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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision mcmchesterlichsr Lehren.

Ich füge hinzu, daß der Fabrikant sich dessen auch sehr wohl bewußt ist,
denn es fällt ihm garnicht ein, die Arbeiter für die geleisteten Zahlungen zu
belasten, sondern er belastet dafür sein Waarenkouto, da er wohl weiß, daß
sich die Arbeit direkt in Waare verwandelt hat, ohne irgendeine andre Beihilfe
als seine, des Unternehmers Leitung, sowie der Werkzeuge und der verwendeten
Stoffe. I" dem obigen Falle des Bäckers habe ich gezeigt, daß die Produktion
ganz ohne Geld vor sich gehen kann, oder doch daß das Geld zur Entlohnung
der Gesellen direkt aus dem Werte der Brote entnommen wird. Der Fall
kommt häufig vor, und selbst bei sehr verwickeltem Fabrikationen, wenn sie, wie
es garnicht selten ist, im Dienste eines Kaufmanns arbeiten, der die fertige
Waare sofort abnimmt und bezahlt. Diese Fülle sind besonders lehrreich, denn
sie weisen uus auf die Grenze hin, wo die Gütererzeugung im eigentlichen
Sinne aufhört und jene andre Thätigkeit beginnt, welche sich mit dem Umsätze
der Güter beschäftigt und welche wir Handel nennen. Wenn, wie in dem Falle
des Bäckers, das fertige Erzeugnis sofort in die Hände des Konsumenten
kommt, bedarf es "veiter keiner Thätigkeit und keines Aufwandes. Dies ist
aber in der Regel nicht der Fall. Entweder muß der Produzent den Konsu¬
menten erst mit Mühe und Zeitaufwand suchen, oder er will eine günstige
Konjunktur für die Verwertung des Fabrikats abwarten. Alsdann bedarf er
allerdings des Kapitals, aber er bedarf es nicht zur Entlohnung seiner Arbeiter
oder überhaupt zur Deckung der Produktionskosten, sondern wegen seines Zögerns
mit dem Verkauf, für seinen Handel, denn er ist in diesem Falle zugleich Güter-
erzeugcr und Kaufmann. Er wird diese Rolle meist wider Willen spielen, und
sie eigentlich nur alsdann in größeren Maße übernehmen, wenn die Verhältnisse
ungünstig sind, d. h. wenn seine Abnehmer in weiter Entfernung aufgesucht
werden müssen, oder wenn die Nachfrage für sein Fabrikat nicht lebendig
genug ist und ihm kein Dritter diese Arbeit abnimmt. Bei ganz gesunden Ver¬
hältnissen, wenn eben nnr dasjenige produzirt wird, wonach eine aktuelle lebendige
Nachfrage besteht, ist diese Thätigkeit unnötig oder doch auf ein Minimum
beschränkt, denn es wandert alsdann das fertige Fabrikat sofort und ohne
weitere Mühe in die Hände des Konsumenten. Man erzählt, daß die berühmte
Bierbrauerei in Pilsen einen solchen Absatz gehabt habe, daß die Besteller im
voraus Zahlung leisteten und nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung die Waare
erhielten. Hier sehen wir nngenscheiulich und unwiderleglich, daß die Arbeits¬
löhne, überhaupt die Produktionskosten, direkt ans dem erzeugten Werte und
nicht aus einem für sich bestehenden Kapital bezahlt, d. h. daß sie nicht ans
dem Erzeugnis vorausgegangener anderer Arbeit (denn dies ist das Kapital)
vorgeschossen werden müssen.

So schlüssig, wie mich dünkt, diese Beweisführung bereits ist, so soll
dieselbe doch, um jeden Zweifel zu beseitigen, noch Weiler ausgedehnt
werden.


Grenzboten 1. 1335. 49
Zur Revision mcmchesterlichsr Lehren.

Ich füge hinzu, daß der Fabrikant sich dessen auch sehr wohl bewußt ist,
denn es fällt ihm garnicht ein, die Arbeiter für die geleisteten Zahlungen zu
belasten, sondern er belastet dafür sein Waarenkouto, da er wohl weiß, daß
sich die Arbeit direkt in Waare verwandelt hat, ohne irgendeine andre Beihilfe
als seine, des Unternehmers Leitung, sowie der Werkzeuge und der verwendeten
Stoffe. I» dem obigen Falle des Bäckers habe ich gezeigt, daß die Produktion
ganz ohne Geld vor sich gehen kann, oder doch daß das Geld zur Entlohnung
der Gesellen direkt aus dem Werte der Brote entnommen wird. Der Fall
kommt häufig vor, und selbst bei sehr verwickeltem Fabrikationen, wenn sie, wie
es garnicht selten ist, im Dienste eines Kaufmanns arbeiten, der die fertige
Waare sofort abnimmt und bezahlt. Diese Fülle sind besonders lehrreich, denn
sie weisen uus auf die Grenze hin, wo die Gütererzeugung im eigentlichen
Sinne aufhört und jene andre Thätigkeit beginnt, welche sich mit dem Umsätze
der Güter beschäftigt und welche wir Handel nennen. Wenn, wie in dem Falle
des Bäckers, das fertige Erzeugnis sofort in die Hände des Konsumenten
kommt, bedarf es »veiter keiner Thätigkeit und keines Aufwandes. Dies ist
aber in der Regel nicht der Fall. Entweder muß der Produzent den Konsu¬
menten erst mit Mühe und Zeitaufwand suchen, oder er will eine günstige
Konjunktur für die Verwertung des Fabrikats abwarten. Alsdann bedarf er
allerdings des Kapitals, aber er bedarf es nicht zur Entlohnung seiner Arbeiter
oder überhaupt zur Deckung der Produktionskosten, sondern wegen seines Zögerns
mit dem Verkauf, für seinen Handel, denn er ist in diesem Falle zugleich Güter-
erzeugcr und Kaufmann. Er wird diese Rolle meist wider Willen spielen, und
sie eigentlich nur alsdann in größeren Maße übernehmen, wenn die Verhältnisse
ungünstig sind, d. h. wenn seine Abnehmer in weiter Entfernung aufgesucht
werden müssen, oder wenn die Nachfrage für sein Fabrikat nicht lebendig
genug ist und ihm kein Dritter diese Arbeit abnimmt. Bei ganz gesunden Ver¬
hältnissen, wenn eben nnr dasjenige produzirt wird, wonach eine aktuelle lebendige
Nachfrage besteht, ist diese Thätigkeit unnötig oder doch auf ein Minimum
beschränkt, denn es wandert alsdann das fertige Fabrikat sofort und ohne
weitere Mühe in die Hände des Konsumenten. Man erzählt, daß die berühmte
Bierbrauerei in Pilsen einen solchen Absatz gehabt habe, daß die Besteller im
voraus Zahlung leisteten und nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung die Waare
erhielten. Hier sehen wir nngenscheiulich und unwiderleglich, daß die Arbeits¬
löhne, überhaupt die Produktionskosten, direkt ans dem erzeugten Werte und
nicht aus einem für sich bestehenden Kapital bezahlt, d. h. daß sie nicht ans
dem Erzeugnis vorausgegangener anderer Arbeit (denn dies ist das Kapital)
vorgeschossen werden müssen.

So schlüssig, wie mich dünkt, diese Beweisführung bereits ist, so soll
dieselbe doch, um jeden Zweifel zu beseitigen, noch Weiler ausgedehnt
werden.


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[0397] Zur Revision mcmchesterlichsr Lehren. Ich füge hinzu, daß der Fabrikant sich dessen auch sehr wohl bewußt ist, denn es fällt ihm garnicht ein, die Arbeiter für die geleisteten Zahlungen zu belasten, sondern er belastet dafür sein Waarenkouto, da er wohl weiß, daß sich die Arbeit direkt in Waare verwandelt hat, ohne irgendeine andre Beihilfe als seine, des Unternehmers Leitung, sowie der Werkzeuge und der verwendeten Stoffe. I» dem obigen Falle des Bäckers habe ich gezeigt, daß die Produktion ganz ohne Geld vor sich gehen kann, oder doch daß das Geld zur Entlohnung der Gesellen direkt aus dem Werte der Brote entnommen wird. Der Fall kommt häufig vor, und selbst bei sehr verwickeltem Fabrikationen, wenn sie, wie es garnicht selten ist, im Dienste eines Kaufmanns arbeiten, der die fertige Waare sofort abnimmt und bezahlt. Diese Fülle sind besonders lehrreich, denn sie weisen uus auf die Grenze hin, wo die Gütererzeugung im eigentlichen Sinne aufhört und jene andre Thätigkeit beginnt, welche sich mit dem Umsätze der Güter beschäftigt und welche wir Handel nennen. Wenn, wie in dem Falle des Bäckers, das fertige Erzeugnis sofort in die Hände des Konsumenten kommt, bedarf es »veiter keiner Thätigkeit und keines Aufwandes. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall. Entweder muß der Produzent den Konsu¬ menten erst mit Mühe und Zeitaufwand suchen, oder er will eine günstige Konjunktur für die Verwertung des Fabrikats abwarten. Alsdann bedarf er allerdings des Kapitals, aber er bedarf es nicht zur Entlohnung seiner Arbeiter oder überhaupt zur Deckung der Produktionskosten, sondern wegen seines Zögerns mit dem Verkauf, für seinen Handel, denn er ist in diesem Falle zugleich Güter- erzeugcr und Kaufmann. Er wird diese Rolle meist wider Willen spielen, und sie eigentlich nur alsdann in größeren Maße übernehmen, wenn die Verhältnisse ungünstig sind, d. h. wenn seine Abnehmer in weiter Entfernung aufgesucht werden müssen, oder wenn die Nachfrage für sein Fabrikat nicht lebendig genug ist und ihm kein Dritter diese Arbeit abnimmt. Bei ganz gesunden Ver¬ hältnissen, wenn eben nnr dasjenige produzirt wird, wonach eine aktuelle lebendige Nachfrage besteht, ist diese Thätigkeit unnötig oder doch auf ein Minimum beschränkt, denn es wandert alsdann das fertige Fabrikat sofort und ohne weitere Mühe in die Hände des Konsumenten. Man erzählt, daß die berühmte Bierbrauerei in Pilsen einen solchen Absatz gehabt habe, daß die Besteller im voraus Zahlung leisteten und nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung die Waare erhielten. Hier sehen wir nngenscheiulich und unwiderleglich, daß die Arbeits¬ löhne, überhaupt die Produktionskosten, direkt ans dem erzeugten Werte und nicht aus einem für sich bestehenden Kapital bezahlt, d. h. daß sie nicht ans dem Erzeugnis vorausgegangener anderer Arbeit (denn dies ist das Kapital) vorgeschossen werden müssen. So schlüssig, wie mich dünkt, diese Beweisführung bereits ist, so soll dieselbe doch, um jeden Zweifel zu beseitigen, noch Weiler ausgedehnt werden. Grenzboten 1. 1335. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/397>, abgerufen am 23.07.2024.