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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision inanchesterlicher Lehren.

Es giebt eine wichtige Klasse der Gütererzeugung, wobei der Verkauf, der
Umsatz der Produkts, prinzipiell ausgeschlossen ist. Dahin gehören Straßen-,
Brücken-, Eisenbahnanlagen und dergleichen. Da bei solchen Anstalten ein Kapital
für alle Zeiten festgelegt wird, so könnte es scheinen, daß hier wenigstens die
Löhne aus vorhandenem Kapital vorgeschossen oder bezahlt und nicht dem
Produkte der Arbeit selbst entnommen würden. Dies ist aber auch hier nicht
der Fall; denn nicht nur können wir uns denken, daß z. B. eine Eisenbahn
ohne alle Beihilfe anderweiten Kapitals gebaut werde, sondern, wenn wir recht
zusehen, so ist dies sogar im großen und ganzen wirklich der Fall. Eine
Gesellschaft, die eine Eisenbahn bauen will, hat weder eignes Kapital, noch nimmt
sie fremdes Kapital in Anspruch. Sie giebt Aktien aus, d. h. sie veräußert
Anteile an dem noch zu schaffenden Produkte. Der Gegenwert der Aktie ist
also nichts andres als der autizipirte Kaufpreis für ein künftig zu lieferndes
Gut, und indem die Gesellschaft das auf diese Weise erhaltene Geld zur Be¬
zahlung der Löhne verwendet, entnimmt sie dieselbe recht eigentlich dem dnrch
die Arbeit zu schaffenden Produkte. Kommt es nicht häufig vor, daß die
größern Bauunternehmer, die Maschinenfabriken, diese Vormänner der Arbeiter,
ihre Zahlung in Stamm- oder Prioritätsaktien nehmen müssen, und ist es dann
nicht sonnenklar, daß alles, was die Gesellschaft an Zahlung giebt, und alles,
was die Vormänner der Arbeiter für Zahlung annehmen, lediglich eine An¬
weisung ans das Produkt ist, welches dnrch die Arbeit geschaffen werden soll?
Zuletzt allerdings, wenn die Aktien in feste Hände kommen, repräsentiren sie
ein Kapital, aber es ist nicht früher vorhanden gewesenes Kapital, sondern das
neue Kapital, welches die Arbeit erst erzeugt hat. Der Irrtum entsteht nur
dadurch, daß sich bei der vollendeten Ausbildung unsers Güterverkehrs jeder
Umsatz dnrch das allgemeine Tauschmittel Geld vollzieht, nud daß Geld mit
Kapital verwechselt wird. Nbrigeus können wir gerade bei den wichtigen Eisen-
bahnbauten auch auf indirekten Wege unsern Beweis unterstiitzcn. In der
großen Eiseubahubauperiode von 1847--1879 wurden in Preußen im Durch¬
schnitt jährlich 15>4l/2 Millionen Mark verdaut, in der ganzen Periode also
50981/., Millionen. Nun ist es doch ganz gewiß, daß diese Betrüge nicht oder
wenigstens nicht ganz dem vorhandenen Kapital des Landes entnommen werden
konnten; so reich war Preußen nicht! Vielmehr ist es klar, daß diese mehr als
fünf Milliarden Werte wenigstens zum großen Teil erst dnrch die Arbeit des
Erbcmeus selbst geschaffen werden mußten. Wenn aber Preußen nicht reich
genug war, jährlich 154^ Millionen bereits vorhandenen Kapitals auf Eisen¬
bahnen zu verwenden, so war es deshalb doch nicht außer stände, seine Bauten
durchzuführen. Dies war möglich, weil der Wert, welchen die Bahnen
heute repräsentiren, nach und nach durch die Arbeit erzeugt ward, und aus eben
diesem Werte die Arbeiter cutlohnt und die sonstigen Produktionskosten bestritten
werden konnten.


Zur Revision inanchesterlicher Lehren.

Es giebt eine wichtige Klasse der Gütererzeugung, wobei der Verkauf, der
Umsatz der Produkts, prinzipiell ausgeschlossen ist. Dahin gehören Straßen-,
Brücken-, Eisenbahnanlagen und dergleichen. Da bei solchen Anstalten ein Kapital
für alle Zeiten festgelegt wird, so könnte es scheinen, daß hier wenigstens die
Löhne aus vorhandenem Kapital vorgeschossen oder bezahlt und nicht dem
Produkte der Arbeit selbst entnommen würden. Dies ist aber auch hier nicht
der Fall; denn nicht nur können wir uns denken, daß z. B. eine Eisenbahn
ohne alle Beihilfe anderweiten Kapitals gebaut werde, sondern, wenn wir recht
zusehen, so ist dies sogar im großen und ganzen wirklich der Fall. Eine
Gesellschaft, die eine Eisenbahn bauen will, hat weder eignes Kapital, noch nimmt
sie fremdes Kapital in Anspruch. Sie giebt Aktien aus, d. h. sie veräußert
Anteile an dem noch zu schaffenden Produkte. Der Gegenwert der Aktie ist
also nichts andres als der autizipirte Kaufpreis für ein künftig zu lieferndes
Gut, und indem die Gesellschaft das auf diese Weise erhaltene Geld zur Be¬
zahlung der Löhne verwendet, entnimmt sie dieselbe recht eigentlich dem dnrch
die Arbeit zu schaffenden Produkte. Kommt es nicht häufig vor, daß die
größern Bauunternehmer, die Maschinenfabriken, diese Vormänner der Arbeiter,
ihre Zahlung in Stamm- oder Prioritätsaktien nehmen müssen, und ist es dann
nicht sonnenklar, daß alles, was die Gesellschaft an Zahlung giebt, und alles,
was die Vormänner der Arbeiter für Zahlung annehmen, lediglich eine An¬
weisung ans das Produkt ist, welches dnrch die Arbeit geschaffen werden soll?
Zuletzt allerdings, wenn die Aktien in feste Hände kommen, repräsentiren sie
ein Kapital, aber es ist nicht früher vorhanden gewesenes Kapital, sondern das
neue Kapital, welches die Arbeit erst erzeugt hat. Der Irrtum entsteht nur
dadurch, daß sich bei der vollendeten Ausbildung unsers Güterverkehrs jeder
Umsatz dnrch das allgemeine Tauschmittel Geld vollzieht, nud daß Geld mit
Kapital verwechselt wird. Nbrigeus können wir gerade bei den wichtigen Eisen-
bahnbauten auch auf indirekten Wege unsern Beweis unterstiitzcn. In der
großen Eiseubahubauperiode von 1847—1879 wurden in Preußen im Durch¬
schnitt jährlich 15>4l/2 Millionen Mark verdaut, in der ganzen Periode also
50981/., Millionen. Nun ist es doch ganz gewiß, daß diese Betrüge nicht oder
wenigstens nicht ganz dem vorhandenen Kapital des Landes entnommen werden
konnten; so reich war Preußen nicht! Vielmehr ist es klar, daß diese mehr als
fünf Milliarden Werte wenigstens zum großen Teil erst dnrch die Arbeit des
Erbcmeus selbst geschaffen werden mußten. Wenn aber Preußen nicht reich
genug war, jährlich 154^ Millionen bereits vorhandenen Kapitals auf Eisen¬
bahnen zu verwenden, so war es deshalb doch nicht außer stände, seine Bauten
durchzuführen. Dies war möglich, weil der Wert, welchen die Bahnen
heute repräsentiren, nach und nach durch die Arbeit erzeugt ward, und aus eben
diesem Werte die Arbeiter cutlohnt und die sonstigen Produktionskosten bestritten
werden konnten.


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[0398] Zur Revision inanchesterlicher Lehren. Es giebt eine wichtige Klasse der Gütererzeugung, wobei der Verkauf, der Umsatz der Produkts, prinzipiell ausgeschlossen ist. Dahin gehören Straßen-, Brücken-, Eisenbahnanlagen und dergleichen. Da bei solchen Anstalten ein Kapital für alle Zeiten festgelegt wird, so könnte es scheinen, daß hier wenigstens die Löhne aus vorhandenem Kapital vorgeschossen oder bezahlt und nicht dem Produkte der Arbeit selbst entnommen würden. Dies ist aber auch hier nicht der Fall; denn nicht nur können wir uns denken, daß z. B. eine Eisenbahn ohne alle Beihilfe anderweiten Kapitals gebaut werde, sondern, wenn wir recht zusehen, so ist dies sogar im großen und ganzen wirklich der Fall. Eine Gesellschaft, die eine Eisenbahn bauen will, hat weder eignes Kapital, noch nimmt sie fremdes Kapital in Anspruch. Sie giebt Aktien aus, d. h. sie veräußert Anteile an dem noch zu schaffenden Produkte. Der Gegenwert der Aktie ist also nichts andres als der autizipirte Kaufpreis für ein künftig zu lieferndes Gut, und indem die Gesellschaft das auf diese Weise erhaltene Geld zur Be¬ zahlung der Löhne verwendet, entnimmt sie dieselbe recht eigentlich dem dnrch die Arbeit zu schaffenden Produkte. Kommt es nicht häufig vor, daß die größern Bauunternehmer, die Maschinenfabriken, diese Vormänner der Arbeiter, ihre Zahlung in Stamm- oder Prioritätsaktien nehmen müssen, und ist es dann nicht sonnenklar, daß alles, was die Gesellschaft an Zahlung giebt, und alles, was die Vormänner der Arbeiter für Zahlung annehmen, lediglich eine An¬ weisung ans das Produkt ist, welches dnrch die Arbeit geschaffen werden soll? Zuletzt allerdings, wenn die Aktien in feste Hände kommen, repräsentiren sie ein Kapital, aber es ist nicht früher vorhanden gewesenes Kapital, sondern das neue Kapital, welches die Arbeit erst erzeugt hat. Der Irrtum entsteht nur dadurch, daß sich bei der vollendeten Ausbildung unsers Güterverkehrs jeder Umsatz dnrch das allgemeine Tauschmittel Geld vollzieht, nud daß Geld mit Kapital verwechselt wird. Nbrigeus können wir gerade bei den wichtigen Eisen- bahnbauten auch auf indirekten Wege unsern Beweis unterstiitzcn. In der großen Eiseubahubauperiode von 1847—1879 wurden in Preußen im Durch¬ schnitt jährlich 15>4l/2 Millionen Mark verdaut, in der ganzen Periode also 50981/., Millionen. Nun ist es doch ganz gewiß, daß diese Betrüge nicht oder wenigstens nicht ganz dem vorhandenen Kapital des Landes entnommen werden konnten; so reich war Preußen nicht! Vielmehr ist es klar, daß diese mehr als fünf Milliarden Werte wenigstens zum großen Teil erst dnrch die Arbeit des Erbcmeus selbst geschaffen werden mußten. Wenn aber Preußen nicht reich genug war, jährlich 154^ Millionen bereits vorhandenen Kapitals auf Eisen¬ bahnen zu verwenden, so war es deshalb doch nicht außer stände, seine Bauten durchzuführen. Dies war möglich, weil der Wert, welchen die Bahnen heute repräsentiren, nach und nach durch die Arbeit erzeugt ward, und aus eben diesem Werte die Arbeiter cutlohnt und die sonstigen Produktionskosten bestritten werden konnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/398>, abgerufen am 22.07.2024.