Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Zur Revision manchesterlicher Lehren. Man könnte hierin eine der Volkswirtschaft günstige Konjunktur erblicken. Aufs neue sehen wir also, und es kann dies nicht oft und laut genug betont Allerdings wird oder kann mit der Zeit eine gewisse Ausgleichung ein¬ Pitalien gering, andernteils entziehe" sich die Assoziationen zwischen Unternehmern und Kapi¬
talisten doch großenteils der öffentlichen Beobachtung. Doch zeigen sie sich auch in dem hohen Kursstande rcntivcnder Jndustrieakticn. Zur Revision manchesterlicher Lehren. Man könnte hierin eine der Volkswirtschaft günstige Konjunktur erblicken. Aufs neue sehen wir also, und es kann dies nicht oft und laut genug betont Allerdings wird oder kann mit der Zeit eine gewisse Ausgleichung ein¬ Pitalien gering, andernteils entziehe» sich die Assoziationen zwischen Unternehmern und Kapi¬
talisten doch großenteils der öffentlichen Beobachtung. Doch zeigen sie sich auch in dem hohen Kursstande rcntivcnder Jndustrieakticn. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195188"/> <fw type="header" place="top"> Zur Revision manchesterlicher Lehren.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1887"> Man könnte hierin eine der Volkswirtschaft günstige Konjunktur erblicken.<lb/> Denn das Geschäft findet alsdann nicht nur billiges Kapital, sondern auch<lb/> größere Leichtigkeit, einen Teil der Gefahr durch Assoziirung auf den Kapitalisten<lb/> abzuwälzen oder, um eine andre Wendung zu gebrauchen, das Kapital ist willig,<lb/> sich, zumal bei größeren Unternehmungen, mit eignem Risiko einzulassen. Es<lb/> müßte also, so könnte man schließen, eine allgemeine Belebung und Steigerung<lb/> der Geschäfte die Folge sein, mithin auch eine vermehrte Frage nach Arbeitern<lb/> und eine Erhöhung des Arbeitslohnes. Allein diese Schlußfolgerung enthielte<lb/> eine arge Täuschung; sie wäre so falsch, wie überhaupt die Lehre, daß niedriger<lb/> Zins hohen Arbeitslohn zur Folge habe, oder überhaupt, daß Kapital Arbeit<lb/> erzeuge. Haben wir doch gesehen, daß der Zinsfuß eben nur darum niedrig<lb/> ist, weil die wirtschaftliche Thätigkeit des Volkes nicht hinreicht, um die zins-<lb/> snchenden Kapitalien genügend zu beschäftigen. Die bestehenden Unternehmungen<lb/> sind also um Arbeiter keineswegs verlegen, und ihre, der Unternehmer, Lage<lb/> ist — vorausgesetzt, daß es an Absatz nicht fehlt — umso günstiger, je tiefer<lb/> der Zinsfuß für das nötige Kapital steht. Der Unternehmer kann in dieser<lb/> Konjunktur den Arbeiter seine ganze Macht sühlen lassen und den Arbeitslohn<lb/> auf die niedrigste Stufe Herabdrücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1888"> Aufs neue sehen wir also, und es kann dies nicht oft und laut genug betont<lb/> werden, daß der Arbeiter durchaus kein dem Kapitalisten entgegengesetztes Inter¬<lb/> esse hat, vielmehr daß er leidet, wenn den Kapitalisten ein niedriger Zinsfuß<lb/> bedrückt, und daß er in der Negel höhern Lohn genießt, wenn sich das Kapital<lb/> eines höher» Zinses erfreut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1889" next="#ID_1890"> Allerdings wird oder kann mit der Zeit eine gewisse Ausgleichung ein¬<lb/> treten. Ein aufdringliches Angebot von Kapital wird die Produktion zu er¬<lb/> höhter Thätigkeit verführen und die vermehrte Produktion wird neben der<lb/> Steigerung des Zinsfußes auch eine vermehrte Nachfrage nach Arbeitern zur<lb/> Folge haben. Allein abgesehen davon, daß eine Vermehrung der Produktion<lb/> ans diesem Wege meist eine ungesunde sein wird, die zu einer Krise führen muß,<lb/> ist die Aussicht der Arbeiter auf Verbesserung ihrer Lage durch Maugel an<lb/> Arbeitskräften, d. h. durch Überwiegen der Nachfrage, im allgemeinen eine sehr<lb/> geringe. Im Verhalten zwischen Kapital und Unternehmer wird immer der¬<lb/> jenige Teil im Nachteil sein, der zu weit vorausgeeilt ist; das Kapital wird,<lb/> wenn es sich zu rasch vermehrt hat, an niedrigem Zinsfuß, die Produktion,<lb/> wenn sie über die Maßen gestiegen, an hohem Zinse leiden, und der voraus¬<lb/> geeilte Teil wird warten müssen, bis ihm der zurückgebliebene nachgekommen<lb/> ist. Anders dagegen steht es mit den Arbeitern; denn bei ihnen wirkt ein wei-</p><lb/> <note xml:id="FID_104" prev="#FID_103" place="foot"> Pitalien gering, andernteils entziehe» sich die Assoziationen zwischen Unternehmern und Kapi¬<lb/> talisten doch großenteils der öffentlichen Beobachtung. Doch zeigen sie sich auch in dem hohen<lb/> Kursstande rcntivcnder Jndustrieakticn.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Zur Revision manchesterlicher Lehren.
Man könnte hierin eine der Volkswirtschaft günstige Konjunktur erblicken.
Denn das Geschäft findet alsdann nicht nur billiges Kapital, sondern auch
größere Leichtigkeit, einen Teil der Gefahr durch Assoziirung auf den Kapitalisten
abzuwälzen oder, um eine andre Wendung zu gebrauchen, das Kapital ist willig,
sich, zumal bei größeren Unternehmungen, mit eignem Risiko einzulassen. Es
müßte also, so könnte man schließen, eine allgemeine Belebung und Steigerung
der Geschäfte die Folge sein, mithin auch eine vermehrte Frage nach Arbeitern
und eine Erhöhung des Arbeitslohnes. Allein diese Schlußfolgerung enthielte
eine arge Täuschung; sie wäre so falsch, wie überhaupt die Lehre, daß niedriger
Zins hohen Arbeitslohn zur Folge habe, oder überhaupt, daß Kapital Arbeit
erzeuge. Haben wir doch gesehen, daß der Zinsfuß eben nur darum niedrig
ist, weil die wirtschaftliche Thätigkeit des Volkes nicht hinreicht, um die zins-
snchenden Kapitalien genügend zu beschäftigen. Die bestehenden Unternehmungen
sind also um Arbeiter keineswegs verlegen, und ihre, der Unternehmer, Lage
ist — vorausgesetzt, daß es an Absatz nicht fehlt — umso günstiger, je tiefer
der Zinsfuß für das nötige Kapital steht. Der Unternehmer kann in dieser
Konjunktur den Arbeiter seine ganze Macht sühlen lassen und den Arbeitslohn
auf die niedrigste Stufe Herabdrücken.
Aufs neue sehen wir also, und es kann dies nicht oft und laut genug betont
werden, daß der Arbeiter durchaus kein dem Kapitalisten entgegengesetztes Inter¬
esse hat, vielmehr daß er leidet, wenn den Kapitalisten ein niedriger Zinsfuß
bedrückt, und daß er in der Negel höhern Lohn genießt, wenn sich das Kapital
eines höher» Zinses erfreut.
Allerdings wird oder kann mit der Zeit eine gewisse Ausgleichung ein¬
treten. Ein aufdringliches Angebot von Kapital wird die Produktion zu er¬
höhter Thätigkeit verführen und die vermehrte Produktion wird neben der
Steigerung des Zinsfußes auch eine vermehrte Nachfrage nach Arbeitern zur
Folge haben. Allein abgesehen davon, daß eine Vermehrung der Produktion
ans diesem Wege meist eine ungesunde sein wird, die zu einer Krise führen muß,
ist die Aussicht der Arbeiter auf Verbesserung ihrer Lage durch Maugel an
Arbeitskräften, d. h. durch Überwiegen der Nachfrage, im allgemeinen eine sehr
geringe. Im Verhalten zwischen Kapital und Unternehmer wird immer der¬
jenige Teil im Nachteil sein, der zu weit vorausgeeilt ist; das Kapital wird,
wenn es sich zu rasch vermehrt hat, an niedrigem Zinsfuß, die Produktion,
wenn sie über die Maßen gestiegen, an hohem Zinse leiden, und der voraus¬
geeilte Teil wird warten müssen, bis ihm der zurückgebliebene nachgekommen
ist. Anders dagegen steht es mit den Arbeitern; denn bei ihnen wirkt ein wei-
Pitalien gering, andernteils entziehe» sich die Assoziationen zwischen Unternehmern und Kapi¬
talisten doch großenteils der öffentlichen Beobachtung. Doch zeigen sie sich auch in dem hohen
Kursstande rcntivcnder Jndustrieakticn.
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