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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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kann man bei jenen Vorverhandlungen nur Dinge sagen, die sofort veröffent¬
licht werden dürfen, so sind solche Verhandlungen zwecklos, und man thut wohl,
sie zu unterlassen und nur auf die englische Weise diplomatisch zu verkehren,
wobei im Grnnde der kostspielige Gesandte entbehrlich ist und ein Briefträger
genügt. Im vorliegenden Falle nun besaß Fürst Bismarck dem Lord Amthill
gegenüber jeues Vertrauen, welches Offenheit gestattet; auch fand er zunächst
keine Ursache, es dessen Nachfolger, Sir Edward Makel, zu versagen, und so
stand er nicht um, demselben rückhaltlos anzudeuten, daß ihm an Englands
Freundschaft gelegen sei, und daß er sie aufrichtig erstrebe. Der Maletsche
Bericht hierüber wurde aber in den Blaubüchern sogleich auszugsweise ver¬
öffentlicht, eine Indiskretion, die sich nur mit der Absicht Lord Granvilles er¬
klären zu lassen schien, in Frankreich Mißtrauen gegen die deutsche Politik zu
erwecken. Die englische Negierung hofft, so durfte mau vermuten, Frankreich
ihren Plänen gefügiger zu sehen, wenn dieses ein unfreundliches Deutschland
neben sich hat. Stehen beide ungefähr gleich starke Mächte sich feindlich
gegenüber, so wird der Überschuß an Kraft, den die eine noch gegen eine dritte
verwenden könnte, nicht bedeutend sein. Daher die Veröffentlichung des
Maletsche" Berichts. Aber die Berechnung, die dem wahrscheinlich zu gründe
lag, war eine durchaus irrige. Die Depesche des britischen Botschafters bewies
nur aufs neue die Geradheit der deutschen Politik. Am 5. Mai v. I. wurde
der Vertreter Deutschlands in London beauftragt, zu verstehen zu geben, wenn
England eine Verständigung mit uns ablehne, so würden wir es mit einer
Annäherung an Frankreich versuchen, und als man sich in Berlin überzeugte,
daß England sich wirklich dem deutschen Entgegenkommen versagte, wurde jener
Weg ohne Zögern eingeschlagen. Die Welt weiß, daß er zu guten Erfolgen ge¬
führt hat, zunächst zu einem Einvernehmen zwischen Deutschland und Fraukreich
über die Kvngofrcige und über die westafrikanische Konferenz, dann anch über
die ägyptische Angelegenheit. Hierin liegt nichts, was die Franzosen irgendwie
mißtrauisch gegen die Berliner Politik stimmen könnte, und der Maletsche Bericht
selbst zeigt ihnen, daß der Versuch, das gute Verhältnis zwischen ihrer Re¬
gierung und der unsrigen wieder zu locker", von Fürst Bismarck unter aus¬
drücklicher Beziehung auf die Frankreich gegenüber bestehenden Verpflichtungen
abgewiesen wurde.

Der Reichskanzler sprach gegen den Schluß seiner Rede hin die Hoffnung
aus, daß diese Episode samt der Verstimmung, die sich in England an sie
knüpfe, bald vorübergehen werde, und fuhr dann fort: "Ich suche ihren Grund
in der Erfahrung, daß man, wenn man überhaupt in übler Laune ist, die Ur¬
sache der Ereignisse, über die man verdrießlich ist, immer lieber bei andern als
bei sich selbst sucht. Aber ich werde thun, was in meinen Kräften steht, um
"ins irg, se stuckio in der versöhnlichsten Weise die Sache wieder in das Geleis
ruhigen und freundschaftlichen Verkehrs zu bringen, der zwischen uns und


kann man bei jenen Vorverhandlungen nur Dinge sagen, die sofort veröffent¬
licht werden dürfen, so sind solche Verhandlungen zwecklos, und man thut wohl,
sie zu unterlassen und nur auf die englische Weise diplomatisch zu verkehren,
wobei im Grnnde der kostspielige Gesandte entbehrlich ist und ein Briefträger
genügt. Im vorliegenden Falle nun besaß Fürst Bismarck dem Lord Amthill
gegenüber jeues Vertrauen, welches Offenheit gestattet; auch fand er zunächst
keine Ursache, es dessen Nachfolger, Sir Edward Makel, zu versagen, und so
stand er nicht um, demselben rückhaltlos anzudeuten, daß ihm an Englands
Freundschaft gelegen sei, und daß er sie aufrichtig erstrebe. Der Maletsche
Bericht hierüber wurde aber in den Blaubüchern sogleich auszugsweise ver¬
öffentlicht, eine Indiskretion, die sich nur mit der Absicht Lord Granvilles er¬
klären zu lassen schien, in Frankreich Mißtrauen gegen die deutsche Politik zu
erwecken. Die englische Negierung hofft, so durfte mau vermuten, Frankreich
ihren Plänen gefügiger zu sehen, wenn dieses ein unfreundliches Deutschland
neben sich hat. Stehen beide ungefähr gleich starke Mächte sich feindlich
gegenüber, so wird der Überschuß an Kraft, den die eine noch gegen eine dritte
verwenden könnte, nicht bedeutend sein. Daher die Veröffentlichung des
Maletsche» Berichts. Aber die Berechnung, die dem wahrscheinlich zu gründe
lag, war eine durchaus irrige. Die Depesche des britischen Botschafters bewies
nur aufs neue die Geradheit der deutschen Politik. Am 5. Mai v. I. wurde
der Vertreter Deutschlands in London beauftragt, zu verstehen zu geben, wenn
England eine Verständigung mit uns ablehne, so würden wir es mit einer
Annäherung an Frankreich versuchen, und als man sich in Berlin überzeugte,
daß England sich wirklich dem deutschen Entgegenkommen versagte, wurde jener
Weg ohne Zögern eingeschlagen. Die Welt weiß, daß er zu guten Erfolgen ge¬
führt hat, zunächst zu einem Einvernehmen zwischen Deutschland und Fraukreich
über die Kvngofrcige und über die westafrikanische Konferenz, dann anch über
die ägyptische Angelegenheit. Hierin liegt nichts, was die Franzosen irgendwie
mißtrauisch gegen die Berliner Politik stimmen könnte, und der Maletsche Bericht
selbst zeigt ihnen, daß der Versuch, das gute Verhältnis zwischen ihrer Re¬
gierung und der unsrigen wieder zu locker», von Fürst Bismarck unter aus¬
drücklicher Beziehung auf die Frankreich gegenüber bestehenden Verpflichtungen
abgewiesen wurde.

Der Reichskanzler sprach gegen den Schluß seiner Rede hin die Hoffnung
aus, daß diese Episode samt der Verstimmung, die sich in England an sie
knüpfe, bald vorübergehen werde, und fuhr dann fort: „Ich suche ihren Grund
in der Erfahrung, daß man, wenn man überhaupt in übler Laune ist, die Ur¬
sache der Ereignisse, über die man verdrießlich ist, immer lieber bei andern als
bei sich selbst sucht. Aber ich werde thun, was in meinen Kräften steht, um
«ins irg, se stuckio in der versöhnlichsten Weise die Sache wieder in das Geleis
ruhigen und freundschaftlichen Verkehrs zu bringen, der zwischen uns und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/559>, abgerufen am 22.07.2024.