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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine perle.

Weißen Rossen -- die schöne Veltlinerin wiedererkannt haben wollten. Daß
sie für den Raub der Helena in der Sala ti Troja dem großen Künstler Modell
gestanden habe, ist bestritten worden, und wohl mit umso größerm Rechte, als
die Gonzagas dein Künstler eine solche Apotheose einer Buonacolsi unmöglich
gestattet haben würden.

Im übrigen hatten weder jene fröhlicheren Zeiten des Palazzo Passerinv
noch auch die Perioden zahlreicher Nachkommenschaft eine Wiederholung ge¬
funden. Selten nur war der alte Stamm über ein spärliches Vegetiren hinaus¬
gekommen.

Es ist schon erwähnt worden, daß die Vereitelung der Mvrdanschläge auf
eine von den, Papste gespendete Reliquie zurückgeführt wurde. I" der That
hatten die Buoncicolsis, seit sie im Unglück waren, dort Trost gesucht, wo das
Spenden desselben sich mit besondrer Zuversicht ans die dazu erhaltene himmlische
Vollmacht beruft: aus den Ghibellinen waren Guelfen geworden.

Beichtväter des Teatinerordens nicht allein, mich Mönche des durch
Viueento den Ersten gestifteten Minimiklvsters schlüpften daher in dem düstern
Zvdiaevgäßchcn aus und ein und traten mit ihren Schuhen oder Sandalen die
Stufen der breiten Saudsteintreppen aus. Während um das, wie erwähnt,
ans vier Unger herabgekommene Prätendentengeschlecht den Gonzagas nicht
>mehr gefährlich werden zu können schien, und Vineento der Erste sich daher
inmitten seiner verschwenderischen Feste kaum noch um den Palazzo Passcriuo
gekümmert hatte, war in seinem Nachfolger Francesco gleich nach dessen Re¬
gierungsantritt jener alte Argwohn in fast krankhaftem Grade wieder erwacht.
Möglich daß, wie vielseitig vermutet wurde, er schon nach Kronprinzenart andrer
Ansichten sein zu müssen glaubte als sein Vater, und in der That begann er
ja sein kurzes Regiment mit Entlassung der Komödianten und eines großen
Teils der Diener seines prachtliebenden Vaters, setzte die von diesem verab¬
schiedete Schweizergcirdc des Castello ti Corte wieder ein, begünstigte in grellem
Abstände zu den formlosen Gewohnheiten Vineentos die steife spanische Etikette,
nötigte die von seinem Vater in letzter Zeit glimpflich behandelten Juden, ein
strohgelbes Band um den Hut zu tragen, und enthob den alten Hofarzt Doktor
Pcissavino seiner ärztlichen Funktionen, indem er ihn mit der ihm sehr nn-
tteläufigcn Aufgabe betraute, eine Geschichte der Gonzagas "von ihrem Ursprünge
"n" zu verfassen.

Aber wahrscheinlich entsprang Frcmeeseos Furcht vor den Buonaeolsis
den Einflüsterungen Vitalianos, eines Mannes, welcher nnter Vineento als so¬
genannter superiore der geheimen Kundschafter eine bedeutende Stellung ein¬
genommen hatte und, um sich auf diesem Posten zu behaupten, gleich bei dem
Regierungsantritte Francescos beflissen gewesen war, den letztern gegen die
bnonaeolsis in den Harnisch zu bringen.

Dies hatte umsoweniger Mühe gekostet, als Francescos abergläubische


Grenzbowi I. 1385. 54
Um eine perle.

Weißen Rossen — die schöne Veltlinerin wiedererkannt haben wollten. Daß
sie für den Raub der Helena in der Sala ti Troja dem großen Künstler Modell
gestanden habe, ist bestritten worden, und wohl mit umso größerm Rechte, als
die Gonzagas dein Künstler eine solche Apotheose einer Buonacolsi unmöglich
gestattet haben würden.

Im übrigen hatten weder jene fröhlicheren Zeiten des Palazzo Passerinv
noch auch die Perioden zahlreicher Nachkommenschaft eine Wiederholung ge¬
funden. Selten nur war der alte Stamm über ein spärliches Vegetiren hinaus¬
gekommen.

Es ist schon erwähnt worden, daß die Vereitelung der Mvrdanschläge auf
eine von den, Papste gespendete Reliquie zurückgeführt wurde. I» der That
hatten die Buoncicolsis, seit sie im Unglück waren, dort Trost gesucht, wo das
Spenden desselben sich mit besondrer Zuversicht ans die dazu erhaltene himmlische
Vollmacht beruft: aus den Ghibellinen waren Guelfen geworden.

Beichtväter des Teatinerordens nicht allein, mich Mönche des durch
Viueento den Ersten gestifteten Minimiklvsters schlüpften daher in dem düstern
Zvdiaevgäßchcn aus und ein und traten mit ihren Schuhen oder Sandalen die
Stufen der breiten Saudsteintreppen aus. Während um das, wie erwähnt,
ans vier Unger herabgekommene Prätendentengeschlecht den Gonzagas nicht
>mehr gefährlich werden zu können schien, und Vineento der Erste sich daher
inmitten seiner verschwenderischen Feste kaum noch um den Palazzo Passcriuo
gekümmert hatte, war in seinem Nachfolger Francesco gleich nach dessen Re¬
gierungsantritt jener alte Argwohn in fast krankhaftem Grade wieder erwacht.
Möglich daß, wie vielseitig vermutet wurde, er schon nach Kronprinzenart andrer
Ansichten sein zu müssen glaubte als sein Vater, und in der That begann er
ja sein kurzes Regiment mit Entlassung der Komödianten und eines großen
Teils der Diener seines prachtliebenden Vaters, setzte die von diesem verab¬
schiedete Schweizergcirdc des Castello ti Corte wieder ein, begünstigte in grellem
Abstände zu den formlosen Gewohnheiten Vineentos die steife spanische Etikette,
nötigte die von seinem Vater in letzter Zeit glimpflich behandelten Juden, ein
strohgelbes Band um den Hut zu tragen, und enthob den alten Hofarzt Doktor
Pcissavino seiner ärztlichen Funktionen, indem er ihn mit der ihm sehr nn-
tteläufigcn Aufgabe betraute, eine Geschichte der Gonzagas „von ihrem Ursprünge
"n" zu verfassen.

Aber wahrscheinlich entsprang Frcmeeseos Furcht vor den Buonaeolsis
den Einflüsterungen Vitalianos, eines Mannes, welcher nnter Vineento als so¬
genannter superiore der geheimen Kundschafter eine bedeutende Stellung ein¬
genommen hatte und, um sich auf diesem Posten zu behaupten, gleich bei dem
Regierungsantritte Francescos beflissen gewesen war, den letztern gegen die
bnonaeolsis in den Harnisch zu bringen.

Dies hatte umsoweniger Mühe gekostet, als Francescos abergläubische


Grenzbowi I. 1385. 54
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[0437] Um eine perle. Weißen Rossen — die schöne Veltlinerin wiedererkannt haben wollten. Daß sie für den Raub der Helena in der Sala ti Troja dem großen Künstler Modell gestanden habe, ist bestritten worden, und wohl mit umso größerm Rechte, als die Gonzagas dein Künstler eine solche Apotheose einer Buonacolsi unmöglich gestattet haben würden. Im übrigen hatten weder jene fröhlicheren Zeiten des Palazzo Passerinv noch auch die Perioden zahlreicher Nachkommenschaft eine Wiederholung ge¬ funden. Selten nur war der alte Stamm über ein spärliches Vegetiren hinaus¬ gekommen. Es ist schon erwähnt worden, daß die Vereitelung der Mvrdanschläge auf eine von den, Papste gespendete Reliquie zurückgeführt wurde. I» der That hatten die Buoncicolsis, seit sie im Unglück waren, dort Trost gesucht, wo das Spenden desselben sich mit besondrer Zuversicht ans die dazu erhaltene himmlische Vollmacht beruft: aus den Ghibellinen waren Guelfen geworden. Beichtväter des Teatinerordens nicht allein, mich Mönche des durch Viueento den Ersten gestifteten Minimiklvsters schlüpften daher in dem düstern Zvdiaevgäßchcn aus und ein und traten mit ihren Schuhen oder Sandalen die Stufen der breiten Saudsteintreppen aus. Während um das, wie erwähnt, ans vier Unger herabgekommene Prätendentengeschlecht den Gonzagas nicht >mehr gefährlich werden zu können schien, und Vineento der Erste sich daher inmitten seiner verschwenderischen Feste kaum noch um den Palazzo Passcriuo gekümmert hatte, war in seinem Nachfolger Francesco gleich nach dessen Re¬ gierungsantritt jener alte Argwohn in fast krankhaftem Grade wieder erwacht. Möglich daß, wie vielseitig vermutet wurde, er schon nach Kronprinzenart andrer Ansichten sein zu müssen glaubte als sein Vater, und in der That begann er ja sein kurzes Regiment mit Entlassung der Komödianten und eines großen Teils der Diener seines prachtliebenden Vaters, setzte die von diesem verab¬ schiedete Schweizergcirdc des Castello ti Corte wieder ein, begünstigte in grellem Abstände zu den formlosen Gewohnheiten Vineentos die steife spanische Etikette, nötigte die von seinem Vater in letzter Zeit glimpflich behandelten Juden, ein strohgelbes Band um den Hut zu tragen, und enthob den alten Hofarzt Doktor Pcissavino seiner ärztlichen Funktionen, indem er ihn mit der ihm sehr nn- tteläufigcn Aufgabe betraute, eine Geschichte der Gonzagas „von ihrem Ursprünge "n" zu verfassen. Aber wahrscheinlich entsprang Frcmeeseos Furcht vor den Buonaeolsis den Einflüsterungen Vitalianos, eines Mannes, welcher nnter Vineento als so¬ genannter superiore der geheimen Kundschafter eine bedeutende Stellung ein¬ genommen hatte und, um sich auf diesem Posten zu behaupten, gleich bei dem Regierungsantritte Francescos beflissen gewesen war, den letztern gegen die bnonaeolsis in den Harnisch zu bringen. Dies hatte umsoweniger Mühe gekostet, als Francescos abergläubische Grenzbowi I. 1385. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/437>, abgerufen am 22.07.2024.