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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Im Herzogtum Friedland.

stell" in Galicien sollte sie eine mächtige Kuppel tragen, die vier Türme
flankirten. Doch ist sie nicht nach diesem Plane zur Ausführung gekommen.
Eine die ganze Breite einnehmende Vorhalle leitet in das sast quadratische
Innere. Hier erhebt sich in der That über dem Mittelraume die Kuppel¬
wölbung, doch bei näherer Einsicht stellt es sich heraus, daß der Eindruck einer,
solchen nur auf geschickter perspektivischer Malerei beruht; ein Blick von außen
zeigt vollends da, wo mau die Kuppel erwartet, nur einen niedrigen polygonalen
Aufsatz. An den Mittelraum stoßen fast gleich hohe Seitenschiffe, eine halb¬
runde Apsis umschließt den Hochaltar, das Ganze einfach nud schlicht, von
korinthischen Pfeilern getragen.

Die Jakobskirche steht fast unmittelbar an dem Waloitzer Thore, das noch
ein wohlerhaltener Thorturm mit spitzem Schieferdache deckt. Hier führt links
die Straße nach Wallensteins "Lustgarten" (I^do^ä) und zugleich zu seiner
Begräbnisstätte in der Karthause. Da, wo die Häuser der Vorstadt aufhören,
beginnt die Lindenallee, welche er anlegte, eine vierfache Reihe mächtiger, ehr¬
würdiger Bäume, die breite Fahrstraße und zwei Fußwege rechts und links
begrenzend in einer Länge von dreitausend Schritt, jetzt zum Teil schlecht gehalten,
aber in ihrer Anlage die Schöpfung eines Fürsten. So führt sie schnurgerade
auf das Thor eines Gehöftes, das auf drei Seiten niedrige Gebäude umgeben,
auf der Südostseite die Gartcuhalle schließt, denn an "diese grenzt der Garten
selbst. Die Halle ist das leibhaftige Abbild der berühmten Prager Loggia, die
W. Lübke zu den gewaltigsten Schöpfungen der ganzen Zeit rechnet, nur etwas
vereinfacht und verkleinert, nach hinten und an den beiden Schmalseiten mit
Mauern geschlossen, nach vorn, uach dem Garten hin mit drei hohen Bögen
sich öffnend, die von gekuppelten Pfeilern getragen werden, und von Kreuz¬
gewölben überspannt; eine breite Terrasse, vorn von einer Steinbalustrade ein¬
gefaßt, leitet auf zwei seitlichen Freitreppen hinunter in den Garten. Alles ist
in großartigen Verhältnissen angelegt, jetzt freilich ohne die reichen Stnckatnrcn,
die der Erbauer für sie bestimmte, und einfach weiß getüncht. Von dieser Halle
aus schweift der Blick geradeaus über ein Nasenparterre nud durch eine lange
Doppelreihe hochstämmiger Pappeln, an deren Ende ein grüner Hügelkamm
jetzt die Aussicht schließt. Ehemals sprang auf dem Platze vor der Halle
eine "großmächtige Fontana," wie Wallenstein sie nennt, die rechts und links
noch andre Springbrunnen speiste. Das ist verschwunden, wie der Schwanenteich
und der Fasanengarten, aber schöner, als sie der Herzog je sehen konnte, ziehen
sich vier Reihen mächtiger Linden dnrch den Garten hindurch, wenngleich die
Zeit schon viele Lücken in ihnen gerissen hat. Heute liegt seine Schöpfung still
und wenig besucht; statt der Kammerherren und Pagen des Herzogs tummeln
sich hier die Kinder der Gitschiner.

Eine Wanderung von wenigen hundert Schritten weiter an dem spitzen
Basaltkegel des Zibin (Nsdw) vorüber führt zur Karthause. Sie ist jetzt nicht


Grmzbotenl. 188S. 29
Im Herzogtum Friedland.

stell« in Galicien sollte sie eine mächtige Kuppel tragen, die vier Türme
flankirten. Doch ist sie nicht nach diesem Plane zur Ausführung gekommen.
Eine die ganze Breite einnehmende Vorhalle leitet in das sast quadratische
Innere. Hier erhebt sich in der That über dem Mittelraume die Kuppel¬
wölbung, doch bei näherer Einsicht stellt es sich heraus, daß der Eindruck einer,
solchen nur auf geschickter perspektivischer Malerei beruht; ein Blick von außen
zeigt vollends da, wo mau die Kuppel erwartet, nur einen niedrigen polygonalen
Aufsatz. An den Mittelraum stoßen fast gleich hohe Seitenschiffe, eine halb¬
runde Apsis umschließt den Hochaltar, das Ganze einfach nud schlicht, von
korinthischen Pfeilern getragen.

Die Jakobskirche steht fast unmittelbar an dem Waloitzer Thore, das noch
ein wohlerhaltener Thorturm mit spitzem Schieferdache deckt. Hier führt links
die Straße nach Wallensteins „Lustgarten" (I^do^ä) und zugleich zu seiner
Begräbnisstätte in der Karthause. Da, wo die Häuser der Vorstadt aufhören,
beginnt die Lindenallee, welche er anlegte, eine vierfache Reihe mächtiger, ehr¬
würdiger Bäume, die breite Fahrstraße und zwei Fußwege rechts und links
begrenzend in einer Länge von dreitausend Schritt, jetzt zum Teil schlecht gehalten,
aber in ihrer Anlage die Schöpfung eines Fürsten. So führt sie schnurgerade
auf das Thor eines Gehöftes, das auf drei Seiten niedrige Gebäude umgeben,
auf der Südostseite die Gartcuhalle schließt, denn an »diese grenzt der Garten
selbst. Die Halle ist das leibhaftige Abbild der berühmten Prager Loggia, die
W. Lübke zu den gewaltigsten Schöpfungen der ganzen Zeit rechnet, nur etwas
vereinfacht und verkleinert, nach hinten und an den beiden Schmalseiten mit
Mauern geschlossen, nach vorn, uach dem Garten hin mit drei hohen Bögen
sich öffnend, die von gekuppelten Pfeilern getragen werden, und von Kreuz¬
gewölben überspannt; eine breite Terrasse, vorn von einer Steinbalustrade ein¬
gefaßt, leitet auf zwei seitlichen Freitreppen hinunter in den Garten. Alles ist
in großartigen Verhältnissen angelegt, jetzt freilich ohne die reichen Stnckatnrcn,
die der Erbauer für sie bestimmte, und einfach weiß getüncht. Von dieser Halle
aus schweift der Blick geradeaus über ein Nasenparterre nud durch eine lange
Doppelreihe hochstämmiger Pappeln, an deren Ende ein grüner Hügelkamm
jetzt die Aussicht schließt. Ehemals sprang auf dem Platze vor der Halle
eine „großmächtige Fontana," wie Wallenstein sie nennt, die rechts und links
noch andre Springbrunnen speiste. Das ist verschwunden, wie der Schwanenteich
und der Fasanengarten, aber schöner, als sie der Herzog je sehen konnte, ziehen
sich vier Reihen mächtiger Linden dnrch den Garten hindurch, wenngleich die
Zeit schon viele Lücken in ihnen gerissen hat. Heute liegt seine Schöpfung still
und wenig besucht; statt der Kammerherren und Pagen des Herzogs tummeln
sich hier die Kinder der Gitschiner.

Eine Wanderung von wenigen hundert Schritten weiter an dem spitzen
Basaltkegel des Zibin (Nsdw) vorüber führt zur Karthause. Sie ist jetzt nicht


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[0237] Im Herzogtum Friedland. stell« in Galicien sollte sie eine mächtige Kuppel tragen, die vier Türme flankirten. Doch ist sie nicht nach diesem Plane zur Ausführung gekommen. Eine die ganze Breite einnehmende Vorhalle leitet in das sast quadratische Innere. Hier erhebt sich in der That über dem Mittelraume die Kuppel¬ wölbung, doch bei näherer Einsicht stellt es sich heraus, daß der Eindruck einer, solchen nur auf geschickter perspektivischer Malerei beruht; ein Blick von außen zeigt vollends da, wo mau die Kuppel erwartet, nur einen niedrigen polygonalen Aufsatz. An den Mittelraum stoßen fast gleich hohe Seitenschiffe, eine halb¬ runde Apsis umschließt den Hochaltar, das Ganze einfach nud schlicht, von korinthischen Pfeilern getragen. Die Jakobskirche steht fast unmittelbar an dem Waloitzer Thore, das noch ein wohlerhaltener Thorturm mit spitzem Schieferdache deckt. Hier führt links die Straße nach Wallensteins „Lustgarten" (I^do^ä) und zugleich zu seiner Begräbnisstätte in der Karthause. Da, wo die Häuser der Vorstadt aufhören, beginnt die Lindenallee, welche er anlegte, eine vierfache Reihe mächtiger, ehr¬ würdiger Bäume, die breite Fahrstraße und zwei Fußwege rechts und links begrenzend in einer Länge von dreitausend Schritt, jetzt zum Teil schlecht gehalten, aber in ihrer Anlage die Schöpfung eines Fürsten. So führt sie schnurgerade auf das Thor eines Gehöftes, das auf drei Seiten niedrige Gebäude umgeben, auf der Südostseite die Gartcuhalle schließt, denn an »diese grenzt der Garten selbst. Die Halle ist das leibhaftige Abbild der berühmten Prager Loggia, die W. Lübke zu den gewaltigsten Schöpfungen der ganzen Zeit rechnet, nur etwas vereinfacht und verkleinert, nach hinten und an den beiden Schmalseiten mit Mauern geschlossen, nach vorn, uach dem Garten hin mit drei hohen Bögen sich öffnend, die von gekuppelten Pfeilern getragen werden, und von Kreuz¬ gewölben überspannt; eine breite Terrasse, vorn von einer Steinbalustrade ein¬ gefaßt, leitet auf zwei seitlichen Freitreppen hinunter in den Garten. Alles ist in großartigen Verhältnissen angelegt, jetzt freilich ohne die reichen Stnckatnrcn, die der Erbauer für sie bestimmte, und einfach weiß getüncht. Von dieser Halle aus schweift der Blick geradeaus über ein Nasenparterre nud durch eine lange Doppelreihe hochstämmiger Pappeln, an deren Ende ein grüner Hügelkamm jetzt die Aussicht schließt. Ehemals sprang auf dem Platze vor der Halle eine „großmächtige Fontana," wie Wallenstein sie nennt, die rechts und links noch andre Springbrunnen speiste. Das ist verschwunden, wie der Schwanenteich und der Fasanengarten, aber schöner, als sie der Herzog je sehen konnte, ziehen sich vier Reihen mächtiger Linden dnrch den Garten hindurch, wenngleich die Zeit schon viele Lücken in ihnen gerissen hat. Heute liegt seine Schöpfung still und wenig besucht; statt der Kammerherren und Pagen des Herzogs tummeln sich hier die Kinder der Gitschiner. Eine Wanderung von wenigen hundert Schritten weiter an dem spitzen Basaltkegel des Zibin (Nsdw) vorüber führt zur Karthause. Sie ist jetzt nicht Grmzbotenl. 188S. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/237>, abgerufen am 22.07.2024.