Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. nicht ohne Einfluß gewesen sein mögen. Trotzdem hat man diese Erfahrungen Und diese Staaten handelten richtig, denn, wenn man den jetzigen Zustand Geht eine Anzeige wegen einer Gesetzesübertretung bei der Polizei, also *) Schwarze, Kommentar zur Strafprozeßordnung. Leipzig, 1874. S. 301, Anmerk. 3 Grenzboten I. 1836. 42
Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. nicht ohne Einfluß gewesen sein mögen. Trotzdem hat man diese Erfahrungen Und diese Staaten handelten richtig, denn, wenn man den jetzigen Zustand Geht eine Anzeige wegen einer Gesetzesübertretung bei der Polizei, also *) Schwarze, Kommentar zur Strafprozeßordnung. Leipzig, 1874. S. 301, Anmerk. 3 Grenzboten I. 1836. 42
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Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.
nicht ohne Einfluß gewesen sein mögen. Trotzdem hat man diese Erfahrungen
für maßgebend gehalten und das braunschweigische System bei der neuen Ge¬
setzgebung zu gründe gelegt. Jetzt ist der Staatsanwalt „das Haupt der ge¬
richtlichen Polizei," selbst „der Beginn der Ermittlungen" hängt „lediglich von
der Entschließung des Staatsanwalts ab."*) Man sah zwar ein, daß man
unmöglich die ganze Polizei unter die Staatsanwaltschaft stelle» könne, und
kam daher auf die Idee, einzelne (von den Landesregierungen der einzelnen
Bundesstnatcu näher zu bezeichnende) Polizeibeamte für „Hilfsbeamte der Staats¬
anwaltschaft" zu erklären, neben ihrer dienstlichen Unterordnung unter die Polizei
direkt der Staatsanwaltschaft unterzuordnen und mit gewissen der Staats¬
anwaltschaft vorbehaltenen Befugnissen im Gegensatz zu den übrigen Polizei¬
beamten auszustatten. Daß die gleichzeitige Unterordnung dieser Beamten unter
Behörden verschiedener Verwaltungszweige Übelstände mit sich bringen könne
und deshalb begründeten Bedenken unterliege, entgeht der „Begründung" nicht,
allein sie tröstet sich damit, daß sich solche Übclstcinde „da, wo die gerichtliche
Polizei schon jetzt der Staatsanwaltschaft untergeordnet ist, nicht gezeigt haben."
Daß dies nur die Erfahrungen Braunschweigs sind, welche mitzumachen die
übrigen deutschen Staaten nicht für zweckmäßig gehalten hatten, ist bereits
dargelegt.
Und diese Staaten handelten richtig, denn, wenn man den jetzigen Zustand
genauer betrachtet, so ergeben sich formell und materiell schwere Unzuträglich¬
keiten. Die ersteren betreffen freilich nur die Polizei, und die Justizgesetzgebung
ist ja im einseitigen Interesse der Justiz entworfen, also insofern folgerecht; so¬
bald man aber die Polizei auch als ein der Justizverwaltung ebenbürtiges
Glied der Staatsverwaltung ansehen will, wird man finden, daß das jetzt ge¬
schaffene Verhältnis anch formell etwas ganz unfertiges ist. Dies mögen
einige Beispiele zeigen, welche leicht vermehrt werden könnten.
Geht eine Anzeige wegen einer Gesetzesübertretung bei der Polizei, also
doch beim Vorstände der betreffenden Polizeibehörde ein, so hat dieser wegen
der ihm nach ß 161 der Strafprozeßordnung obliegenden Verpflichtung, straf¬
bare Handlungen zu erforschen oder durch seine Organe erforschen zu lassen,
in allen Sachen, die keinen Aufschub gestatten, auf Grund der ergangenen An¬
zeige Ermittlungen alizuordnen. Ergiebt sich nun im Verlaufe derselben, daß
eine Durchsuchung oder Beschlagnahme nötig ist, so ist er selbst und sein beauf¬
tragter Untergebener, wenn dieser nicht gleichzeitig einer der doch schon allein
aus Mangel an Zeit nicht überall zu verwendenden „Hilfsbeamten" ist, plötzlich
unzuständig, diese beiden Handlungen kann ja nur der Hilfsbeamte vornehmen,
und da dieser in seiner Eigenschaft als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft
nur der letzteren, nicht dem Vorstande der Polizeiverwaltung untergeben ist, so
*) Schwarze, Kommentar zur Strafprozeßordnung. Leipzig, 1874. S. 301, Anmerk. 3
Grenzboten I. 1836. 42
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