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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine perle.

Auch Beppo war erstaunt, vor allem aber über den Wahn seines Herrn,
es lasse sich von diesem Schwiudelgerüst ans nun sofort ein Fenster ersteigen.

Mit aller Behutsamkeit kleidete er diesen Einwand in Worte.

Das möglich zu machen, ist deine Sache, rief Giuseppe; ich habe deinen
Witz diesmal meilenweit überholt; jetzt spanne einmal alle Pferde vor, die in
deinem dicken Schädel vor der Krippe stehen. Oder bist du noch immer vom
Wein umnebelt?

Nicht im mindesten, Euer Herrlichkeit. Gestattet, daß ich auf zwei kurze
Minuten verschwinde.

Wohin?

Aber fort war er.

Giuseppe patronillirte ans und ab. Ihm war sehr unbehaglich zu Mute.
Er hatte manchen Schelmenstreich begangen, und die jungen Edelleute von
Verona waren ja überhaupt ans hundert Meilen im Umkreise bei den Damen
als Abenteurer berüchtigt oder -- je nachdem -- berühmt. Aber das Mittel,
durch welches er Florida Buonacvlsi ins Netz zu locken gesucht hatte, war -- er
sagte sichs mit Zähneknirschen -- so unritterlich, wie es nur ein feiler Schurke,
wie es uur ein Beppo hätte ersinnen dürfen. IZu, öl",! Pfui! stieß er un¬
wirsch heraus und ballte die Faust. Ein Gonzaga und auf bübischer Schleich¬
wegen !

Noch schritt er wie ein im Käfig eingesperrtes Tier der Wüste in wilder
Bewegung auf und ab, da ließen sich in der Ferne Schritte vernehmen.

Giuseppe wandte das Haupt. Vier Gestalten kamen näher; um der Stimme
der einen erkannte er den Sänger von vorhin; der Padnaner führte mit vielen
Reverenzen ihn und seine Genossen seinem Herrn wieder zu.

Eure Herrlichkeit, sagte er, diese braven Leute wollen die Güte haben, vor
dem Albergo Sanmichele noch einige Proben ihrer Kunst abzulegen. Belieben
Euer Gnaden die Laterne, wenn wir in die Nähe des Albergo kommen, unter
Euerm Mantel zu verbergen, denn wir zwei, Euer Gnaden und ich, werden,
dem Albergo gegenüber, aus irgendeinem Winkel verstohlen zu beobachten haben,
wer sich an den Fenstern zeigt.

Es soll uns eine Ehre sein, Euer Herrlichkeit zu dienen, bestätigte der
Sänger; er hatte schon vorhin die Manieren des Mannes im Mantel als die
eines Kavaliers zu erkennen geglaubt.

Giuseppe verstand nicht ganz, was Beppo im Schilde führe, aber er hatte,
wie er fühlte, sich selbst so schlecht beraten, daß er mit einem Dank an das
dienstwillige Terzett diesem und dem verschlagensten aller zweibeinigen Veroneser
Spürhunde das Weitere überließ.

Gehenkten Kopfes folgte er den lautlos ihm Vorauswcindelnden. Er war
entschlossen, die nächste Gelegenheit zum Enttäuschen Floridas zu benutzen.




Um eine perle.

Auch Beppo war erstaunt, vor allem aber über den Wahn seines Herrn,
es lasse sich von diesem Schwiudelgerüst ans nun sofort ein Fenster ersteigen.

Mit aller Behutsamkeit kleidete er diesen Einwand in Worte.

Das möglich zu machen, ist deine Sache, rief Giuseppe; ich habe deinen
Witz diesmal meilenweit überholt; jetzt spanne einmal alle Pferde vor, die in
deinem dicken Schädel vor der Krippe stehen. Oder bist du noch immer vom
Wein umnebelt?

Nicht im mindesten, Euer Herrlichkeit. Gestattet, daß ich auf zwei kurze
Minuten verschwinde.

Wohin?

Aber fort war er.

Giuseppe patronillirte ans und ab. Ihm war sehr unbehaglich zu Mute.
Er hatte manchen Schelmenstreich begangen, und die jungen Edelleute von
Verona waren ja überhaupt ans hundert Meilen im Umkreise bei den Damen
als Abenteurer berüchtigt oder — je nachdem — berühmt. Aber das Mittel,
durch welches er Florida Buonacvlsi ins Netz zu locken gesucht hatte, war — er
sagte sichs mit Zähneknirschen — so unritterlich, wie es nur ein feiler Schurke,
wie es uur ein Beppo hätte ersinnen dürfen. IZu, öl«,! Pfui! stieß er un¬
wirsch heraus und ballte die Faust. Ein Gonzaga und auf bübischer Schleich¬
wegen !

Noch schritt er wie ein im Käfig eingesperrtes Tier der Wüste in wilder
Bewegung auf und ab, da ließen sich in der Ferne Schritte vernehmen.

Giuseppe wandte das Haupt. Vier Gestalten kamen näher; um der Stimme
der einen erkannte er den Sänger von vorhin; der Padnaner führte mit vielen
Reverenzen ihn und seine Genossen seinem Herrn wieder zu.

Eure Herrlichkeit, sagte er, diese braven Leute wollen die Güte haben, vor
dem Albergo Sanmichele noch einige Proben ihrer Kunst abzulegen. Belieben
Euer Gnaden die Laterne, wenn wir in die Nähe des Albergo kommen, unter
Euerm Mantel zu verbergen, denn wir zwei, Euer Gnaden und ich, werden,
dem Albergo gegenüber, aus irgendeinem Winkel verstohlen zu beobachten haben,
wer sich an den Fenstern zeigt.

Es soll uns eine Ehre sein, Euer Herrlichkeit zu dienen, bestätigte der
Sänger; er hatte schon vorhin die Manieren des Mannes im Mantel als die
eines Kavaliers zu erkennen geglaubt.

Giuseppe verstand nicht ganz, was Beppo im Schilde führe, aber er hatte,
wie er fühlte, sich selbst so schlecht beraten, daß er mit einem Dank an das
dienstwillige Terzett diesem und dem verschlagensten aller zweibeinigen Veroneser
Spürhunde das Weitere überließ.

Gehenkten Kopfes folgte er den lautlos ihm Vorauswcindelnden. Er war
entschlossen, die nächste Gelegenheit zum Enttäuschen Floridas zu benutzen.




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[0594] Um eine perle. Auch Beppo war erstaunt, vor allem aber über den Wahn seines Herrn, es lasse sich von diesem Schwiudelgerüst ans nun sofort ein Fenster ersteigen. Mit aller Behutsamkeit kleidete er diesen Einwand in Worte. Das möglich zu machen, ist deine Sache, rief Giuseppe; ich habe deinen Witz diesmal meilenweit überholt; jetzt spanne einmal alle Pferde vor, die in deinem dicken Schädel vor der Krippe stehen. Oder bist du noch immer vom Wein umnebelt? Nicht im mindesten, Euer Herrlichkeit. Gestattet, daß ich auf zwei kurze Minuten verschwinde. Wohin? Aber fort war er. Giuseppe patronillirte ans und ab. Ihm war sehr unbehaglich zu Mute. Er hatte manchen Schelmenstreich begangen, und die jungen Edelleute von Verona waren ja überhaupt ans hundert Meilen im Umkreise bei den Damen als Abenteurer berüchtigt oder — je nachdem — berühmt. Aber das Mittel, durch welches er Florida Buonacvlsi ins Netz zu locken gesucht hatte, war — er sagte sichs mit Zähneknirschen — so unritterlich, wie es nur ein feiler Schurke, wie es uur ein Beppo hätte ersinnen dürfen. IZu, öl«,! Pfui! stieß er un¬ wirsch heraus und ballte die Faust. Ein Gonzaga und auf bübischer Schleich¬ wegen ! Noch schritt er wie ein im Käfig eingesperrtes Tier der Wüste in wilder Bewegung auf und ab, da ließen sich in der Ferne Schritte vernehmen. Giuseppe wandte das Haupt. Vier Gestalten kamen näher; um der Stimme der einen erkannte er den Sänger von vorhin; der Padnaner führte mit vielen Reverenzen ihn und seine Genossen seinem Herrn wieder zu. Eure Herrlichkeit, sagte er, diese braven Leute wollen die Güte haben, vor dem Albergo Sanmichele noch einige Proben ihrer Kunst abzulegen. Belieben Euer Gnaden die Laterne, wenn wir in die Nähe des Albergo kommen, unter Euerm Mantel zu verbergen, denn wir zwei, Euer Gnaden und ich, werden, dem Albergo gegenüber, aus irgendeinem Winkel verstohlen zu beobachten haben, wer sich an den Fenstern zeigt. Es soll uns eine Ehre sein, Euer Herrlichkeit zu dienen, bestätigte der Sänger; er hatte schon vorhin die Manieren des Mannes im Mantel als die eines Kavaliers zu erkennen geglaubt. Giuseppe verstand nicht ganz, was Beppo im Schilde führe, aber er hatte, wie er fühlte, sich selbst so schlecht beraten, daß er mit einem Dank an das dienstwillige Terzett diesem und dem verschlagensten aller zweibeinigen Veroneser Spürhunde das Weitere überließ. Gehenkten Kopfes folgte er den lautlos ihm Vorauswcindelnden. Er war entschlossen, die nächste Gelegenheit zum Enttäuschen Floridas zu benutzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/594>, abgerufen am 22.07.2024.