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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Schaffung des Eigentums an Grund und Boden oder doch in der Konfiszirnng
der Grundrente durch den Staat das einzige Mittel zur Lösung des sozialen
Problems zu suchen, sei, so schießt er über das Ziel, Denn nur das geschlossene,
starre, monopolistische, unveräußerliche Grundeigentum, wie es in England besteht
oder wie es eine zügellose Spekulation in seinem Vaterlande, den Vereinigten
Staaten, gestaltet, hat jene verderbliche Wirkung, die sich indessen wohl noch für
Jahrhunderte beseitigen läßt, wenn man das Grundeigentum von seinen Banden
erlöst und es dem freien Güterverkehr zugänglich macht.

Freilich in den aufblühenden Städten sieht man den Wert des Bodens oft
ins Unglaubliche wachsen. Allein wenn wir genau zusehen, so ist es doch nicht
das vermeintliche Gesetz der Bodenrenke, welches hier wirksam ist.

Der beste und der geringste Ackerboden bringt die nämliche Frucht hervor,
und der Unterschied besteht nur darin, daß auf dem geringen Boden ein
größerer Aufwand von Arbeit und Kapital erforderlich ist, oder daß bei gleichem
Aufwands die Menge des Ertrages geringer ist. Das Produkt bleibt immer ein
gleichartiges und die Bodenrenke besteht nach Ricardo ja eben in der Differenz
des Ertrages auf dem guten Grunde zum geringen Grunde bei gleichem Auf¬
wand?, und das Steigen der Bodenrenke besteht darin, daß immer geringeres
Land in Kultur genommen wird.

In den Städten dagegen verhält es sich ganz anders. Der Bauplatz am
Markte, am Bahnhof, überhaupt an den Mittelpunkten des Verkehrs, und das
darauf errichtete kostspielige Gebäude gewährt etwas qualitativ besseres als das
Haus an einem toten Ende der Stadt. Die günstige Lage erleichtert das Ge-
schäft, das Vergnügen, die Schaustellung des Luxus. Das prächtige, moderne
Gebäude gewährt bessere, bequemere, schönere Wohnung. und so erregen Lage
und Bauart eine starke Nachfrage unter den wohlhabenden Klassen, während
das Angebot verhältnismäßig gering bleibt. Daß hier eine höhere Leistung und
eine stärkere Nachfrage Grund der Preissteigerung ist, zeigt sich sehr deutlich,
wenn ein Verkehrszentrum, z. B. der Bahnhof, die Kaserne, das Justizgebüude
u. dergl. in einen andern Stadtteil verlegt wird, oder wenn die Stadt selbst
an Bedeutung einbüßt, weil sie aufhört, Sitz der Garnison, der Regierung zu
sein, oder weil der Handel andre Wege nimmt. Alsdann hört die Nachfrage
auf, der Wert der städtischen Immobilien sinkt, und nur was das Kapital durch
Errichtung des Gebäudes an Wert geschaffen, bleibt wenigstens teilweise als
ein Gewinn übrig. Es ist also klar, daß hier nicht das Gesetz der steigenden
Bodenrenke wirksam gewesen ist.

Sehen wir ab von dem Verhalten des städtischen Grundbesitzes, wo nicht
so sehr allgemeine Preissteigerung, als vielmehr Preisverschiebung in die Augen
fällt, oder doch die Preissteigerung Folge höherer Leistung ist, betrachten wir
also den Grundbesitz im allgemeinen, so wird nicht zu leugnen sein, daß der
Wert desselben, oder um genauer zu sprechen, sein Preis thatsächlich zuge-


Schaffung des Eigentums an Grund und Boden oder doch in der Konfiszirnng
der Grundrente durch den Staat das einzige Mittel zur Lösung des sozialen
Problems zu suchen, sei, so schießt er über das Ziel, Denn nur das geschlossene,
starre, monopolistische, unveräußerliche Grundeigentum, wie es in England besteht
oder wie es eine zügellose Spekulation in seinem Vaterlande, den Vereinigten
Staaten, gestaltet, hat jene verderbliche Wirkung, die sich indessen wohl noch für
Jahrhunderte beseitigen läßt, wenn man das Grundeigentum von seinen Banden
erlöst und es dem freien Güterverkehr zugänglich macht.

Freilich in den aufblühenden Städten sieht man den Wert des Bodens oft
ins Unglaubliche wachsen. Allein wenn wir genau zusehen, so ist es doch nicht
das vermeintliche Gesetz der Bodenrenke, welches hier wirksam ist.

Der beste und der geringste Ackerboden bringt die nämliche Frucht hervor,
und der Unterschied besteht nur darin, daß auf dem geringen Boden ein
größerer Aufwand von Arbeit und Kapital erforderlich ist, oder daß bei gleichem
Aufwands die Menge des Ertrages geringer ist. Das Produkt bleibt immer ein
gleichartiges und die Bodenrenke besteht nach Ricardo ja eben in der Differenz
des Ertrages auf dem guten Grunde zum geringen Grunde bei gleichem Auf¬
wand?, und das Steigen der Bodenrenke besteht darin, daß immer geringeres
Land in Kultur genommen wird.

In den Städten dagegen verhält es sich ganz anders. Der Bauplatz am
Markte, am Bahnhof, überhaupt an den Mittelpunkten des Verkehrs, und das
darauf errichtete kostspielige Gebäude gewährt etwas qualitativ besseres als das
Haus an einem toten Ende der Stadt. Die günstige Lage erleichtert das Ge-
schäft, das Vergnügen, die Schaustellung des Luxus. Das prächtige, moderne
Gebäude gewährt bessere, bequemere, schönere Wohnung. und so erregen Lage
und Bauart eine starke Nachfrage unter den wohlhabenden Klassen, während
das Angebot verhältnismäßig gering bleibt. Daß hier eine höhere Leistung und
eine stärkere Nachfrage Grund der Preissteigerung ist, zeigt sich sehr deutlich,
wenn ein Verkehrszentrum, z. B. der Bahnhof, die Kaserne, das Justizgebüude
u. dergl. in einen andern Stadtteil verlegt wird, oder wenn die Stadt selbst
an Bedeutung einbüßt, weil sie aufhört, Sitz der Garnison, der Regierung zu
sein, oder weil der Handel andre Wege nimmt. Alsdann hört die Nachfrage
auf, der Wert der städtischen Immobilien sinkt, und nur was das Kapital durch
Errichtung des Gebäudes an Wert geschaffen, bleibt wenigstens teilweise als
ein Gewinn übrig. Es ist also klar, daß hier nicht das Gesetz der steigenden
Bodenrenke wirksam gewesen ist.

Sehen wir ab von dem Verhalten des städtischen Grundbesitzes, wo nicht
so sehr allgemeine Preissteigerung, als vielmehr Preisverschiebung in die Augen
fällt, oder doch die Preissteigerung Folge höherer Leistung ist, betrachten wir
also den Grundbesitz im allgemeinen, so wird nicht zu leugnen sein, daß der
Wert desselben, oder um genauer zu sprechen, sein Preis thatsächlich zuge-


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[0454] Schaffung des Eigentums an Grund und Boden oder doch in der Konfiszirnng der Grundrente durch den Staat das einzige Mittel zur Lösung des sozialen Problems zu suchen, sei, so schießt er über das Ziel, Denn nur das geschlossene, starre, monopolistische, unveräußerliche Grundeigentum, wie es in England besteht oder wie es eine zügellose Spekulation in seinem Vaterlande, den Vereinigten Staaten, gestaltet, hat jene verderbliche Wirkung, die sich indessen wohl noch für Jahrhunderte beseitigen läßt, wenn man das Grundeigentum von seinen Banden erlöst und es dem freien Güterverkehr zugänglich macht. Freilich in den aufblühenden Städten sieht man den Wert des Bodens oft ins Unglaubliche wachsen. Allein wenn wir genau zusehen, so ist es doch nicht das vermeintliche Gesetz der Bodenrenke, welches hier wirksam ist. Der beste und der geringste Ackerboden bringt die nämliche Frucht hervor, und der Unterschied besteht nur darin, daß auf dem geringen Boden ein größerer Aufwand von Arbeit und Kapital erforderlich ist, oder daß bei gleichem Aufwands die Menge des Ertrages geringer ist. Das Produkt bleibt immer ein gleichartiges und die Bodenrenke besteht nach Ricardo ja eben in der Differenz des Ertrages auf dem guten Grunde zum geringen Grunde bei gleichem Auf¬ wand?, und das Steigen der Bodenrenke besteht darin, daß immer geringeres Land in Kultur genommen wird. In den Städten dagegen verhält es sich ganz anders. Der Bauplatz am Markte, am Bahnhof, überhaupt an den Mittelpunkten des Verkehrs, und das darauf errichtete kostspielige Gebäude gewährt etwas qualitativ besseres als das Haus an einem toten Ende der Stadt. Die günstige Lage erleichtert das Ge- schäft, das Vergnügen, die Schaustellung des Luxus. Das prächtige, moderne Gebäude gewährt bessere, bequemere, schönere Wohnung. und so erregen Lage und Bauart eine starke Nachfrage unter den wohlhabenden Klassen, während das Angebot verhältnismäßig gering bleibt. Daß hier eine höhere Leistung und eine stärkere Nachfrage Grund der Preissteigerung ist, zeigt sich sehr deutlich, wenn ein Verkehrszentrum, z. B. der Bahnhof, die Kaserne, das Justizgebüude u. dergl. in einen andern Stadtteil verlegt wird, oder wenn die Stadt selbst an Bedeutung einbüßt, weil sie aufhört, Sitz der Garnison, der Regierung zu sein, oder weil der Handel andre Wege nimmt. Alsdann hört die Nachfrage auf, der Wert der städtischen Immobilien sinkt, und nur was das Kapital durch Errichtung des Gebäudes an Wert geschaffen, bleibt wenigstens teilweise als ein Gewinn übrig. Es ist also klar, daß hier nicht das Gesetz der steigenden Bodenrenke wirksam gewesen ist. Sehen wir ab von dem Verhalten des städtischen Grundbesitzes, wo nicht so sehr allgemeine Preissteigerung, als vielmehr Preisverschiebung in die Augen fällt, oder doch die Preissteigerung Folge höherer Leistung ist, betrachten wir also den Grundbesitz im allgemeinen, so wird nicht zu leugnen sein, daß der Wert desselben, oder um genauer zu sprechen, sein Preis thatsächlich zuge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/454>, abgerufen am 23.07.2024.