Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.gebracht worden, vielmehr hat man überall das Ermittlnngsverfahrcn den mit Bis 1879 stand in sämtliche" deutsche" Staaten mit Ausnahme Braun- gebracht worden, vielmehr hat man überall das Ermittlnngsverfahrcn den mit Bis 1879 stand in sämtliche» deutsche« Staaten mit Ausnahme Braun- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195016"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1208" prev="#ID_1207"> gebracht worden, vielmehr hat man überall das Ermittlnngsverfahrcn den mit<lb/> der Verhinderung der Gesetzesübertretungen betrauten Organen der Sicherheits¬<lb/> polizei übertragen und der Staatsanwaltschaft nur eine gewisse Einwirkung darauf<lb/> verliehen. Daß die Regelung eines solchen gegenseitigen Verhältnisses zwischen<lb/> Polizei und Staatsanwaltschaft eine sehr schwierige ist, liegt auf der Hand,<lb/> es wird aber auch niemand, der mit den Verhältnissen der Pvlizeivcrwaltung<lb/> vertraut ist, behaupten können, daß dies Verhältnis dnrch das Gerichtsver-<lb/> fasfuugsgesetz und die Strafprozeßordnung in befriedigender Weise gelöst worden<lb/> sei. Wie konnte aber auch eine Gesetzgebung gerecht gegen die Polizei ver¬<lb/> fahren, welche in der „Begründung" zum Gcrichtsverfassungsgesetz ausspricht, daß<lb/> die nunmehr durchgeführte „Leitung der Sicherheitspolizei durch die Staats¬<lb/> anwaltschaft wesentlich duzn beitragen muß, der ersteren eine gesetzliche Haltung<lb/> zu verleihen!" Hiermit wird ja geradezu ausgesprochen, daß die Polizei der<lb/> gesetzlichen Haltung entbehre, und die ihr koordinirte Staatsanwaltschaft aufge¬<lb/> fordert, die auf ungesetzlichen Wegen wandelnde Polizei ans den Boden des<lb/> Gesetzes zuriickzufnhren. Hierdurch werden solche Anschauungen über die Polizei<lb/> genährt, wie sie mehrfach im Reichstage und im preußischen Landtage zum<lb/> Ausdruck gekommen sind und den Minister des Innern zu den von allen Polizei¬<lb/> behörden mit vollstem Danke vernommenen warmen Vertcidigungswvrten z»<lb/> gunsten der Polizei veranlaßt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1209" next="#ID_1210"> Bis 1879 stand in sämtliche» deutsche« Staaten mit Ausnahme Braun-<lb/> schweigs das erste Ermittlungsverfahren den Polizeibehörden selbständig zu,<lb/> welche zu diesem Zwecke Beschlagnahmen, Haussuchungen und Verhaftungen vor¬<lb/> nehmen konnten. Sie hatten alle Anzeigen, welche keinen Aufschub gestatteten, selbst<lb/> zu verfolgen, alle übrigen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft einzusenden, wurden<lb/> dann, wenn die Staatsanwaltschaft die weiteren Ermittlungen nicht selbst vor¬<lb/> nehmen wollte, zu deren Vornahme ersucht und hatten diesem Ersuchen (je nach<lb/> dem Sprachgebrauche der einzelnen Gesetzgebung auch Angeben, Weisungen oder<lb/> Anordnungen genannt) Folge zu leisten. Nach der Begründung zum Gerichtsvcr-<lb/> fafsungsgesetze wird dies Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft als<lb/> ein unfertiges, der organischen Verbindung entbehrendes angesehen. In Vrauu-<lb/> fchweig hatte man nach dem Gesetz vom 19. März 1850 die gerichtliche Polizei<lb/> direkt unter die Staatsanwaltschaft gestellt, und in Baiern war nach der ge¬<lb/> nannten Begründung eine gleiche Organisation der gerichtlichen Polizei „in<lb/> Aussicht genommen." Es hätte nun freilich stutzig machen können, daß<lb/> sämtliche deutsche Strafprozeßordnungen, welche alle nach dem 19. März 1859<lb/> ergangen sind, lieber das „unfertige, der organischen Verbindung entbehrende"<lb/> Verhältnis einführten, als daß sie das braunschweigische System eingeführt<lb/> hätten, nicht einmal das stammverwandte Hannover nahm dies System an, und<lb/> so sprach eigentlich für die Güte dieses Systems nur die Erfahrung in dem<lb/> kleinen Herzogtum«: Braunschweig, dessen zufällige örtliche Verhältnisse dabei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0340]
gebracht worden, vielmehr hat man überall das Ermittlnngsverfahrcn den mit
der Verhinderung der Gesetzesübertretungen betrauten Organen der Sicherheits¬
polizei übertragen und der Staatsanwaltschaft nur eine gewisse Einwirkung darauf
verliehen. Daß die Regelung eines solchen gegenseitigen Verhältnisses zwischen
Polizei und Staatsanwaltschaft eine sehr schwierige ist, liegt auf der Hand,
es wird aber auch niemand, der mit den Verhältnissen der Pvlizeivcrwaltung
vertraut ist, behaupten können, daß dies Verhältnis dnrch das Gerichtsver-
fasfuugsgesetz und die Strafprozeßordnung in befriedigender Weise gelöst worden
sei. Wie konnte aber auch eine Gesetzgebung gerecht gegen die Polizei ver¬
fahren, welche in der „Begründung" zum Gcrichtsverfassungsgesetz ausspricht, daß
die nunmehr durchgeführte „Leitung der Sicherheitspolizei durch die Staats¬
anwaltschaft wesentlich duzn beitragen muß, der ersteren eine gesetzliche Haltung
zu verleihen!" Hiermit wird ja geradezu ausgesprochen, daß die Polizei der
gesetzlichen Haltung entbehre, und die ihr koordinirte Staatsanwaltschaft aufge¬
fordert, die auf ungesetzlichen Wegen wandelnde Polizei ans den Boden des
Gesetzes zuriickzufnhren. Hierdurch werden solche Anschauungen über die Polizei
genährt, wie sie mehrfach im Reichstage und im preußischen Landtage zum
Ausdruck gekommen sind und den Minister des Innern zu den von allen Polizei¬
behörden mit vollstem Danke vernommenen warmen Vertcidigungswvrten z»
gunsten der Polizei veranlaßt haben.
Bis 1879 stand in sämtliche» deutsche« Staaten mit Ausnahme Braun-
schweigs das erste Ermittlungsverfahren den Polizeibehörden selbständig zu,
welche zu diesem Zwecke Beschlagnahmen, Haussuchungen und Verhaftungen vor¬
nehmen konnten. Sie hatten alle Anzeigen, welche keinen Aufschub gestatteten, selbst
zu verfolgen, alle übrigen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft einzusenden, wurden
dann, wenn die Staatsanwaltschaft die weiteren Ermittlungen nicht selbst vor¬
nehmen wollte, zu deren Vornahme ersucht und hatten diesem Ersuchen (je nach
dem Sprachgebrauche der einzelnen Gesetzgebung auch Angeben, Weisungen oder
Anordnungen genannt) Folge zu leisten. Nach der Begründung zum Gerichtsvcr-
fafsungsgesetze wird dies Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft als
ein unfertiges, der organischen Verbindung entbehrendes angesehen. In Vrauu-
fchweig hatte man nach dem Gesetz vom 19. März 1850 die gerichtliche Polizei
direkt unter die Staatsanwaltschaft gestellt, und in Baiern war nach der ge¬
nannten Begründung eine gleiche Organisation der gerichtlichen Polizei „in
Aussicht genommen." Es hätte nun freilich stutzig machen können, daß
sämtliche deutsche Strafprozeßordnungen, welche alle nach dem 19. März 1859
ergangen sind, lieber das „unfertige, der organischen Verbindung entbehrende"
Verhältnis einführten, als daß sie das braunschweigische System eingeführt
hätten, nicht einmal das stammverwandte Hannover nahm dies System an, und
so sprach eigentlich für die Güte dieses Systems nur die Erfahrung in dem
kleinen Herzogtum«: Braunschweig, dessen zufällige örtliche Verhältnisse dabei
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