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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Vie letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

sich reden läßt," nicht nur die Unterstützung der großen Geldkönige, besonders
eines gewissen Jay Gould, sondern war auch der Tammany-Hall viel angenehmer
als der Kandidat ihrer eignen Partei. Blaine gilt an und für sich für sehr
intelligent, als g. sins-re, man nach dem Herzen der Amerikaner; er soll auch
Persönlichkeit besitzen. Als diplomatischer Vertreter seines Landes in Chile und
Zentralamerika hat er zwar großsprecherisch und mit wenig Geschick agirt, doch
hätte man ihm dies in Anbetracht seiner sonstigen fing-rtusss verziehen. Auch
waren es nicht eigentlich die großartigen Bestechungen, die er als Sprecher des
Ilnitsä Le-Ms - Senats in Washington mit sich vornehmen ließ, und die scham¬
lose Ausnutzung seines Amtes zu eignem Vorteil, welche ihm das Genick
brachen. Man ist in diesem Lande hierin nicht so skrupulös, und was man
von Gebildeten, von Mitgliedern der bessern Gesellschaft bei Besprechung dieses
Punktes zu hören bekommt, geht weit über unsre Begriffe. Präsident Arthur
habe doch auch den denkbar schlechtesten Ruf gehabt, alles sei auf die größten
Unanständigkeiten gefaßt gewesen, und schließlich habe sich der Mann doch ganz
gut herausgemacht. Blaine habe allerdings sein Amt mißbraucht, das sei
ja wahr. Aber darin -- ja darin finde man hier eben nicht soviel u. s. w.
Ein Vollblutamerikaner aber fragt wohl mit pfiffigem Gesichtsausdruck ganz
ernsthaft: ^Vovlä u't, z^on nig-Ich g. ^ok>? (Würden Sie sich vielleicht ge-
niren, einen Schnitt zu machen?) So wäre denn bei James Blaine Esq. alles
g.11 riAtck gewesen, wäre diesem von den Sympathien seines Landes getragenen
Manne nicht ein unverdientes Mißgeschick widerfahren.

Die Briefe nämlich, die er während jener erwähnten Transaktionen an
"Geschäftsfreunde" geschrieben hatte, kamen ganz unvermutet an die Öffent¬
lichkeit und wirkten mit umso schneidenderer Ironie, als jeder von ihnen mit
den Worten schloß: Lurn tIÜ8 Isttsr! Sie wurden von Blaine und seiner Presse
zuerst verleugnet; endlich, als es nicht mehr anders ging, als "harmlos" an¬
erkannt ("nM)äy poulet alö tust)! So begann der Fluch der Lächerlichkeit
auf dem düpirten und schwankenden Manne zu lasten, der sich trotz aller Win¬
dungen fortwährend festgenagelt sah. Die ehrlichen Leute wurden in den
Blättern mit einemmale sehr gesprächig über einen starken Faustschlag in ihr
Gesicht, den sie schon vor einiger Zeit erhalten, aber bis dahin nicht ganz so
stark verspürt hatten; ?not aber, ein grausamer Witzbold -- die Leistungen
dieses Blattes stehen künstlerisch weit über unsern heimischen, doch kann es uns
trösten, daß sie von Deutschen herrühren -- ätzte unter dem Beifall des Landes
die Stichworte mit blauer Tusche dem Leibe seines Opfers ein und brachte den
unglücklichen Schriftsteller nur noch als t^ttovatkä Illa^, wie deren in den
landesüblichen "Museen" zu sehen sind, nach welchen der Durchschnitts-Ameri-
kaner pilgert, um seine ästhetische Vorliebe sür das Geschmacklose zu pflegen.
Die Agitation gewann mehr und mehr an Boden, und Blaine unterlag mit
einer Minorität von 50000 Stimmen bei zehn Millionen, die abgegeben worden!


Vie letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

sich reden läßt," nicht nur die Unterstützung der großen Geldkönige, besonders
eines gewissen Jay Gould, sondern war auch der Tammany-Hall viel angenehmer
als der Kandidat ihrer eignen Partei. Blaine gilt an und für sich für sehr
intelligent, als g. sins-re, man nach dem Herzen der Amerikaner; er soll auch
Persönlichkeit besitzen. Als diplomatischer Vertreter seines Landes in Chile und
Zentralamerika hat er zwar großsprecherisch und mit wenig Geschick agirt, doch
hätte man ihm dies in Anbetracht seiner sonstigen fing-rtusss verziehen. Auch
waren es nicht eigentlich die großartigen Bestechungen, die er als Sprecher des
Ilnitsä Le-Ms - Senats in Washington mit sich vornehmen ließ, und die scham¬
lose Ausnutzung seines Amtes zu eignem Vorteil, welche ihm das Genick
brachen. Man ist in diesem Lande hierin nicht so skrupulös, und was man
von Gebildeten, von Mitgliedern der bessern Gesellschaft bei Besprechung dieses
Punktes zu hören bekommt, geht weit über unsre Begriffe. Präsident Arthur
habe doch auch den denkbar schlechtesten Ruf gehabt, alles sei auf die größten
Unanständigkeiten gefaßt gewesen, und schließlich habe sich der Mann doch ganz
gut herausgemacht. Blaine habe allerdings sein Amt mißbraucht, das sei
ja wahr. Aber darin — ja darin finde man hier eben nicht soviel u. s. w.
Ein Vollblutamerikaner aber fragt wohl mit pfiffigem Gesichtsausdruck ganz
ernsthaft: ^Vovlä u't, z^on nig-Ich g. ^ok>? (Würden Sie sich vielleicht ge-
niren, einen Schnitt zu machen?) So wäre denn bei James Blaine Esq. alles
g.11 riAtck gewesen, wäre diesem von den Sympathien seines Landes getragenen
Manne nicht ein unverdientes Mißgeschick widerfahren.

Die Briefe nämlich, die er während jener erwähnten Transaktionen an
„Geschäftsfreunde" geschrieben hatte, kamen ganz unvermutet an die Öffent¬
lichkeit und wirkten mit umso schneidenderer Ironie, als jeder von ihnen mit
den Worten schloß: Lurn tIÜ8 Isttsr! Sie wurden von Blaine und seiner Presse
zuerst verleugnet; endlich, als es nicht mehr anders ging, als „harmlos" an¬
erkannt (»nM)äy poulet alö tust)! So begann der Fluch der Lächerlichkeit
auf dem düpirten und schwankenden Manne zu lasten, der sich trotz aller Win¬
dungen fortwährend festgenagelt sah. Die ehrlichen Leute wurden in den
Blättern mit einemmale sehr gesprächig über einen starken Faustschlag in ihr
Gesicht, den sie schon vor einiger Zeit erhalten, aber bis dahin nicht ganz so
stark verspürt hatten; ?not aber, ein grausamer Witzbold — die Leistungen
dieses Blattes stehen künstlerisch weit über unsern heimischen, doch kann es uns
trösten, daß sie von Deutschen herrühren — ätzte unter dem Beifall des Landes
die Stichworte mit blauer Tusche dem Leibe seines Opfers ein und brachte den
unglücklichen Schriftsteller nur noch als t^ttovatkä Illa^, wie deren in den
landesüblichen „Museen" zu sehen sind, nach welchen der Durchschnitts-Ameri-
kaner pilgert, um seine ästhetische Vorliebe sür das Geschmacklose zu pflegen.
Die Agitation gewann mehr und mehr an Boden, und Blaine unterlag mit
einer Minorität von 50000 Stimmen bei zehn Millionen, die abgegeben worden!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/448>, abgerufen am 23.07.2024.