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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen,

fahlgrüner Joppe, Jagdstrümpfen und Bergschuhen; auch er hatte nur die nie¬
deren Klassen durchgemacht, aber draußen, im Walde, sich die Fakultäten geholt.

Die Gesetzteren nnter den Zuschauern und die, welche verständiger zu sein
meinten, belächelten solchen Geschmack der Straßenjugend; sie wendeten ihre
Aufmerksamkeit ganz andern Gestalten zu. Da war hier ein Ministerialrat,
der sehr einflußreich sein mußte, dort ein gestrenger Konsistoricilrat, dort ein Offi¬
zier vom Generalstabe, dort ein Schriftsteller, von dem es hieß, daß er berühmte
Romane habe drucken lassen, dort ein erzbischöflicher Kommissar, dort gar ein
General. Sie alle wurden von ihnen durch ehrfürchtiges Grüßen ausgezeichnet.

So feierten denn die Städter ihre Gäste, und der Himmel kam ihnen zu
Hilfe, denn ein feiner Sprühregen, der tagelang angedauert hatte, war kurz
vorher den ersehnten Sonnenstrahlen gewichen. Nun glitzerten die bepcrlten
Festranken wie mit unzähligen Edelsteinen besät.

Die Teilnehmer des Fcstzugcs bezeugten ihrerseits den ihnen entgegenkom¬
menden Städtern die größte Anerkennung. Diese steigerte sich bei den Studenten zu
lautesten Frcudenausrufen, als der Marktplatz erreicht war. Standen doch dort
vor dem stattlichen Gasthause zur "Krone" Damen im Festpntz, einheimische
und zugereiste, die älteren im Hintergründe, die jüngeren voran, unter ihnen
die reizendsten Fräuleins, von welchen wiederum eine in Veilchenblau als ganz
besonders begehrenswert erschien.

Auf diese nahegerückten Fcstjungfrauen mit ihrer unfreiwilligen Chorführerin
ergoß sich der Blumen- und Blättcrstrom zurück, der aus den Fcnsterspcndcn
aufgefangen worden war. Einige der kühnsten Korpsburschen wagten sich sogar
ans Augenblicke aus der Zugreihe heraus unmittelbar an die Seite der Hold¬
seliger, baten um einen Tanz auf dein für den Abend angesagten Balle oder
brachten sonst Artigkeiten an, denen die Veilchenblaue aber nur zu bald sich
entzog, weil sie ihr im Übermaß geboten wurden.

Als der Jahrgang 1849 herankam, eilte das veilchenblaue Fräulein ans
einen im Festzuge schreitenden ältlichen, aber noch rüstigen Herrn zu, einen
ausnehmend fein und stattlich aussehenden Kavalier, hängte sich an seinen Arm
mit dem Ausrufe: Vater, Bater! wie himmlisch das ist! und drückte sich zärtlich
an ihn. Dieser nahm sie anfangs wie zögernd ans, ließ sie aber gewähren,
nachdem er sich überzeugt hatte, daß auch andre Damen in den Zug eingereiht
worden waren, der nun wie mit bunten Blumen durchflochten aussah.

Hättest aber das weiße Barett nehmen sollen, Barbara, sagte er heimlich,
worauf sie erwiederte: Aber Vater, ich falle so schon mehr aus als --

Hierbei ließ er sie auf seine rechte Seite hinüber zu dem Generalstabs-
ofsizier, der neben ihm ging, stellte sie ihm vor. und dieser knüpfte alsbald ein
Gespräch mit ihr an.

Ein herrliches Mädchen, das am Arme Pipins! sagte einer aus demselben
Jahrgange zu seinem Nachbar.


Die Kommilitonen,

fahlgrüner Joppe, Jagdstrümpfen und Bergschuhen; auch er hatte nur die nie¬
deren Klassen durchgemacht, aber draußen, im Walde, sich die Fakultäten geholt.

Die Gesetzteren nnter den Zuschauern und die, welche verständiger zu sein
meinten, belächelten solchen Geschmack der Straßenjugend; sie wendeten ihre
Aufmerksamkeit ganz andern Gestalten zu. Da war hier ein Ministerialrat,
der sehr einflußreich sein mußte, dort ein gestrenger Konsistoricilrat, dort ein Offi¬
zier vom Generalstabe, dort ein Schriftsteller, von dem es hieß, daß er berühmte
Romane habe drucken lassen, dort ein erzbischöflicher Kommissar, dort gar ein
General. Sie alle wurden von ihnen durch ehrfürchtiges Grüßen ausgezeichnet.

So feierten denn die Städter ihre Gäste, und der Himmel kam ihnen zu
Hilfe, denn ein feiner Sprühregen, der tagelang angedauert hatte, war kurz
vorher den ersehnten Sonnenstrahlen gewichen. Nun glitzerten die bepcrlten
Festranken wie mit unzähligen Edelsteinen besät.

Die Teilnehmer des Fcstzugcs bezeugten ihrerseits den ihnen entgegenkom¬
menden Städtern die größte Anerkennung. Diese steigerte sich bei den Studenten zu
lautesten Frcudenausrufen, als der Marktplatz erreicht war. Standen doch dort
vor dem stattlichen Gasthause zur „Krone" Damen im Festpntz, einheimische
und zugereiste, die älteren im Hintergründe, die jüngeren voran, unter ihnen
die reizendsten Fräuleins, von welchen wiederum eine in Veilchenblau als ganz
besonders begehrenswert erschien.

Auf diese nahegerückten Fcstjungfrauen mit ihrer unfreiwilligen Chorführerin
ergoß sich der Blumen- und Blättcrstrom zurück, der aus den Fcnsterspcndcn
aufgefangen worden war. Einige der kühnsten Korpsburschen wagten sich sogar
ans Augenblicke aus der Zugreihe heraus unmittelbar an die Seite der Hold¬
seliger, baten um einen Tanz auf dein für den Abend angesagten Balle oder
brachten sonst Artigkeiten an, denen die Veilchenblaue aber nur zu bald sich
entzog, weil sie ihr im Übermaß geboten wurden.

Als der Jahrgang 1849 herankam, eilte das veilchenblaue Fräulein ans
einen im Festzuge schreitenden ältlichen, aber noch rüstigen Herrn zu, einen
ausnehmend fein und stattlich aussehenden Kavalier, hängte sich an seinen Arm
mit dem Ausrufe: Vater, Bater! wie himmlisch das ist! und drückte sich zärtlich
an ihn. Dieser nahm sie anfangs wie zögernd ans, ließ sie aber gewähren,
nachdem er sich überzeugt hatte, daß auch andre Damen in den Zug eingereiht
worden waren, der nun wie mit bunten Blumen durchflochten aussah.

Hättest aber das weiße Barett nehmen sollen, Barbara, sagte er heimlich,
worauf sie erwiederte: Aber Vater, ich falle so schon mehr aus als —

Hierbei ließ er sie auf seine rechte Seite hinüber zu dem Generalstabs-
ofsizier, der neben ihm ging, stellte sie ihm vor. und dieser knüpfte alsbald ein
Gespräch mit ihr an.

Ein herrliches Mädchen, das am Arme Pipins! sagte einer aus demselben
Jahrgange zu seinem Nachbar.


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[0059] Die Kommilitonen, fahlgrüner Joppe, Jagdstrümpfen und Bergschuhen; auch er hatte nur die nie¬ deren Klassen durchgemacht, aber draußen, im Walde, sich die Fakultäten geholt. Die Gesetzteren nnter den Zuschauern und die, welche verständiger zu sein meinten, belächelten solchen Geschmack der Straßenjugend; sie wendeten ihre Aufmerksamkeit ganz andern Gestalten zu. Da war hier ein Ministerialrat, der sehr einflußreich sein mußte, dort ein gestrenger Konsistoricilrat, dort ein Offi¬ zier vom Generalstabe, dort ein Schriftsteller, von dem es hieß, daß er berühmte Romane habe drucken lassen, dort ein erzbischöflicher Kommissar, dort gar ein General. Sie alle wurden von ihnen durch ehrfürchtiges Grüßen ausgezeichnet. So feierten denn die Städter ihre Gäste, und der Himmel kam ihnen zu Hilfe, denn ein feiner Sprühregen, der tagelang angedauert hatte, war kurz vorher den ersehnten Sonnenstrahlen gewichen. Nun glitzerten die bepcrlten Festranken wie mit unzähligen Edelsteinen besät. Die Teilnehmer des Fcstzugcs bezeugten ihrerseits den ihnen entgegenkom¬ menden Städtern die größte Anerkennung. Diese steigerte sich bei den Studenten zu lautesten Frcudenausrufen, als der Marktplatz erreicht war. Standen doch dort vor dem stattlichen Gasthause zur „Krone" Damen im Festpntz, einheimische und zugereiste, die älteren im Hintergründe, die jüngeren voran, unter ihnen die reizendsten Fräuleins, von welchen wiederum eine in Veilchenblau als ganz besonders begehrenswert erschien. Auf diese nahegerückten Fcstjungfrauen mit ihrer unfreiwilligen Chorführerin ergoß sich der Blumen- und Blättcrstrom zurück, der aus den Fcnsterspcndcn aufgefangen worden war. Einige der kühnsten Korpsburschen wagten sich sogar ans Augenblicke aus der Zugreihe heraus unmittelbar an die Seite der Hold¬ seliger, baten um einen Tanz auf dein für den Abend angesagten Balle oder brachten sonst Artigkeiten an, denen die Veilchenblaue aber nur zu bald sich entzog, weil sie ihr im Übermaß geboten wurden. Als der Jahrgang 1849 herankam, eilte das veilchenblaue Fräulein ans einen im Festzuge schreitenden ältlichen, aber noch rüstigen Herrn zu, einen ausnehmend fein und stattlich aussehenden Kavalier, hängte sich an seinen Arm mit dem Ausrufe: Vater, Bater! wie himmlisch das ist! und drückte sich zärtlich an ihn. Dieser nahm sie anfangs wie zögernd ans, ließ sie aber gewähren, nachdem er sich überzeugt hatte, daß auch andre Damen in den Zug eingereiht worden waren, der nun wie mit bunten Blumen durchflochten aussah. Hättest aber das weiße Barett nehmen sollen, Barbara, sagte er heimlich, worauf sie erwiederte: Aber Vater, ich falle so schon mehr aus als — Hierbei ließ er sie auf seine rechte Seite hinüber zu dem Generalstabs- ofsizier, der neben ihm ging, stellte sie ihm vor. und dieser knüpfte alsbald ein Gespräch mit ihr an. Ein herrliches Mädchen, das am Arme Pipins! sagte einer aus demselben Jahrgange zu seinem Nachbar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/59>, abgerufen am 22.07.2024.