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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Vie Kommilitonen,

Da möchte ich doch opponiren, entgegnete Mirbl gedehnt, indem er seine
Hnndkarten als Fächer benutzte und sich Hintenüberboa,, Der "blasse Heinrich"
hat den Grundgedanken dieser Institution, Beteiligung des Laienelements bei
der Rcchtsfindung, sehr richtig erfaßt, aber das Goethische: "Wohlthat -- Plage"
springt natürlich bei der Verbalhornenden legislatorischen Ausführung der Grund¬
idee in die Augen.

Bitte Coeur! sagte Archimedes,

Hört nur diese Juristen! spottete Genserich, es fehlt nur noch, daß sie uns
Paragraphen vorreiten, 1)s l,c>Jul8 äiM M^lor, warf Pipin vom Whisttische
dazwischen, und Reitz lachte vergnügt.

Nun laßt auch einmal den Soldaten zu Worte kommen, sagte Genserich.
Ich bin völlig damit einverstanden, was der Rhetor über den Einfluß der Gym¬
nasialbildung auf die Strategie äußerte, finde den Überblick, den er betreffs der
weltgeschichtlichen Errungenschaften aus den Kriegen von 1866 und 1870 ge¬
geben, wahrhaft --

Liebevoll! sage ich auch, ergänzte Mirbl, wenn ich auch seinen Optimismus
keineswegs teile (dabei hatte er seine Stimme gedämpft), und dasselbe gilt,
sagte er, indem er die Stimme wieder hob, von dem Gebiete der Politik, der
Staatswissenschaft, der Nationalökonomie, der Statistik, der Presse, die er ge¬
streift und in großen Zügen durch eine inhaltsvolle Schraffirung gezeichnet hat,
ich wünschte nur, ich vermöchte es --

Ach wie schade! fuhr Archimedes auf.

Wieso?

Ich meine nur.

Ach so -- also ich vermöchte es, ihn vor diesem Areopag ebenso in der
Philosophie, Philologie und Pädagogik zu kontroliren und vor diesem Ostra-
zismus zu salviren, denn auf diesen Gebieten vertiefte sich sein Vortrag ganz
besonders. Allein, allein -- und dabei zuckte er mit den Achseln und machte
eine demütige Bewegung, der aber ein arger Hochmut zugrunde lag.

Nun denn, so darf ich wohl auch seiner Ausführungen über die Kunst¬
leistungen gedenken, hub Pipin an, der übrigens sehr schlechte Karten hatte.

Bitte Coeur! sagte Archimedes zu ihm.

Ja freilich, in der Malerei und Plastik wie in der Musik vermag ich ihn
nicht zu "kontroliren," wie Mirbl so treffend sagt (Mirbl hob die Nase, als
röche er ein Lieblingsparfüm), auch in der Lyrik und Epik vermag ich ihm
nicht ins Blatt zu gucken, aber was er über das Drama gesagt, war ebenfalls
"lichtvoll," insbesondre seine Ausführungen über den Niedergang der Tragödie
und das abweisende Verhalten des Publikums zu dieser Kunstgattung, und
geradezu prophetisch war das, was er über das moderne Lustspiel und seine
Aussichten bemerkte, über die üppige Produktion, die sich bei den Konkurrenz¬
ausschreibunge" zeigt und die entschieden einen gesunden Kern aufweist, eine


Vie Kommilitonen,

Da möchte ich doch opponiren, entgegnete Mirbl gedehnt, indem er seine
Hnndkarten als Fächer benutzte und sich Hintenüberboa,, Der „blasse Heinrich"
hat den Grundgedanken dieser Institution, Beteiligung des Laienelements bei
der Rcchtsfindung, sehr richtig erfaßt, aber das Goethische: „Wohlthat — Plage"
springt natürlich bei der Verbalhornenden legislatorischen Ausführung der Grund¬
idee in die Augen.

Bitte Coeur! sagte Archimedes,

Hört nur diese Juristen! spottete Genserich, es fehlt nur noch, daß sie uns
Paragraphen vorreiten, 1)s l,c>Jul8 äiM M^lor, warf Pipin vom Whisttische
dazwischen, und Reitz lachte vergnügt.

Nun laßt auch einmal den Soldaten zu Worte kommen, sagte Genserich.
Ich bin völlig damit einverstanden, was der Rhetor über den Einfluß der Gym¬
nasialbildung auf die Strategie äußerte, finde den Überblick, den er betreffs der
weltgeschichtlichen Errungenschaften aus den Kriegen von 1866 und 1870 ge¬
geben, wahrhaft —

Liebevoll! sage ich auch, ergänzte Mirbl, wenn ich auch seinen Optimismus
keineswegs teile (dabei hatte er seine Stimme gedämpft), und dasselbe gilt,
sagte er, indem er die Stimme wieder hob, von dem Gebiete der Politik, der
Staatswissenschaft, der Nationalökonomie, der Statistik, der Presse, die er ge¬
streift und in großen Zügen durch eine inhaltsvolle Schraffirung gezeichnet hat,
ich wünschte nur, ich vermöchte es —

Ach wie schade! fuhr Archimedes auf.

Wieso?

Ich meine nur.

Ach so — also ich vermöchte es, ihn vor diesem Areopag ebenso in der
Philosophie, Philologie und Pädagogik zu kontroliren und vor diesem Ostra-
zismus zu salviren, denn auf diesen Gebieten vertiefte sich sein Vortrag ganz
besonders. Allein, allein — und dabei zuckte er mit den Achseln und machte
eine demütige Bewegung, der aber ein arger Hochmut zugrunde lag.

Nun denn, so darf ich wohl auch seiner Ausführungen über die Kunst¬
leistungen gedenken, hub Pipin an, der übrigens sehr schlechte Karten hatte.

Bitte Coeur! sagte Archimedes zu ihm.

Ja freilich, in der Malerei und Plastik wie in der Musik vermag ich ihn
nicht zu „kontroliren," wie Mirbl so treffend sagt (Mirbl hob die Nase, als
röche er ein Lieblingsparfüm), auch in der Lyrik und Epik vermag ich ihm
nicht ins Blatt zu gucken, aber was er über das Drama gesagt, war ebenfalls
„lichtvoll," insbesondre seine Ausführungen über den Niedergang der Tragödie
und das abweisende Verhalten des Publikums zu dieser Kunstgattung, und
geradezu prophetisch war das, was er über das moderne Lustspiel und seine
Aussichten bemerkte, über die üppige Produktion, die sich bei den Konkurrenz¬
ausschreibunge» zeigt und die entschieden einen gesunden Kern aufweist, eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/212>, abgerufen am 22.07.2024.