Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. Er kann den Verbrcch er verhaften, aber die gestohlenen Gegenstände, die Mord¬ Es erhellt wohl hieraus zur Genüge, daß die in dem Gerichtsverfassungs¬ Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. Er kann den Verbrcch er verhaften, aber die gestohlenen Gegenstände, die Mord¬ Es erhellt wohl hieraus zur Genüge, daß die in dem Gerichtsverfassungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195019"/> <fw type="header" place="top"> Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1216" prev="#ID_1215"> Er kann den Verbrcch er verhaften, aber die gestohlenen Gegenstände, die Mord¬<lb/> werkzeuge oder die blutbefleckten Kleider darf er nicht mit Beschlag belegen;<lb/> bevor er aber den „Hilfsbeamten" ermittelt hat, können die Angehörigen des<lb/> Thäters alle graoirendcn Gegenstände beiseite geschafft, alle Spuren der That<lb/> verwischt haben, da sie dies nach § 257 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ungestraft<lb/> thun dürfen. Ebenso können, wenn es, wie z. B. bei einem Ladcndiebstahl,<lb/> feststeht, daß nur eine von mehreren im Laden anwesenden Personen das Ver¬<lb/> brechen begangen haben kann, aber nicht feststeht, wer es gethan hat, eine Reihe von<lb/> Personen zeitweise ihrer persönlichen Freiheit beraubt werden, bis der „Hilfs¬<lb/> beamte" herbeigeholt ist, der im Gegensatz zu dem zuerst anwesenden Polizei¬<lb/> beamten die notwendige Durchsuchung vornehmen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1217" next="#ID_1218"> Es erhellt wohl hieraus zur Genüge, daß die in dem Gerichtsverfassungs¬<lb/> gesetz und der Strafprozeßordnung beliebte Regelung des Verhältnisses zwischen<lb/> Staatsanwaltschaft und Polizei eine mißlungene ist. Man hat nun auch daran<lb/> gedacht, die Chefs der Polizciverwaltnngen zu Hilfsbeamten der Staatsanwalt¬<lb/> schaft zu ernennen; dies scheiterte aber daran, daß sie alsdann direkt dienstliche<lb/> Untergebene des Staatsanwalts werden würden, was mit der Dienst- und<lb/> Lebensstellung der meisten Polizeichefs nicht vereinbar ist. Es bleibt also, wenn<lb/> man überhaupt polizeiliche Ermittlungen verlangt — und ohne diese kann man<lb/> wenigstens im ersten Stadium des Ermittlungsverfahrens nicht auskommen —,<lb/> nichts andres übrig, als entweder das Mohlsche System der dem Staatsanwalt<lb/> untergeordneten gerichtlichen Polizei vollständig durchzuführen, anstatt wie jetzt<lb/> mit demselben verschämt zu liebäugeln, oder das bis zum 1. Oktober 1879 in<lb/> Giltigkeit gewesene System wieder einzuführen, wonach der Polizei als solcher<lb/> das Ermittlungsverfahren zusteht, diese aber allen Ersuchen der Staatsanwalt¬<lb/> schaft Folge zu leisten hat. Die Polizei als solche würde dann die ersten not¬<lb/> wendigen Ermittlungen machen, wofür man mit Schwarze der Polizei die<lb/> Grenzen nicht zu eng zu stecken hat, dann die Akten der Staatsanwaltschaft<lb/> mittielen und auf deren Ersuchen etwaige weitere Ermittlungen anstellen; der<lb/> „Hilfsbeamte" würde wegfallen. Es ist doch gewiß nicht zu fürchten, daß die Po¬<lb/> lizeibehörden so unfähig oder so zu ungesetzlichen Handeln geneigt sein sollten,<lb/> daß ihnen erst durch Einwirkung andrer Behörden ein gesetzlicher Halt verliehen<lb/> werden müsse. In den größern Städten ist, wie auch Schwarze in der Anmer¬<lb/> kung zu § 161 seines Kommentars einräumt, das Verhältnis der Polizei ein so<lb/> geordnetes, „daß von der Polizeibehörde ein verständiges und energisches Ein¬<lb/> schreiten und Mitwirken gefordert und erwartet werden darf." An diesen Orten<lb/> sind ja auch die Vorsteher der Pvlizeiverwaltungen juristisch gebildete Personen,<lb/> welche ihren Vorbereitnngskursus bei den Gerichten und der Staatsanwalt¬<lb/> schaft durchgemacht haben und also mit diesem Zweige der Geschäftsthätigkeit<lb/> vertraut sind. Ebenso verhält es sich da, wo die Ortspolizei der kleinern Ge¬<lb/> meinden in den Händen der Landräte liegt. Wo dies alles in kleinern Städten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.
Er kann den Verbrcch er verhaften, aber die gestohlenen Gegenstände, die Mord¬
werkzeuge oder die blutbefleckten Kleider darf er nicht mit Beschlag belegen;
bevor er aber den „Hilfsbeamten" ermittelt hat, können die Angehörigen des
Thäters alle graoirendcn Gegenstände beiseite geschafft, alle Spuren der That
verwischt haben, da sie dies nach § 257 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ungestraft
thun dürfen. Ebenso können, wenn es, wie z. B. bei einem Ladcndiebstahl,
feststeht, daß nur eine von mehreren im Laden anwesenden Personen das Ver¬
brechen begangen haben kann, aber nicht feststeht, wer es gethan hat, eine Reihe von
Personen zeitweise ihrer persönlichen Freiheit beraubt werden, bis der „Hilfs¬
beamte" herbeigeholt ist, der im Gegensatz zu dem zuerst anwesenden Polizei¬
beamten die notwendige Durchsuchung vornehmen kann.
Es erhellt wohl hieraus zur Genüge, daß die in dem Gerichtsverfassungs¬
gesetz und der Strafprozeßordnung beliebte Regelung des Verhältnisses zwischen
Staatsanwaltschaft und Polizei eine mißlungene ist. Man hat nun auch daran
gedacht, die Chefs der Polizciverwaltnngen zu Hilfsbeamten der Staatsanwalt¬
schaft zu ernennen; dies scheiterte aber daran, daß sie alsdann direkt dienstliche
Untergebene des Staatsanwalts werden würden, was mit der Dienst- und
Lebensstellung der meisten Polizeichefs nicht vereinbar ist. Es bleibt also, wenn
man überhaupt polizeiliche Ermittlungen verlangt — und ohne diese kann man
wenigstens im ersten Stadium des Ermittlungsverfahrens nicht auskommen —,
nichts andres übrig, als entweder das Mohlsche System der dem Staatsanwalt
untergeordneten gerichtlichen Polizei vollständig durchzuführen, anstatt wie jetzt
mit demselben verschämt zu liebäugeln, oder das bis zum 1. Oktober 1879 in
Giltigkeit gewesene System wieder einzuführen, wonach der Polizei als solcher
das Ermittlungsverfahren zusteht, diese aber allen Ersuchen der Staatsanwalt¬
schaft Folge zu leisten hat. Die Polizei als solche würde dann die ersten not¬
wendigen Ermittlungen machen, wofür man mit Schwarze der Polizei die
Grenzen nicht zu eng zu stecken hat, dann die Akten der Staatsanwaltschaft
mittielen und auf deren Ersuchen etwaige weitere Ermittlungen anstellen; der
„Hilfsbeamte" würde wegfallen. Es ist doch gewiß nicht zu fürchten, daß die Po¬
lizeibehörden so unfähig oder so zu ungesetzlichen Handeln geneigt sein sollten,
daß ihnen erst durch Einwirkung andrer Behörden ein gesetzlicher Halt verliehen
werden müsse. In den größern Städten ist, wie auch Schwarze in der Anmer¬
kung zu § 161 seines Kommentars einräumt, das Verhältnis der Polizei ein so
geordnetes, „daß von der Polizeibehörde ein verständiges und energisches Ein¬
schreiten und Mitwirken gefordert und erwartet werden darf." An diesen Orten
sind ja auch die Vorsteher der Pvlizeiverwaltungen juristisch gebildete Personen,
welche ihren Vorbereitnngskursus bei den Gerichten und der Staatsanwalt¬
schaft durchgemacht haben und also mit diesem Zweige der Geschäftsthätigkeit
vertraut sind. Ebenso verhält es sich da, wo die Ortspolizei der kleinern Ge¬
meinden in den Händen der Landräte liegt. Wo dies alles in kleinern Städten
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