bereitwillig deu Namen
des Großen gegönnt. Sein Volk hat die Willkür und Tyrannei schnell ver¬
gessen und nur sein hohes Streben im Gedächtnisse bewahrt."

Auf die Abschnitte referirend einzugehen, welche sich mit Rußland uuter
Peters Nachfolgern beschäftigen, müssen wir uns versagen. Wir begnügen uns,
zu bemerken, daß auch sie das Studium von Geschichtsfreunden und Politikern
verdienen. Das Ergebnis, mit welchem unsre Schrift schließt, ist folgendes:
"Nicht in der Rückkehr zu deu staatlichen und kirchlichen Einrichtungen Alexe!
Romanows swelchc die Aksakvffsche "Nationalpartei" empfiehlt und erstrebts
wird eine wirkliche Abwendung von dem bestehen, was Peter übles in seinen
Staatsbäu hineinlegte -- vielmehr in der Abwendung von der kriegerisch er¬
obernden äußeren und von der national erobernden innern Verrnssungspvlitik,
im Abbrüche des Beamtenstaates, in der Schöpfung selbständiger Volksklassen,
vor allem kräftiger leitender Stände, in der Befreiung des religiösen und des
lokalen Volkslebens, in der Vernichtung der despotischen Zentralisation, in der
Auflösung der unhaltbaren Einheit des Riesenreiches, in der Rückkehr zu deu
wirklichen russischen Volksinteressen, die noch heute ihre Heimat in Moskau,
"bei den Gräbern ihrer Altväter," nicht in der Fremdenstadt Peters des Großen
haben. Denn die wirkliche Freiheit ist nur vorhanden in dem örtlichen und
provinziellen Geist, in der Ungleichheit der Klassen, der Aufsichtsämter und der
Gewalten selbst. Die Einheit ist der mehr oder minder glänzend gekleidete
Despotismus."




^>eier der Große iir neuer Veleuchrmig.

fordert er vom Volk Leistungen, die über dessen Kräfte gehen, so verfehlt er
sein Ziel, so verdunkelt er die sittliche Idee, und sein Streben wird zu tyran¬
nischer Willkür. Ein nicht unerheblicher Teil von Peters Wirken trügt das
Zeichen solcher thrannischeu Willkür um sich. sEs war noch nicht die Kraft,
die Schulung, das Bedürfnis vorhanden, welche seiue Reformen voraussetzten.s
Und dennoch hat die Welt, hat das russische Volk ihm bereitwillig deu Namen
des Großen gegönnt. Sein Volk hat die Willkür und Tyrannei schnell ver¬
gessen und nur sein hohes Streben im Gedächtnisse bewahrt."

Auf die Abschnitte referirend einzugehen, welche sich mit Rußland uuter
Peters Nachfolgern beschäftigen, müssen wir uns versagen. Wir begnügen uns,
zu bemerken, daß auch sie das Studium von Geschichtsfreunden und Politikern
verdienen. Das Ergebnis, mit welchem unsre Schrift schließt, ist folgendes:
„Nicht in der Rückkehr zu deu staatlichen und kirchlichen Einrichtungen Alexe!
Romanows swelchc die Aksakvffsche »Nationalpartei« empfiehlt und erstrebts
wird eine wirkliche Abwendung von dem bestehen, was Peter übles in seinen
Staatsbäu hineinlegte — vielmehr in der Abwendung von der kriegerisch er¬
obernden äußeren und von der national erobernden innern Verrnssungspvlitik,
im Abbrüche des Beamtenstaates, in der Schöpfung selbständiger Volksklassen,
vor allem kräftiger leitender Stände, in der Befreiung des religiösen und des
lokalen Volkslebens, in der Vernichtung der despotischen Zentralisation, in der
Auflösung der unhaltbaren Einheit des Riesenreiches, in der Rückkehr zu deu
wirklichen russischen Volksinteressen, die noch heute ihre Heimat in Moskau,
»bei den Gräbern ihrer Altväter,« nicht in der Fremdenstadt Peters des Großen
haben. Denn die wirkliche Freiheit ist nur vorhanden in dem örtlichen und
provinziellen Geist, in der Ungleichheit der Klassen, der Aufsichtsämter und der
Gewalten selbst. Die Einheit ist der mehr oder minder glänzend gekleidete
Despotismus."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/640>, abgerufen am 22.07.2024.