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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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gesehen hat." Man achte aus die Farbe der genannten Blumen: weiß, rosa,
dunkelrot und violett. Wenn man dazu grünes oder gelbliches Laubwerk
rechnet, hat man die herrschenden Töne in den Brueghelschen Blumenstücken.
Eine bunte Gesellschaft! Trotzdem verstand es aber der Meister, sie zu einer
wundervollen Harmonie zusammenzustimmen, ohne daß er sich, wie die hollän¬
dischen Blumenmaler, eines zusammenfassenden Grundtones, sei es eines bräun¬
lichen, silbergrauen oder eines grünlichen, bediente. Die flämischen Künstler
legten immer den Hauptwert auf eine ungeschmälerte Wirkung der Lokalfarben.
Die Tonmalerei ist erst durch die Holländer, namentlich durch Adriaen Brouwer
in Antwerpen, eingeführt worden; doch vermochte sie nicht, die angeborene
Farbenfreudigkeit der Flamländer erheblich zu dämpfen. Sie blieb auch später
der Grundzug der flämischen Blumen- und Stilllebenmalerei, als deren Be¬
gründer Jan Vrueghel anzusehen ist. Sowohl sein Schüler, der Jesuit Daniel
Seghers (1390--1661), und dessen Schüler Philips van Thiele (1618--1667),
als der aus Utrecht nach Antwerpen gekommene Jan Davidsz de Heem, das
berühmteste Mitglied dieser Malerfamilie, bevorzugten eine lebhafte Frische der
Lvkalfarben, wenn dieselben auch allmählich einen etwas tiefern Ton annahmen.

Aber nicht bloß in der Blumenmalerei an sich war Jan Brueghel der
Vorgänger und das Vorbild dieser Meister, sondern auch darin, daß er die
Blumen mit Libellen, Fliegen und allerhand Insekten belebte, welche er mit
wunderbarer Naturtreue, bis auf die feinen Rippchen und den metallischen Glanz
ihrer Flügeldecken, nachbildete. Diese zarte Gefolgschaft der Blumen finden wir
bereits auf jenem obenerwähnten Stücke für den Erzbischof von Mailand. Es
war im Hochsommer 1606 vollendet. In dem Begleitbriefe schreibt Brueghel
in seiner naiven, durch die unbefangene Freude an fleißigem Schaffen zu ent¬
schuldigenden Art: "Ich schicke Eurer erlauchtesten Herrlichkeit das Bild mit den
Blumen, die alle nach der Natur gemalt sind. Auf diesem Bilde habe ich
gemacht, was ich überhaupt zu machen imstande bin. Ich glaube, daß niemals
soviele seltene und mannichfaltige Blumen gemalt worden sind und mit solchem
Fleiß. Im Winter wird das einen schönen Anblick geben: einige Farben erreichen
fast die Natur. Unter den Blumen habe ich ein Kleinod gemalt mit kunstvollen
Medaillen und mit Seltenheiten aus dem Meere. Ich überlasse es dem Urteile
Ew. erlauchtesten Herrlichkeit, ob die Blumen nicht Gold und Juwelen an Farbe
übertreffen." Trotz seines Eifers hat Brueghel dieses noch in der ambrosianischen
Bibliothek in Mailand vorhandene Bild nur unvollständig geschildert. Der
Blumenstrauß steht nämlich in einer Vase von gebräuntem Thon, und auf dem
Blumenkelche sitzen jene obengenannten Insekten, welche Brueghel, soviel wir
wissen, zuerst in das Bereich künstlerischer Darstellung zog. Die "Seltenheiten
aus dem Meere" sind Muscheln, wie sie nach Brueghcls beiläufiger Bemerkung
durch holländische Schiffe aus Indien nach Antwerpen gebracht wurden. Durch
dieselbe Vermittlung wird Vrueghel auch die seltsamen roten und blauen Fische


gesehen hat." Man achte aus die Farbe der genannten Blumen: weiß, rosa,
dunkelrot und violett. Wenn man dazu grünes oder gelbliches Laubwerk
rechnet, hat man die herrschenden Töne in den Brueghelschen Blumenstücken.
Eine bunte Gesellschaft! Trotzdem verstand es aber der Meister, sie zu einer
wundervollen Harmonie zusammenzustimmen, ohne daß er sich, wie die hollän¬
dischen Blumenmaler, eines zusammenfassenden Grundtones, sei es eines bräun¬
lichen, silbergrauen oder eines grünlichen, bediente. Die flämischen Künstler
legten immer den Hauptwert auf eine ungeschmälerte Wirkung der Lokalfarben.
Die Tonmalerei ist erst durch die Holländer, namentlich durch Adriaen Brouwer
in Antwerpen, eingeführt worden; doch vermochte sie nicht, die angeborene
Farbenfreudigkeit der Flamländer erheblich zu dämpfen. Sie blieb auch später
der Grundzug der flämischen Blumen- und Stilllebenmalerei, als deren Be¬
gründer Jan Vrueghel anzusehen ist. Sowohl sein Schüler, der Jesuit Daniel
Seghers (1390—1661), und dessen Schüler Philips van Thiele (1618—1667),
als der aus Utrecht nach Antwerpen gekommene Jan Davidsz de Heem, das
berühmteste Mitglied dieser Malerfamilie, bevorzugten eine lebhafte Frische der
Lvkalfarben, wenn dieselben auch allmählich einen etwas tiefern Ton annahmen.

Aber nicht bloß in der Blumenmalerei an sich war Jan Brueghel der
Vorgänger und das Vorbild dieser Meister, sondern auch darin, daß er die
Blumen mit Libellen, Fliegen und allerhand Insekten belebte, welche er mit
wunderbarer Naturtreue, bis auf die feinen Rippchen und den metallischen Glanz
ihrer Flügeldecken, nachbildete. Diese zarte Gefolgschaft der Blumen finden wir
bereits auf jenem obenerwähnten Stücke für den Erzbischof von Mailand. Es
war im Hochsommer 1606 vollendet. In dem Begleitbriefe schreibt Brueghel
in seiner naiven, durch die unbefangene Freude an fleißigem Schaffen zu ent¬
schuldigenden Art: „Ich schicke Eurer erlauchtesten Herrlichkeit das Bild mit den
Blumen, die alle nach der Natur gemalt sind. Auf diesem Bilde habe ich
gemacht, was ich überhaupt zu machen imstande bin. Ich glaube, daß niemals
soviele seltene und mannichfaltige Blumen gemalt worden sind und mit solchem
Fleiß. Im Winter wird das einen schönen Anblick geben: einige Farben erreichen
fast die Natur. Unter den Blumen habe ich ein Kleinod gemalt mit kunstvollen
Medaillen und mit Seltenheiten aus dem Meere. Ich überlasse es dem Urteile
Ew. erlauchtesten Herrlichkeit, ob die Blumen nicht Gold und Juwelen an Farbe
übertreffen." Trotz seines Eifers hat Brueghel dieses noch in der ambrosianischen
Bibliothek in Mailand vorhandene Bild nur unvollständig geschildert. Der
Blumenstrauß steht nämlich in einer Vase von gebräuntem Thon, und auf dem
Blumenkelche sitzen jene obengenannten Insekten, welche Brueghel, soviel wir
wissen, zuerst in das Bereich künstlerischer Darstellung zog. Die „Seltenheiten
aus dem Meere" sind Muscheln, wie sie nach Brueghcls beiläufiger Bemerkung
durch holländische Schiffe aus Indien nach Antwerpen gebracht wurden. Durch
dieselbe Vermittlung wird Vrueghel auch die seltsamen roten und blauen Fische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/313>, abgerufen am 01.10.2024.