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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Beamte", welche über ihr Amt betreffende Gegenstände Zeugnis ablegen sollten,
die Versicherung ans den geleisteten Diensteid vorgeschrieben. Man wollte
bemerkt haben, daß diese Versicherung namentlich von Beamten, welche häufig
vernommen wurden, nicht immer mit der genügenden Vorsicht abgegeben worde"
sei, was ja, ohne damit ein allgemeines Zugeständnis für die Mannhaftigkeit
der Einrichtung zu machen, für einzelne Fälle gewiß zugegeben werden kann.
Die Bundesregierungen faßten daher den § 56 der Strafprozeßordnung im
Entwürfe dahin, daß es bei solchen Vernehmungen "der Eidesleistung für gleich
geachtet werden" könne, "wenn der Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage uuter
Berufung ans seinen Diensteid versichert"; nach den Motiven hierzu sollte
hierdurch "dein Ermessen des Richters die Wahl zwischen der einen und der
andern Form der Vereidigung überlassen bleiben," "dem Richter die Möglichkeit
gewahrt" werden, "eine Berufung auf den Diensteid da auszuschließen, wo die
Besorgnis obwaltet, daß der Zeuge sich der Bedeutung einer solchen Berufung
nicht hinreichend bewußt sei." Da nach H 260 der Strafprozeßordnung das
Gericht "über das Ergebnis der Beweisverhandlnng" nach seiner freien, aus dem
Jubegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet, also an keine,
auch an keine beschwvrene Aussage irgendeines Zeugen gebunden ist, so war
die Fassung des Entwurfes das äußerste, was man noch verlangen konnte. Dem
Reichstage genügte es aber nicht, er strich den 56 des Entwurfs, und min
ist jeder Beamte verpflichtet, vor jeder Vernehmung wie ein andrer Zeuge
seinen Zeugeucid zu leisten. Von den regelmäßig zur Vernehmung kommenden
Beamten sind die Polizeibeamten wieder am schlechtesten gestellt. Die Forst-
schutzbeamten können nach den §§ 24 und 25 des ans Grund der Ermäch¬
tigung des H Z des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung erlassenen
Gesetzes vom 1.5. April 1878 über den Forstdiebstahl die Nichtigkeit ihrer
Aussagen unter Berufung auf ihren Diensteid, in welchen die Wahrhaftigkeit
ihrer Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist, versichern, die Polizeibeamten,
welche doch mindestens aus demselben Material wie die Fvrstschutzbeamten zu¬
sammengesetzt sind, können es nicht, obgleich in ihrem Diensteide gleichfalls die
Verpflichtung auf Wahrheit der Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist. Der
Kommission des Reichstages mag zwar vorgeschwebt haben, wie ungeheuerlich
es sei, wenn ein und derselbe Polizeibeamte mehreremale in derselben Sitzung
den Zeugeneid ableisten müsse, aber statt deshalb den § 56 des Entwurfs bei¬
zubehalten kam man auf ein viel bedenklicheres Auskunftsmittel: die Kommission
koustatirte,") daß sie durch Streichung des § 56 des Entwurfs eine Bestimmung
dahin habe treffen wollen, daß bei Forftvcrgehen und polizeilichen Übertretungen
der betreffende Beamte hinsichtlich aller in derselben Sitzung verhandelten Sachen



*) SchwmP', a. a. O. S. 112, Absatz 3.

Beamte», welche über ihr Amt betreffende Gegenstände Zeugnis ablegen sollten,
die Versicherung ans den geleisteten Diensteid vorgeschrieben. Man wollte
bemerkt haben, daß diese Versicherung namentlich von Beamten, welche häufig
vernommen wurden, nicht immer mit der genügenden Vorsicht abgegeben worde»
sei, was ja, ohne damit ein allgemeines Zugeständnis für die Mannhaftigkeit
der Einrichtung zu machen, für einzelne Fälle gewiß zugegeben werden kann.
Die Bundesregierungen faßten daher den § 56 der Strafprozeßordnung im
Entwürfe dahin, daß es bei solchen Vernehmungen „der Eidesleistung für gleich
geachtet werden" könne, „wenn der Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage uuter
Berufung ans seinen Diensteid versichert"; nach den Motiven hierzu sollte
hierdurch „dein Ermessen des Richters die Wahl zwischen der einen und der
andern Form der Vereidigung überlassen bleiben," „dem Richter die Möglichkeit
gewahrt" werden, „eine Berufung auf den Diensteid da auszuschließen, wo die
Besorgnis obwaltet, daß der Zeuge sich der Bedeutung einer solchen Berufung
nicht hinreichend bewußt sei." Da nach H 260 der Strafprozeßordnung das
Gericht „über das Ergebnis der Beweisverhandlnng" nach seiner freien, aus dem
Jubegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet, also an keine,
auch an keine beschwvrene Aussage irgendeines Zeugen gebunden ist, so war
die Fassung des Entwurfes das äußerste, was man noch verlangen konnte. Dem
Reichstage genügte es aber nicht, er strich den 56 des Entwurfs, und min
ist jeder Beamte verpflichtet, vor jeder Vernehmung wie ein andrer Zeuge
seinen Zeugeucid zu leisten. Von den regelmäßig zur Vernehmung kommenden
Beamten sind die Polizeibeamten wieder am schlechtesten gestellt. Die Forst-
schutzbeamten können nach den §§ 24 und 25 des ans Grund der Ermäch¬
tigung des H Z des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung erlassenen
Gesetzes vom 1.5. April 1878 über den Forstdiebstahl die Nichtigkeit ihrer
Aussagen unter Berufung auf ihren Diensteid, in welchen die Wahrhaftigkeit
ihrer Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist, versichern, die Polizeibeamten,
welche doch mindestens aus demselben Material wie die Fvrstschutzbeamten zu¬
sammengesetzt sind, können es nicht, obgleich in ihrem Diensteide gleichfalls die
Verpflichtung auf Wahrheit der Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist. Der
Kommission des Reichstages mag zwar vorgeschwebt haben, wie ungeheuerlich
es sei, wenn ein und derselbe Polizeibeamte mehreremale in derselben Sitzung
den Zeugeneid ableisten müsse, aber statt deshalb den § 56 des Entwurfs bei¬
zubehalten kam man auf ein viel bedenklicheres Auskunftsmittel: die Kommission
koustatirte,") daß sie durch Streichung des § 56 des Entwurfs eine Bestimmung
dahin habe treffen wollen, daß bei Forftvcrgehen und polizeilichen Übertretungen
der betreffende Beamte hinsichtlich aller in derselben Sitzung verhandelten Sachen



*) SchwmP', a. a. O. S. 112, Absatz 3.
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[0402] Beamte», welche über ihr Amt betreffende Gegenstände Zeugnis ablegen sollten, die Versicherung ans den geleisteten Diensteid vorgeschrieben. Man wollte bemerkt haben, daß diese Versicherung namentlich von Beamten, welche häufig vernommen wurden, nicht immer mit der genügenden Vorsicht abgegeben worde» sei, was ja, ohne damit ein allgemeines Zugeständnis für die Mannhaftigkeit der Einrichtung zu machen, für einzelne Fälle gewiß zugegeben werden kann. Die Bundesregierungen faßten daher den § 56 der Strafprozeßordnung im Entwürfe dahin, daß es bei solchen Vernehmungen „der Eidesleistung für gleich geachtet werden" könne, „wenn der Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage uuter Berufung ans seinen Diensteid versichert"; nach den Motiven hierzu sollte hierdurch „dein Ermessen des Richters die Wahl zwischen der einen und der andern Form der Vereidigung überlassen bleiben," „dem Richter die Möglichkeit gewahrt" werden, „eine Berufung auf den Diensteid da auszuschließen, wo die Besorgnis obwaltet, daß der Zeuge sich der Bedeutung einer solchen Berufung nicht hinreichend bewußt sei." Da nach H 260 der Strafprozeßordnung das Gericht „über das Ergebnis der Beweisverhandlnng" nach seiner freien, aus dem Jubegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet, also an keine, auch an keine beschwvrene Aussage irgendeines Zeugen gebunden ist, so war die Fassung des Entwurfes das äußerste, was man noch verlangen konnte. Dem Reichstage genügte es aber nicht, er strich den 56 des Entwurfs, und min ist jeder Beamte verpflichtet, vor jeder Vernehmung wie ein andrer Zeuge seinen Zeugeucid zu leisten. Von den regelmäßig zur Vernehmung kommenden Beamten sind die Polizeibeamten wieder am schlechtesten gestellt. Die Forst- schutzbeamten können nach den §§ 24 und 25 des ans Grund der Ermäch¬ tigung des H Z des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung erlassenen Gesetzes vom 1.5. April 1878 über den Forstdiebstahl die Nichtigkeit ihrer Aussagen unter Berufung auf ihren Diensteid, in welchen die Wahrhaftigkeit ihrer Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist, versichern, die Polizeibeamten, welche doch mindestens aus demselben Material wie die Fvrstschutzbeamten zu¬ sammengesetzt sind, können es nicht, obgleich in ihrem Diensteide gleichfalls die Verpflichtung auf Wahrheit der Anzeigen und Aussagen aufgenommen ist. Der Kommission des Reichstages mag zwar vorgeschwebt haben, wie ungeheuerlich es sei, wenn ein und derselbe Polizeibeamte mehreremale in derselben Sitzung den Zeugeneid ableisten müsse, aber statt deshalb den § 56 des Entwurfs bei¬ zubehalten kam man auf ein viel bedenklicheres Auskunftsmittel: die Kommission koustatirte,") daß sie durch Streichung des § 56 des Entwurfs eine Bestimmung dahin habe treffen wollen, daß bei Forftvcrgehen und polizeilichen Übertretungen der betreffende Beamte hinsichtlich aller in derselben Sitzung verhandelten Sachen *) SchwmP', a. a. O. S. 112, Absatz 3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/402>, abgerufen am 22.07.2024.