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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Roinmilitonen.

in die Halle, ein Aufleuchten, das von dem durch die Feuerwehr veranstalteten
Fackelzuge ausging, dem die Anwesenden nnn zuströmten.

Nur um den "blassen Heinrich", der neben dem Katheder verzog, blieben
sie noch einen Augenblick zurück: Genserich, Nah mit seiner Gattin, Pipin mit
Barbara, Cohn, Mirbl, Archimedes und Kautschuk, die letztern beiden freilich
nur wie unfreiwillig und so, als ob sie einem auf sie ausgeübten Zwange sich
fügten.

Der "blasse Heinrich", von der Anstrengung der Rede und von der Frende
des Herzens jugendlich angehaucht, verbündete sich den Komilitonen aufs neue,
allen ohne Ausnahme, und herzinniger als zuvor. Er sah es uicht, wie diese
zwei ihn dabei bespöttelten und sich fortstahlen.

Barbara aber nestelte aus ihrem Haar den Gvldlackstengel, ihren einzigen
Blumenschmuck. Deu gab sie dem "blassen Heinrich". Er blickte sie an, und
beseligt nahm er das Gegebene. Es war ein Herzenstansch.

Die Frau Superintendent sah ihren Eheherrn bedeutungsvoll an. Auf
seine Frage: Was meinst du, Katherina? zischelte sie ihm ins Ohr: Ich meine,
aus den Beiden wird gar noch ein Paar.

Wo denkst du hin? sagte der Superintendent, er ist ja in meinem Alter,
und wenn auch uicht ganz, so doch nahe an die Fünfzig.

Nun sieh ihn dir nur an! Hat er in diesem Augenblick nicht dreißig
Jahre von den Schultern geschüttelt? und ist das "Spät, aber doch noch"
nicht schon manchmal eingetroffen?

Dn kannst recht haben, oder vielmehr es ist so, wie du sagst, raunte er
ihr z", und indem er sich an die Umstehenden mit vielsagender Miene wandte,
fuhr der geistliche Herr fort: So kommt, Ihr Lieben, allesamt mit mir in unser
Hans, auf daß wir in festlicher Weihe den Tag beschließen und eine Familien¬
feier begehen. Wahrlich, eine innigere Verbrüderung folgte den Kommilitonen
aus der uns vorhin aufgetauchten Gefahr. Und erkennet Ihr nicht eine ander¬
weite hochlicbliche Fügung? Fürwahr, der Himmel segnet uns noch die zwei
Auserkorenen, die sich um das Schuljubiläum so ausnehmend verdient ge¬
macht haben.

Bravo! riefen ihm die übrigen zu, und folgten den mit Barbara und dem
"blassen Heinrich" fürbaß Schreitenden in die Pastorei.




Die Roinmilitonen.

in die Halle, ein Aufleuchten, das von dem durch die Feuerwehr veranstalteten
Fackelzuge ausging, dem die Anwesenden nnn zuströmten.

Nur um den „blassen Heinrich", der neben dem Katheder verzog, blieben
sie noch einen Augenblick zurück: Genserich, Nah mit seiner Gattin, Pipin mit
Barbara, Cohn, Mirbl, Archimedes und Kautschuk, die letztern beiden freilich
nur wie unfreiwillig und so, als ob sie einem auf sie ausgeübten Zwange sich
fügten.

Der „blasse Heinrich", von der Anstrengung der Rede und von der Frende
des Herzens jugendlich angehaucht, verbündete sich den Komilitonen aufs neue,
allen ohne Ausnahme, und herzinniger als zuvor. Er sah es uicht, wie diese
zwei ihn dabei bespöttelten und sich fortstahlen.

Barbara aber nestelte aus ihrem Haar den Gvldlackstengel, ihren einzigen
Blumenschmuck. Deu gab sie dem „blassen Heinrich". Er blickte sie an, und
beseligt nahm er das Gegebene. Es war ein Herzenstansch.

Die Frau Superintendent sah ihren Eheherrn bedeutungsvoll an. Auf
seine Frage: Was meinst du, Katherina? zischelte sie ihm ins Ohr: Ich meine,
aus den Beiden wird gar noch ein Paar.

Wo denkst du hin? sagte der Superintendent, er ist ja in meinem Alter,
und wenn auch uicht ganz, so doch nahe an die Fünfzig.

Nun sieh ihn dir nur an! Hat er in diesem Augenblick nicht dreißig
Jahre von den Schultern geschüttelt? und ist das „Spät, aber doch noch"
nicht schon manchmal eingetroffen?

Dn kannst recht haben, oder vielmehr es ist so, wie du sagst, raunte er
ihr z», und indem er sich an die Umstehenden mit vielsagender Miene wandte,
fuhr der geistliche Herr fort: So kommt, Ihr Lieben, allesamt mit mir in unser
Hans, auf daß wir in festlicher Weihe den Tag beschließen und eine Familien¬
feier begehen. Wahrlich, eine innigere Verbrüderung folgte den Kommilitonen
aus der uns vorhin aufgetauchten Gefahr. Und erkennet Ihr nicht eine ander¬
weite hochlicbliche Fügung? Fürwahr, der Himmel segnet uns noch die zwei
Auserkorenen, die sich um das Schuljubiläum so ausnehmend verdient ge¬
macht haben.

Bravo! riefen ihm die übrigen zu, und folgten den mit Barbara und dem
„blassen Heinrich" fürbaß Schreitenden in die Pastorei.




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[0434] Die Roinmilitonen. in die Halle, ein Aufleuchten, das von dem durch die Feuerwehr veranstalteten Fackelzuge ausging, dem die Anwesenden nnn zuströmten. Nur um den „blassen Heinrich", der neben dem Katheder verzog, blieben sie noch einen Augenblick zurück: Genserich, Nah mit seiner Gattin, Pipin mit Barbara, Cohn, Mirbl, Archimedes und Kautschuk, die letztern beiden freilich nur wie unfreiwillig und so, als ob sie einem auf sie ausgeübten Zwange sich fügten. Der „blasse Heinrich", von der Anstrengung der Rede und von der Frende des Herzens jugendlich angehaucht, verbündete sich den Komilitonen aufs neue, allen ohne Ausnahme, und herzinniger als zuvor. Er sah es uicht, wie diese zwei ihn dabei bespöttelten und sich fortstahlen. Barbara aber nestelte aus ihrem Haar den Gvldlackstengel, ihren einzigen Blumenschmuck. Deu gab sie dem „blassen Heinrich". Er blickte sie an, und beseligt nahm er das Gegebene. Es war ein Herzenstansch. Die Frau Superintendent sah ihren Eheherrn bedeutungsvoll an. Auf seine Frage: Was meinst du, Katherina? zischelte sie ihm ins Ohr: Ich meine, aus den Beiden wird gar noch ein Paar. Wo denkst du hin? sagte der Superintendent, er ist ja in meinem Alter, und wenn auch uicht ganz, so doch nahe an die Fünfzig. Nun sieh ihn dir nur an! Hat er in diesem Augenblick nicht dreißig Jahre von den Schultern geschüttelt? und ist das „Spät, aber doch noch" nicht schon manchmal eingetroffen? Dn kannst recht haben, oder vielmehr es ist so, wie du sagst, raunte er ihr z», und indem er sich an die Umstehenden mit vielsagender Miene wandte, fuhr der geistliche Herr fort: So kommt, Ihr Lieben, allesamt mit mir in unser Hans, auf daß wir in festlicher Weihe den Tag beschließen und eine Familien¬ feier begehen. Wahrlich, eine innigere Verbrüderung folgte den Kommilitonen aus der uns vorhin aufgetauchten Gefahr. Und erkennet Ihr nicht eine ander¬ weite hochlicbliche Fügung? Fürwahr, der Himmel segnet uns noch die zwei Auserkorenen, die sich um das Schuljubiläum so ausnehmend verdient ge¬ macht haben. Bravo! riefen ihm die übrigen zu, und folgten den mit Barbara und dem „blassen Heinrich" fürbaß Schreitenden in die Pastorei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/434>, abgerufen am 26.06.2024.