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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen.

Weihevollen Stimmung ergriffen, deren Bedeutsamkeit sich durch das Ausbleiben
jeglicher Beifallsbezengung kundthat. Dies war besonders an Barbara, der für
Beredsamkeit so schwärmerisch Eingenommenen wahrnehmbar. Sie saß da,
anfangs wie in Starre vor dem Gesamteindruck, dann traten ihr die letzten
hcrzbezaubernden Worte in die Erinnerung, und sie wurde sich der Lust be¬
wußt; denn


nie bei den Festen der Henne
Hatte sie Solcherlei Kunst vernommen; ihr seliger Aufblick
Ließ ans dein Silbermeere die Perlenreihe von Thränen
Rinnen die Wangen hinab zur goldiggesalteten Seide,
Aber geklärt war dann das thränenumflutete Auge,

Wie der Romantiker singt.

Pipin, der Leichterregbare, der seine Rührung nur schwer bemeisterte und
nun seiner Beifallslust den Zügel schießen lassen wollte, wandte sich zu seiner
Tochter: Nun Barbara?

Ach Vater! hauchte sie.

Nun Barbara? wiederholte er, indem er aufstand, und, Barbara am Arm,
den: Katheder zustrebte.

Sie erwiederte: Jetzt weiß ich, was euer Studium besagen will! Diese
Rede wird mir allezeit unvergeßlich sein! Endlich habe ich gefunden, was ich
so sehnlich erstrebte!

Geh, du bist überspannt! sagte Pipin. Ein andres Wort fiel ihm eben
nicht ein.

Jetzt erhob der Direktor auf dem obern Katheder seine Stimme und kreuzte
so den Beifallssturm, der sonst das inhaltsvolle Schweigen gelöst haben würde.
Er redete laut und mit bewegter Stimme den Redner an, der eben den Tritt
verlassen wollte, dabei trat er vornehm die Stufen zu ihm hinab, reichte ihm
die Hand und dozirte, daß sie alle heute auf ihn stolz seien, daß die ^,1nrg,
Krater segnend auf ihn blicke und solcher Beredsamkeit den Lohn des Kranzes
weihe. Ein donnernder Jubel brach in der Versammlung los. Der Direktor
ließ wohlgefällig die Beifallsspende, die er für sich in Anspruch nahm, ausdröhnen,
stieg wieder die Stufe hinan und winkte gewichtig dem Alterspräsidenten, jenem
Magister aus dem ersten Schuljahrgange, welcher für die höchste Ehre auser¬
sehen war, das Kaiscrhoch zum Schlüsse auszubringen. Dieser würdige Greis
trat denn auch auf das gegebene Zeichen hervor, und sagte: Es gelte dem er¬
habenen Vorbilde von Pflichterfüllung, dem machtvollen Schirmherrn unsrer
Ideale, Kaiser Wilhelms Majestät!

Alle Anwesenden, Kommilitonen und Gäste, fielen begeistert in den drei¬
maligen Hochruf ein- Zugleich wurde auf der Straße vor dem alten Kloster¬
gebäude eine Festmusik laut, ein Heller Schein drang durch die bunten Fenster


Die Kommilitonen.

Weihevollen Stimmung ergriffen, deren Bedeutsamkeit sich durch das Ausbleiben
jeglicher Beifallsbezengung kundthat. Dies war besonders an Barbara, der für
Beredsamkeit so schwärmerisch Eingenommenen wahrnehmbar. Sie saß da,
anfangs wie in Starre vor dem Gesamteindruck, dann traten ihr die letzten
hcrzbezaubernden Worte in die Erinnerung, und sie wurde sich der Lust be¬
wußt; denn


nie bei den Festen der Henne
Hatte sie Solcherlei Kunst vernommen; ihr seliger Aufblick
Ließ ans dein Silbermeere die Perlenreihe von Thränen
Rinnen die Wangen hinab zur goldiggesalteten Seide,
Aber geklärt war dann das thränenumflutete Auge,

Wie der Romantiker singt.

Pipin, der Leichterregbare, der seine Rührung nur schwer bemeisterte und
nun seiner Beifallslust den Zügel schießen lassen wollte, wandte sich zu seiner
Tochter: Nun Barbara?

Ach Vater! hauchte sie.

Nun Barbara? wiederholte er, indem er aufstand, und, Barbara am Arm,
den: Katheder zustrebte.

Sie erwiederte: Jetzt weiß ich, was euer Studium besagen will! Diese
Rede wird mir allezeit unvergeßlich sein! Endlich habe ich gefunden, was ich
so sehnlich erstrebte!

Geh, du bist überspannt! sagte Pipin. Ein andres Wort fiel ihm eben
nicht ein.

Jetzt erhob der Direktor auf dem obern Katheder seine Stimme und kreuzte
so den Beifallssturm, der sonst das inhaltsvolle Schweigen gelöst haben würde.
Er redete laut und mit bewegter Stimme den Redner an, der eben den Tritt
verlassen wollte, dabei trat er vornehm die Stufen zu ihm hinab, reichte ihm
die Hand und dozirte, daß sie alle heute auf ihn stolz seien, daß die ^,1nrg,
Krater segnend auf ihn blicke und solcher Beredsamkeit den Lohn des Kranzes
weihe. Ein donnernder Jubel brach in der Versammlung los. Der Direktor
ließ wohlgefällig die Beifallsspende, die er für sich in Anspruch nahm, ausdröhnen,
stieg wieder die Stufe hinan und winkte gewichtig dem Alterspräsidenten, jenem
Magister aus dem ersten Schuljahrgange, welcher für die höchste Ehre auser¬
sehen war, das Kaiscrhoch zum Schlüsse auszubringen. Dieser würdige Greis
trat denn auch auf das gegebene Zeichen hervor, und sagte: Es gelte dem er¬
habenen Vorbilde von Pflichterfüllung, dem machtvollen Schirmherrn unsrer
Ideale, Kaiser Wilhelms Majestät!

Alle Anwesenden, Kommilitonen und Gäste, fielen begeistert in den drei¬
maligen Hochruf ein- Zugleich wurde auf der Straße vor dem alten Kloster¬
gebäude eine Festmusik laut, ein Heller Schein drang durch die bunten Fenster


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/433>, abgerufen am 18.06.2024.