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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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seine Freunde dem von ihm in seinem beschaulichen Alleinsein gestörten Signore
vorzustellen. Über Ginlietta, seine liebe Braut, die Tochter des Wciuwirts zum
steinernen Cappello -- denn das Haus der Cappuletti war es wiederum, vor
welchem diese Szene sich abspielte --, fügte er hinzu, dieselbe werde, aus Rück¬
sicht auf ihren in Coruegliauo angestellten Paten, namens Lievito, der einen
Teil der Aussteuer bestreite, erst im nächsten Jahre, wo ihm ein Urlaub zu¬
gesichert sei, heiraten können, sie aber wie auch ihr Zukünftiger, der in diesem
Augenblicke die Ehre habe, dem Signore aufzuwarten, sie beide seien leiden¬
schaftliche Musikfreunde, und so werde der etwas lange Brautstand denn mit
Hilfe seiner lieben Freunde zu Nachtmusiken fleißig benutzt.

Damit empfahl sich mit höflichem Verneigen das mit seinem Tagewerke
nun vergnüglich fertige Terzett, und Giuseppe Gonzaga war wieder mit seinen
Gedanken allein. Sie waren keine erbaulichen. Der Gegensatz zwischen diesem
ehrbar unschuldigen Liebeshandel und demjenigen, der ihn beschäftigte, hielt ihn
eine gute Weile in unerquicklichen Betrachtungen fest. Endlich rief er wieder
ärgerlich uach dem Paduaner und sprang unmutig von seinem steinernen
Sitze auf.

Der Gerufene hatte seine durch die wiederholten Traufen arg mitgenommen
gewesene Toilette wieder in Ordnung gebracht und war von seinem Rausche
völlig genesen.

Euer Gnaden danke ich für gütige Nachsicht, sagte er mit tiefem Bücklinge,
und bitte meiner Besferuugsvvrsätze versichert z" sein.

Lassen wir das, versetzte Giuseppe, bist du endlich klaren Geistes?

So klar wie ein Spiegel aus Pisaner Krystall!

Leus. Mache mir es auf der Stelle möglich, daß ich in Florida Buona-
colsis Nähe gelange.

Schon wieder, Signore?

Wie du hörest.

Aben eben kommen Euer Gnaden ja erst von ihr.

Und auf der Stelle sollst du Rat schaffen, daß ich sie im Geheimen
sprechen kann.

Da bitte ich vor allem Euer Gnaden, mir zu sagen, ob Ihr mit dem
Fräulein einig geworden seid.

Du sollst alles wissen. So also bin ich verfahren.

Und Giuseppe Gonzaga wiederholte genau die Phantasmagorien, die er
in der Geschwindigkeit improvisirt hatte, zu seinem eignen Erstaunen, wie er
bekannte, denn sonst immer gewohnt, Veppo in solchen Angelegenheiten statt
seiner den Schlachtplan entwerfen zu lasten, habe er eigentlich seinen Weg nicht
klar vor sich gesehen und begreife nachträglich selbst nicht, wie er solchen Riesen¬
bau von Erfindungen unter dem Einflüsse des drängenden Augenblickes habe zu¬
sammenzimmern können.


seine Freunde dem von ihm in seinem beschaulichen Alleinsein gestörten Signore
vorzustellen. Über Ginlietta, seine liebe Braut, die Tochter des Wciuwirts zum
steinernen Cappello — denn das Haus der Cappuletti war es wiederum, vor
welchem diese Szene sich abspielte —, fügte er hinzu, dieselbe werde, aus Rück¬
sicht auf ihren in Coruegliauo angestellten Paten, namens Lievito, der einen
Teil der Aussteuer bestreite, erst im nächsten Jahre, wo ihm ein Urlaub zu¬
gesichert sei, heiraten können, sie aber wie auch ihr Zukünftiger, der in diesem
Augenblicke die Ehre habe, dem Signore aufzuwarten, sie beide seien leiden¬
schaftliche Musikfreunde, und so werde der etwas lange Brautstand denn mit
Hilfe seiner lieben Freunde zu Nachtmusiken fleißig benutzt.

Damit empfahl sich mit höflichem Verneigen das mit seinem Tagewerke
nun vergnüglich fertige Terzett, und Giuseppe Gonzaga war wieder mit seinen
Gedanken allein. Sie waren keine erbaulichen. Der Gegensatz zwischen diesem
ehrbar unschuldigen Liebeshandel und demjenigen, der ihn beschäftigte, hielt ihn
eine gute Weile in unerquicklichen Betrachtungen fest. Endlich rief er wieder
ärgerlich uach dem Paduaner und sprang unmutig von seinem steinernen
Sitze auf.

Der Gerufene hatte seine durch die wiederholten Traufen arg mitgenommen
gewesene Toilette wieder in Ordnung gebracht und war von seinem Rausche
völlig genesen.

Euer Gnaden danke ich für gütige Nachsicht, sagte er mit tiefem Bücklinge,
und bitte meiner Besferuugsvvrsätze versichert z» sein.

Lassen wir das, versetzte Giuseppe, bist du endlich klaren Geistes?

So klar wie ein Spiegel aus Pisaner Krystall!

Leus. Mache mir es auf der Stelle möglich, daß ich in Florida Buona-
colsis Nähe gelange.

Schon wieder, Signore?

Wie du hörest.

Aben eben kommen Euer Gnaden ja erst von ihr.

Und auf der Stelle sollst du Rat schaffen, daß ich sie im Geheimen
sprechen kann.

Da bitte ich vor allem Euer Gnaden, mir zu sagen, ob Ihr mit dem
Fräulein einig geworden seid.

Du sollst alles wissen. So also bin ich verfahren.

Und Giuseppe Gonzaga wiederholte genau die Phantasmagorien, die er
in der Geschwindigkeit improvisirt hatte, zu seinem eignen Erstaunen, wie er
bekannte, denn sonst immer gewohnt, Veppo in solchen Angelegenheiten statt
seiner den Schlachtplan entwerfen zu lasten, habe er eigentlich seinen Weg nicht
klar vor sich gesehen und begreife nachträglich selbst nicht, wie er solchen Riesen¬
bau von Erfindungen unter dem Einflüsse des drängenden Augenblickes habe zu¬
sammenzimmern können.


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[0593] seine Freunde dem von ihm in seinem beschaulichen Alleinsein gestörten Signore vorzustellen. Über Ginlietta, seine liebe Braut, die Tochter des Wciuwirts zum steinernen Cappello — denn das Haus der Cappuletti war es wiederum, vor welchem diese Szene sich abspielte —, fügte er hinzu, dieselbe werde, aus Rück¬ sicht auf ihren in Coruegliauo angestellten Paten, namens Lievito, der einen Teil der Aussteuer bestreite, erst im nächsten Jahre, wo ihm ein Urlaub zu¬ gesichert sei, heiraten können, sie aber wie auch ihr Zukünftiger, der in diesem Augenblicke die Ehre habe, dem Signore aufzuwarten, sie beide seien leiden¬ schaftliche Musikfreunde, und so werde der etwas lange Brautstand denn mit Hilfe seiner lieben Freunde zu Nachtmusiken fleißig benutzt. Damit empfahl sich mit höflichem Verneigen das mit seinem Tagewerke nun vergnüglich fertige Terzett, und Giuseppe Gonzaga war wieder mit seinen Gedanken allein. Sie waren keine erbaulichen. Der Gegensatz zwischen diesem ehrbar unschuldigen Liebeshandel und demjenigen, der ihn beschäftigte, hielt ihn eine gute Weile in unerquicklichen Betrachtungen fest. Endlich rief er wieder ärgerlich uach dem Paduaner und sprang unmutig von seinem steinernen Sitze auf. Der Gerufene hatte seine durch die wiederholten Traufen arg mitgenommen gewesene Toilette wieder in Ordnung gebracht und war von seinem Rausche völlig genesen. Euer Gnaden danke ich für gütige Nachsicht, sagte er mit tiefem Bücklinge, und bitte meiner Besferuugsvvrsätze versichert z» sein. Lassen wir das, versetzte Giuseppe, bist du endlich klaren Geistes? So klar wie ein Spiegel aus Pisaner Krystall! Leus. Mache mir es auf der Stelle möglich, daß ich in Florida Buona- colsis Nähe gelange. Schon wieder, Signore? Wie du hörest. Aben eben kommen Euer Gnaden ja erst von ihr. Und auf der Stelle sollst du Rat schaffen, daß ich sie im Geheimen sprechen kann. Da bitte ich vor allem Euer Gnaden, mir zu sagen, ob Ihr mit dem Fräulein einig geworden seid. Du sollst alles wissen. So also bin ich verfahren. Und Giuseppe Gonzaga wiederholte genau die Phantasmagorien, die er in der Geschwindigkeit improvisirt hatte, zu seinem eignen Erstaunen, wie er bekannte, denn sonst immer gewohnt, Veppo in solchen Angelegenheiten statt seiner den Schlachtplan entwerfen zu lasten, habe er eigentlich seinen Weg nicht klar vor sich gesehen und begreife nachträglich selbst nicht, wie er solchen Riesen¬ bau von Erfindungen unter dem Einflüsse des drängenden Augenblickes habe zu¬ sammenzimmern können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/593>, abgerufen am 22.07.2024.