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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Äußere und innere Kolonisation.

sirung Von gewissen Seiten heftig bekämpft werden würde. Ob die preußische
Negierung beim Landtage eine Mehrheit für eine reformirte Erbpacht finden
würde, ist nicht unzweifelhaft, obwohl die Aussichten dafür heute erheblich besser
sind als früher. Außer den Konservativen würde ein erheblicher Teil der ge¬
mäßigt Liberalen zustimmen.*) Die Mehrzahl der "Deutsch-Freisinnigen" würde
wahrscheinlich vor der Wiederbelebung dieser "mittelalterlichen Rechtsform" zurück¬
schrecken. Die Haltung des Zentrums ist schwer vorauszusagen, da sie sich in der
Regel nicht nach Gründen, die in der Sache selbst liegen, regelt, und, falls außer¬
dem die Wiedereinführung der Erbpacht direkt mit dem Zwecke der Germanisirung
in Zusammenhang gebracht werden würde, wahrscheinlich erhebliche Opposition zu
erwarten wäre. Viele werden auch vor den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten und
Kosten eines Unternehmens, welches vielleicht für lange Jahre eine fehr bedeu¬
tende Vermehrung der Negierungsthätigkeit verlangt, zurückschrecken. Aber diesen
Kleinmütigen ist entgegenzuhalten: Sollen Preußens Könige, deren Thätigkeit
für das Wohl des deutschen Volkes immer umfang- und segensreicher geworden
ist, nicht mehr imstande sein, das zu vollbringen, was ihren Vorgängern ge¬
lungen ist? Ich erinnere daran, daß Albrecht der Bär mit großem Erfolg die
slavischen Gebiete der Provinz Brandenburg mit freien deutschen und nieder¬
ländischen Erbzinsbauern besiedelt und germanisirt hat. Ich erinnere an die
gleiche erfolgreiche Thätigkeit des Großen Kurfürsten und Friedrichs des Großen
in andern Provinzen. Gerade die größten preußischen Fürsten haben Großes
auf diesem Gebiete geleistet. In manchen Beziehungen mögen die Schwierig¬
keiten gewachsen sein: wir haben z. B. höhere Bvdenpreise, mehr entgegen¬
stehende Privatrechte, vielleicht auch größere Volksdichtigkeit in den zu besie¬
delnden Gebieten. Es ist auch nicht zu verkennen, daß unsre heutige Verfassung
dem Vorgehen eines energischen Fürsten einen Hemmschuh anlegen kann. Mit
diesen Schwierigkeiten läuft aber auch eine gewaltige Steigerung der Mittel
parallel. Die heutige Negierung besitzt, um nur zweierlei hervorzuheben, er¬
heblich bessergeschulte und zuverlässigere Beamte^) und ausgiebigere pekuniäre
Mittel. Freilich nach den Vorgängen in der jüngsten Neichstagssessivn könnte
man glauben, das deutsche Reich oder Preußen befinde sich in einer pekuniären
Klemme. Aber wenn es sich um produktive Anlagen handelt, wenn es gilt,
Samen in die Zukunft zu säen, so besitzen wir, wie Fürst Bismarck mit Recht
im Reichstage erklärt hat, immer noch reichliche Mittel, mögen auch sonst noch
so schwere Lasten zu tragen sein. Ob die vorgeschlagene Maßregel insofern




*) Miguel hat die Abschaffung der Erbpacht schon vor Jahren, beklagt.
Der Mißerfolg der Vererbpnchtung preußischer Domänen zu Anfange des vorigen
Jahrhunderts z. B. ist vielfach dem Widerstreben unredlicher, am Fortbestehen der Zeit-
Pachtungen interessirten Kammcrbecnnter zuzuschreiben. iVcrgl. die obenerwähnte Schrift
S. 25.)
Äußere und innere Kolonisation.

sirung Von gewissen Seiten heftig bekämpft werden würde. Ob die preußische
Negierung beim Landtage eine Mehrheit für eine reformirte Erbpacht finden
würde, ist nicht unzweifelhaft, obwohl die Aussichten dafür heute erheblich besser
sind als früher. Außer den Konservativen würde ein erheblicher Teil der ge¬
mäßigt Liberalen zustimmen.*) Die Mehrzahl der „Deutsch-Freisinnigen" würde
wahrscheinlich vor der Wiederbelebung dieser „mittelalterlichen Rechtsform" zurück¬
schrecken. Die Haltung des Zentrums ist schwer vorauszusagen, da sie sich in der
Regel nicht nach Gründen, die in der Sache selbst liegen, regelt, und, falls außer¬
dem die Wiedereinführung der Erbpacht direkt mit dem Zwecke der Germanisirung
in Zusammenhang gebracht werden würde, wahrscheinlich erhebliche Opposition zu
erwarten wäre. Viele werden auch vor den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten und
Kosten eines Unternehmens, welches vielleicht für lange Jahre eine fehr bedeu¬
tende Vermehrung der Negierungsthätigkeit verlangt, zurückschrecken. Aber diesen
Kleinmütigen ist entgegenzuhalten: Sollen Preußens Könige, deren Thätigkeit
für das Wohl des deutschen Volkes immer umfang- und segensreicher geworden
ist, nicht mehr imstande sein, das zu vollbringen, was ihren Vorgängern ge¬
lungen ist? Ich erinnere daran, daß Albrecht der Bär mit großem Erfolg die
slavischen Gebiete der Provinz Brandenburg mit freien deutschen und nieder¬
ländischen Erbzinsbauern besiedelt und germanisirt hat. Ich erinnere an die
gleiche erfolgreiche Thätigkeit des Großen Kurfürsten und Friedrichs des Großen
in andern Provinzen. Gerade die größten preußischen Fürsten haben Großes
auf diesem Gebiete geleistet. In manchen Beziehungen mögen die Schwierig¬
keiten gewachsen sein: wir haben z. B. höhere Bvdenpreise, mehr entgegen¬
stehende Privatrechte, vielleicht auch größere Volksdichtigkeit in den zu besie¬
delnden Gebieten. Es ist auch nicht zu verkennen, daß unsre heutige Verfassung
dem Vorgehen eines energischen Fürsten einen Hemmschuh anlegen kann. Mit
diesen Schwierigkeiten läuft aber auch eine gewaltige Steigerung der Mittel
parallel. Die heutige Negierung besitzt, um nur zweierlei hervorzuheben, er¬
heblich bessergeschulte und zuverlässigere Beamte^) und ausgiebigere pekuniäre
Mittel. Freilich nach den Vorgängen in der jüngsten Neichstagssessivn könnte
man glauben, das deutsche Reich oder Preußen befinde sich in einer pekuniären
Klemme. Aber wenn es sich um produktive Anlagen handelt, wenn es gilt,
Samen in die Zukunft zu säen, so besitzen wir, wie Fürst Bismarck mit Recht
im Reichstage erklärt hat, immer noch reichliche Mittel, mögen auch sonst noch
so schwere Lasten zu tragen sein. Ob die vorgeschlagene Maßregel insofern




*) Miguel hat die Abschaffung der Erbpacht schon vor Jahren, beklagt.
Der Mißerfolg der Vererbpnchtung preußischer Domänen zu Anfange des vorigen
Jahrhunderts z. B. ist vielfach dem Widerstreben unredlicher, am Fortbestehen der Zeit-
Pachtungen interessirten Kammcrbecnnter zuzuschreiben. iVcrgl. die obenerwähnte Schrift
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[0622] Äußere und innere Kolonisation. sirung Von gewissen Seiten heftig bekämpft werden würde. Ob die preußische Negierung beim Landtage eine Mehrheit für eine reformirte Erbpacht finden würde, ist nicht unzweifelhaft, obwohl die Aussichten dafür heute erheblich besser sind als früher. Außer den Konservativen würde ein erheblicher Teil der ge¬ mäßigt Liberalen zustimmen.*) Die Mehrzahl der „Deutsch-Freisinnigen" würde wahrscheinlich vor der Wiederbelebung dieser „mittelalterlichen Rechtsform" zurück¬ schrecken. Die Haltung des Zentrums ist schwer vorauszusagen, da sie sich in der Regel nicht nach Gründen, die in der Sache selbst liegen, regelt, und, falls außer¬ dem die Wiedereinführung der Erbpacht direkt mit dem Zwecke der Germanisirung in Zusammenhang gebracht werden würde, wahrscheinlich erhebliche Opposition zu erwarten wäre. Viele werden auch vor den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten und Kosten eines Unternehmens, welches vielleicht für lange Jahre eine fehr bedeu¬ tende Vermehrung der Negierungsthätigkeit verlangt, zurückschrecken. Aber diesen Kleinmütigen ist entgegenzuhalten: Sollen Preußens Könige, deren Thätigkeit für das Wohl des deutschen Volkes immer umfang- und segensreicher geworden ist, nicht mehr imstande sein, das zu vollbringen, was ihren Vorgängern ge¬ lungen ist? Ich erinnere daran, daß Albrecht der Bär mit großem Erfolg die slavischen Gebiete der Provinz Brandenburg mit freien deutschen und nieder¬ ländischen Erbzinsbauern besiedelt und germanisirt hat. Ich erinnere an die gleiche erfolgreiche Thätigkeit des Großen Kurfürsten und Friedrichs des Großen in andern Provinzen. Gerade die größten preußischen Fürsten haben Großes auf diesem Gebiete geleistet. In manchen Beziehungen mögen die Schwierig¬ keiten gewachsen sein: wir haben z. B. höhere Bvdenpreise, mehr entgegen¬ stehende Privatrechte, vielleicht auch größere Volksdichtigkeit in den zu besie¬ delnden Gebieten. Es ist auch nicht zu verkennen, daß unsre heutige Verfassung dem Vorgehen eines energischen Fürsten einen Hemmschuh anlegen kann. Mit diesen Schwierigkeiten läuft aber auch eine gewaltige Steigerung der Mittel parallel. Die heutige Negierung besitzt, um nur zweierlei hervorzuheben, er¬ heblich bessergeschulte und zuverlässigere Beamte^) und ausgiebigere pekuniäre Mittel. Freilich nach den Vorgängen in der jüngsten Neichstagssessivn könnte man glauben, das deutsche Reich oder Preußen befinde sich in einer pekuniären Klemme. Aber wenn es sich um produktive Anlagen handelt, wenn es gilt, Samen in die Zukunft zu säen, so besitzen wir, wie Fürst Bismarck mit Recht im Reichstage erklärt hat, immer noch reichliche Mittel, mögen auch sonst noch so schwere Lasten zu tragen sein. Ob die vorgeschlagene Maßregel insofern *) Miguel hat die Abschaffung der Erbpacht schon vor Jahren, beklagt. Der Mißerfolg der Vererbpnchtung preußischer Domänen zu Anfange des vorigen Jahrhunderts z. B. ist vielfach dem Widerstreben unredlicher, am Fortbestehen der Zeit- Pachtungen interessirten Kammcrbecnnter zuzuschreiben. iVcrgl. die obenerwähnte Schrift S. 25.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/622>, abgerufen am 23.07.2024.